Deutsche Bank rutscht weiter ab – Cryan sieht Spekulanten am Werk
Frankfurt / New York – Die Lage für die Deutsche Bank spitzt sich zu. Denn offenbar verschreckt die Diskussion um die Kapitalausstattung der Bank mittlerweile erste wichtige Kunden. Börsianer reagierten mit massiven Verkäufen: Am Freitag sackte der Aktienkurs zeitweise um 9 Prozent ab und lag damit erstmals unter die Marke von 10 Euro. Bis zum Nachmittag entspannte sich die Situation aber und die Aktie konnte ihre Verluste halbieren.
Konkreter Auslöser der Kursverluste war ein Medienbericht vom Donnerstagabend: Einige Hedgefonds hätten zuletzt überschüssige Geldbestände aus dem Handelsbereich des Instituts abgezogen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ein ihr vorliegendes internes Dokument des Instituts. Auch die Kurse wichtiger Anleihen der Bank rutschten nach der Veröffentlichung ab. Zugleich zogen die Preise für Papiere an, mit denen sich Anleger vor Zahlungsausfällen schützen können.
Bank um Beruhigung bemüht
Deutsche-Bank-Chef John Cryan machte Spekulanten für den Absturz verantwortlich. Am Markt seien gerade «einige Kräfte» unterwegs, die das Vertrauen in das Institut schwächen wollten, schrieb der Manager am Freitag in einem Brief an die Mitarbeiter, der der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX vorliegt. «Unsere Aufgabe ist es nun dafür zu sorgen, dass diese verzerrte Aussenwahrnehmung unser Tagesgeschäft nicht stärker beeinflusst.» Vertrauen stehe im Bankgeschäft am Anfang von allem.
Betroffen von den Geldabflüssen ist laut Bloomberg das Derivate-Clearing, in dem komplizierte Finanzprodukte abgerechnet werden. Die Verlässlichkeit des Geschäftspartners gilt hier als besonders wichtig. Etwa zehn Hedgefonds hätten ihre Positionen bei der Deutschen Bank vorsichtshalber verkleinert, schrieb die Nachrichtenagentur. Das ist aber ein eher kleiner Teil der mehr als 200 Kunden, mit denen Europas grösste Investmentbank alleine in diesem Bereich arbeitet. Cryan verwies darauf, dass der Konzern insgesamt mehr als 20 Millionen Kunden habe.
«FT»: Keine anderen Bereiche betroffen
Über den Handelsbereich hinaus soll es bislang keine negativen Folgen für die Geschäfte der Bank geben, zitierte die «Financial Times» einen Insider. Das gelte etwa für das wichtige Transaktionsgeschäft der Bank, bei dem sie für Grosskunden weltweit deren Geldverkehr managt. Auch die Unternehmensfinanzierungsbereiche der Banken seien nicht betroffen.
«Wir sind und bleiben eine starke Deutsche Bank», schrieb Cryan. So erfülle das Haus alle aktuellen Eigenkapitalanforderungen und sei beim Umbau im Plan. Die Markt- und Kreditrisiken habe das Institut in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. «Zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen zwei Jahrzehnten war die Deutsche Bank, was ihre Bilanz angeht, so sicher wie heute.» Zudem verfüge die Bank über Liquiditätsreserven von mehr als 215 Milliarden Euro. Das sei ein «überaus komfortabler Puffer».
Analysten springen Bank bei
Unterstützung erhielt die Deutsche Bank von einigen wichtigen Analysten. «Wir glauben, dass die Liquiditätssituation der Bank stabil ist», schrieb Goldman-Sachs-Experte Jernej Omahen in einer ersten Einschätzung. Er betonte zugleich, dass die Bank nun dringend gute Nachrichten brauche. Auch Analyst Jon Peace von der Schweizer Grossbank Credit Suisse hält die jüngste Entwicklung an den Börsen für übertrieben.
Auslöser für die grosse Nervosität der vergangenen Tage ist die Drohung der US-Justiz, für Vergehen mit Hypothekenpapieren der Bank eine Strafe von 14 Milliarden US-Dollar aufzubrummen. Die Deutsche Bank betont zwar, dass die Zahlung am Ende deutlich niedriger ausfallen werde. Auch Analysten rechnen mit einer geringeren Summe. Dennoch herrschen an den Finanzmärkten derzeit Sorgen vor, dass das Institut das Geld nicht aus eigener Kraft aufbringen kann. In dieser Woche wurde deshalb bereits darüber spekuliert, dass die Bundesregierung an Notfallplänen für die Bank arbeite, was offiziell aber dementiert wurde.
Weltbörsen in Mitleidenschaft gezogen
Welche Unruhe mittlerweile am Finanzmarkt herrscht, zeigten die Reaktion rund um den Globus: Von New York bis Tokio fielen die Kurse, wobei Finanzkonzerne besonders litten. Die Deutsche Bank ist eng verflochten in der Branche. So verloren die Aktien grosser US-Banken wie Goldman Sachs , JPMorgan oder Citigroup bis zu 3 Prozent an Wert. Die Papiere der Commerzbank , die gerade selbst im Umbau steckt, fielen um 6 Prozent.
Angesichts immer neuer Spekulationen um Kapitallücken und mögliche Staatshilfen haben die Aktien der Deutschen Bank in den vergangenen zwei Wochen ein Viertel an Wert verloren, seit Jahresbeginn schon mehr als die Hälfte. Die Bank ist derzeit an der Börse nur noch gut 14 Milliarden Euro schwer. (awp/mc/upd/ps)