Finanzdienstleistungen: Wofür der Kunde künftig bezahlt

Finanzdienstleistungen: Wofür der Kunde künftig bezahlt
(Bild: © Rawpixel - Fotolia.com)

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Zürich – Das Beratungsunternehmen EY hat zum ersten Mal für den Schweizer Finanzdienstleistungsmarkt eine detaillierte, qualitative und quantitative Analyse über die Zahlungsbereitschaft des Schweizer Finanzdienstleistungskunden für bereits länger existierende sowie innovative Produkte und Services durchgeführt. Im Dezember 2014 und Januar 2015 wurden ca. 2000 repräsentative Finanzdienstleistungskunden unterschiedlicher Zielgruppen aus der gesamten Schweiz befragt.

Sowohl bei Banken als auch Versicherungen stehen Vertrauenswürdigkeit und die Reputation des Anbieters bei der Auswahl des jeweiligen Finanzdienstleisters an oberster Stelle. Bei Banken sowie Versicherungen wurden diese Kriterien von ca. 45% als ausschlaggebend genannt. Banken mit einer starken lokalen Präsenz, wie z.B. Kantonalbanken, schneiden bei diesen Kriterien am besten ab. Ein weiterer zentraler Faktor (38%) für die Wahl von Banken ist das digitale Angebot an Services. Bei Versicherungen ist die einfache Verständlichkeit der angebotenen Produkte und Dienstleistungen entscheidend, welche für ein Drittel (31%) der Befragten von höchster Wichtigkeit ist.

«Vertrauen und Reputation sind die zentralen Erfolgsfaktoren für Finanzdienstleister und müssen jeden Tag neu gewonnen werden. Dies wird nur dann erreicht werden, wenn Unternehmen ein systematisches und konsistentes Kundenerlebnis zu jedem Zeitpunkt eines individuellen Kundenlebenszyklus liefern», sagt Achim Bauer, Partner bei EY.

Drastische Verluste von Anbahnung bis Abschluss
Der idealtypische Verlauf der Geschäftsanbahnung startet bei der Überlegung des Kunden, welche Partner für die Verfolgung von bestimmten Investitions- und Sparzielen geeignet sind. Weiter geht die Kundenreise mit der Informationssuche, gefolgt von der Beratungsphase und endet mit einem Abschluss bei dem bevorzugten Partner. Banken sowie Versicherungen schaffen es jedoch nicht, ihre Kunden über diese gesamte «Customer Journey» an sich zu binden. Banken verlieren über 55% der Kunden auf diesem Weg und bei Versicherungen sind es sogar mehr als 70% der Kunden. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass die Finanzdienstleiter die Erwartungen des Kunden in den verschiedenen Phasen nicht oder ungenügend erfüllen.

Angebotspalette von Versicherungen kaum bekannt
Obwohl Versicherungen auch Produkte und Dienstleistungen, wie z.B. Hypotheken, anbieten, die wie bei Banken den Spar- und Investitionszielen dienen, werden diese in den meisten Fällen (75%) nicht berücksichtigt. Dies verdeutlicht, dass Schweizer Finanzdienstleistungskunden Banken und Versicherungen mit ihren traditionellen Produkten und Dienstleistungsangeboten assoziieren und impliziert wiederum, dass sie nicht ausreichend über die Produktpaletten informiert sind. So werden Todesfall- oder Arbeitsunfähigkeitsabsicherungen fast ausschliesslich mit Versicherungen in Verbindung gebracht (98%), wohingegen Aktien, Anleihen und Fonds in circa 75% der Fälle mit Banken assoziiert werden. Daher gilt es vor allem für Versicherer, potentielle Kunden auf ihre gesamte Produktpalette aufmerksam zu machen und ihr Portfolio stärker zu vermarkten, um damit nicht nur ihre Kernkompetenzen, sondern ihr gesamtes Dienstleistungsangebot angemessen zu positionieren.

Hohe Zahlungsbereitschaft für personalisierte Zusatzservices
Für einfache Banking-Basispakete (Konto inkl. Zahlungstransaktionen, Debit- und/oder Kreditkarte) wollen Schweizer Kunden weniger bezahlen, nämlich rund 90 CHF pro Jahr, als die Höhe des durchschnittlichen Marktpreises: rund 110 CHF. Hingegen ist die Nachfrage nach kundenspezifischen Zusatzservices, die von den Finanzinstitutionen angeboten werden, viel höher, und die Kunden sind bereit, signifikante Beiträge zu leisten. Beispiele für solche Zusatzservices sind kundenspezifische wöchentliche Marktanalysen – hier liegt die Zahlungsbereitschaft pro Jahr bei rund 100 CHF – oder Online-Benachrichtigungsservices. Für letztere beträgt die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft pro Jahr rund 90 CHF.

Desweiteren zeigt die Analyse klar auf, dass die Zahlungsbereitschaft bei Versicherungen für dieselben After-Sales-Services im Schnitt ungefähr 14% höher ist als bei Banken – dies obwohl Banken hinsichtlich der Themen Vorsorge und Vermögen eher in Betracht gezogen werden. Beispielweise sind Retail-Kunden mit einem Vermögen von unter CHF 100.000 bereit, für Steuerberatung bei einer Bank im Schnitt knapp 135 CHF zu zahlen – bei einer Versicherung jedoch wären sie gewillt, dafür rund 155 CHF zu zahlen. Dies bedeutet, dass Versicherungen für die gleichen After-Sales-Services mehr als Banken verlangen können.

Digitale Interaktion wird wichtiger, jedoch nicht auf Kosten des persönlichen Kontakts
Obwohl die persönlichen Interaktionsformen derzeitig immer noch am wichtigsten sind, zeichnet sich insbesondere bei der jüngeren Generation klar ab, dass zukünftig für die Informationsbeschaffung sowie für den Kaufabschluss Online-Kanäle immer relevanter werden. Der Trend hin zur Digitalisierung ersetzt dabei jedoch die persönliche Interaktion mit dem Kundenberater nicht – diese geniesst weiterhin einen hohen Stellenwert. Als Beispiel wollen immer noch fast 80% eine persönliche Beratung bei der Bank oder Versicherung.

Anders als bei der Informationsbeschaffung und dem Abschluss spielt die digitale Beratung eine eher geringe Rolle im heutigen Umfeld. Nichtsdestotrotz wurde insbesondere bei der jüngeren Generation eine steigende Relevanz und erhöhtes Interesse an online / virtueller Beratung festgestellt. 25% der Bankkunden und 15% der Versicherungskunden im Alter von unter 35 Jahren wünschen sich vermehrt digitale Interaktion mit dem Finanzdienstleister. Demgegenüber stehen 16% der Bank- und nur 9% der Versicherungskunden im Alter von über 35 Jahren.

Dies bedeutet, dass sich der Kunde von Morgen die «virtuelle Beratung» wünscht und von Finanzdienstleistern erwartet wird, dass sie in naher Zukunft solche Dienstleistungen anbieten.

«In der Zukunft werden die Finanzdienstleister erfolgreich sein, die es verstehen, die digitalen Möglichkeiten optimal mit vorhandener persönlicher Interaktion zu verknüpfen», sagt Bernhard Schneider, Senior Manager bei EY.

Kunden sind offen für neue und innovative Dienstleistungen
Schweizer Kunden sind unabhängig von Vermögen und  Alter hinsichtlich innovativer Dienstleistungen sehr aufgeschlossen – insbesondere die jüngere Generation stuft diese Produkte und Services als relevant ein. Durch die quantitative Analyse wird deutlich, dass sich innovative Dienstleistungen wie Online-Portale für Versicherer (für 44% der Befragten «relevant» bis « sehr relevant»), flexible Portfolio-Management-Tools (sogenannte «Plug & Play») (42%) und Zahlung via Mobiltelefon an Zahlungsterminals (40%) bereits heutzutage einer hohen Akzeptanz erfreuen. Es zeigt sich jedoch auch, dass sich die Zahlungsbereitschaft für die einzelnen Services deutlich unterscheidet. Beispielsweise würden die Kunden für die Zahlung via Mobiltelefon rund 35 CHF pro Jahr bezahlen und für einen virtuellen Berater jährlich ungefähr 90 CHF.

Ein Erklärungsansatz ist, dass der Kunde bestimmte  Services bereits heutzutage aus finanzdienstleistungsfremden Branchen kennt. Die «Preisbildung» des Kunden hat daher schon stattgefunden und er ist weniger bereit zu bezahlen. Für weniger etablierte und unbekanntere innovative Services, wie zum Beispiel den virtuellen Berater, ist der Schweizer Kunde jedoch bereit, deutlich mehr zu bezahlen. Grundsätzlich jedoch gilt: Je vermögender und älter der Kunde desto höher die Zahlungsbereitschaft.

«Die im Rahmen der Studie gewonnenen Erkenntnisse zeigen klar auf, dass Banken wie Versicherer ihr Werteversprechen gegenüber den Kunden überdenken sollten. Dies geht einher mit einem entsprechenden Organisations- und Kulturwandel sowie der Implementierung von Lösungen zur Verarbeitung und Analyse von Daten im Interesse des Kunden», sagt Achim Bauer. (EY/mc)

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