Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR an der Universität Duisburg-Essen, im Interview
Von Martin Raab, Derivative Partners AG, www.payoff.ch
Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR – Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen, über die Neuordnung der Autolandschaft in Europa, drei Buchstaben für klingelnde Kassen und die grösste Revolution in der Geschichte des Autos.
payoff: Professor Dudenhöffer, General Motors hat mit dem Opel/Vauxhall-Verkauf an PSA die europäische Autolandkarte neu gezeichnet. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Mitbewerber im Mittelklasse-Segment?
Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: Beide sind ja heute schon sehr wettbewerbsintensiv im Markt. Für PSA bedeutet der Kauf von Opel, dass man jetzt auf etwas mehr als vier Millionen Fahrzeuge kommt. Damit erreicht man zwar Scales, aber ist doch noch ein ganzes Stück von VW, Toyota, Renault-Nissan-Mitsubishi entfernt. Die sind alle bei zehn Millionen im Markt und Europa macht gerade mal 15% der Weltverkäufe aus. Ist man wirklich ein Champion, wenn man auf einer Insel sitzt, die 15% der Welt ausmacht? Also ich glaube nicht, dass man bei VW und den anderen jetzt schlaflose Nächte hat.
«Der Verkauf von Opel zeichnet ein schlechtes Bild vom GM-Mangement. Die waren nicht in der Lage, erfolgreich zu restrukturieren.»
…wird die GM-Aktie durch den Verkauf von Opel also potenziell wertvoller?
Na ja, zunächst hat man ja Einmal-Verluste. GM gibt eine Mitgift von netto vier Milliarden Euro zur Braut Opel und der spärliche 2,2 Milliarden-Euro-Rückfluss wird zu 30% mit Aktienoptionen von PSA «bezahlt». Ob damit der Verkäufer wirklich «wertvoller» wird? Es zeichnet eher ein schlechtes Bild vom GM-Management, das nicht in der Lage war, ein Unternehmen zu restrukturieren.
Positive Bilder hingegen zeichnen sich bei den deutschen Autobauern: BMW hat kürzlich ein weiteres Mal ein Rekordjahr verkündet. Daimler proklamiert für das abgelaufene Jahr 2016 das beste Jahr der Firmengeschichte. An Volkswagen klebt noch der Dieselgate-Skandal, aber die Umsätze brummen auch dort. Paradiesische Zustände also?
Nicht paradiesisch, aber gut. Paradiesisch sind die EBIT-Margen von Apple oder Google. Insgesamt sind die deutschen Autobauer im Markt nach meiner Meinung gut aufgestellt. Aber der Wettbewerb wird stärker – etwa durch JaguarLandrover, eine tolle Erfolgsgeschichte oder mit den neuen Chinesen à la Great Wall und Geely. Wenig erfolgreich erscheinen mir die Japaner. Die Zeit der Toyotas war gestern.
Mit welchen Modellreihen verdienen die deutschen Autokonzerne aktuell jeweils das grosse Geld?
Dort gibt es nur drei Buchstaben zu nennen: SUV, SUV und noch einmal SUV.
«Der Erfolg in Europa ist kein Gradmesser für den Erfolg eines Autobauers.»
Wer sind die grössten Konkurrenten im europäischen Pkw-Markt für Daimler, BMW und VW?
Nochmals, Europa ist langweilig. Der Markt ist gesättigt mit 15% des Weltmarkts und mit sinkendem Anteil. Der Erfolg in Europa ist kein Gradmesser für den Erfolg eines Autobauers. Die Deutsche Bank ist doch nicht erfolgreich, nur weil sie in Deutschland viele Konten führt.
Danke für die Klarstellung. Gewachsen wird also woanders. Doch wird es China in absehbarer Zeit schaffen, Autos in Europa zu verkaufen?
Ja, die neue Marke Lynk&Co wird sehr spannend. Dort versucht man, von den 10% Vertriebskosten wegzukommen. Das sind 10‘000 Euro bei einem 100‘000 Euro-Auto. Althergebrachtes wie Borgward wird allerdings nach meiner Meinung wenig Chancen haben. Diese Pfade sind einfach zu simpel und ausgelatscht.
Hybrid und E-Cars sind in aller Munde. Wie gut können die etablierten Hersteller bei alternativen Antrieben Angreifern wie Tesla Paroli bieten – oder sind deren Technologien bald sogar besser, weil reichweitenstärker?
Bisher fahren alle Tesla hinterher und Elon Musk hat die Chance, eine wichtige Premiummarke zu werden, wenn er es mit seinem Model 3 richtig hinbekommt. Aber das Rennen beginnt ja erst. Um 2020 werden wird ein breites Portfolio sehen, mit Reichweiten über 500 Kilometer. Ich denke, dass die Deutschen, Renault-Nissan-Mitsubishi, JaguarLandrover, Geely-Volvo, BYD und Great Wall sowie GM dann gut unterwegs sind. Die Hondas, FCA und Toyotas werden eher zu Verlierern.
In den USA sind Schluckspecht-Modelle wie der Ford F150 renditestarke Kassenschlager, bei uns in der Schweiz werden nach wie vor die Autos mit dem grössten Hubraum im europäischen Vergleich gekauft. Wie realistisch ist CO2-neutrales Autofahren innerhalb der nächsten zehn Jahre?
In Europa, China und Kalifornien wird es kommen. Was mit dem Rest-Amerika mit Trump passiert, kann man schlecht sagen. In den nächsten vier Jahren bleibt dort Benzin spottbillig und CO2 eine Geschichte aus 1001 Nacht. Sollten dann die Demokraten nach Trump wieder einen Präsidenten stellen, werden die USA viel von ihrer Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.
Was halten Sie vom Thema autonomes Fahren und Autofahrern, die den Kopf beim Einsteigen dank Autopilot theoretisch abschalten können?
Das wird die grösste Revolution in der Geschichte des Autos. Wir können 1,2 Millionen Menschen jährlich das Leben retten.
Generell: Welche Autohersteller haben betriebswirtschaftlich das grösste Potenzial, in den nächsten Quartalen gute Zahlen abzuliefern?
VW muss seine Kernmarke sanieren, ansonsten läuft es bei den Deutschen gut. JaguarLandrover hat einen guten Lauf. Renault-Nissan-Mitsubishi und Hyundai-Kia dürften auch was zulegen.
Abschliessend: Welche Modellneuheit oder welcher Klassiker ist Ihr Lieblingsauto?
Oh je, lassen Sie es mich diplomatisch sagen. Man kann bei fast jeder europäischen Marke Klassiker und Lieblinge finden.
Herzlichen Dank für das Interview.
Der Gesprächspartner:
Ferdinand Dudenhöffer ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Der umtriebige Professor gilt als der «Autopapst» und vielzitierter Vordenker im Bereich Mobilität. Dudenhöffer startete nach seiner Promotion im Jahr 1985 bei der Adam Opel AG. Anschliessend war er Leiter Marketing-Strategien & Research bei Porsche und bekleidete anschliessend leitende Positionen im PSA-Peugeot Citroen Konzern. 1996 begann er als Professor für Marketing und Unternehmensführung an der FH Gelsenkirchen. Seit Oktober 2008 ist er Gründer und Direktor des CAR Center Automotive Research. Dudenhöffer ist mehrfacher Autor und hat vor kurzem auch ein neues Buch publiziert: «Wer kriegt die Kurve? Zeitenwende in der Autoindustrie» (ISBN-13: 978-3593506074).