Karin Perraudin, VR-Präsidentin Groupe Mutuel. (Foto: Groupe Mutuel)
Bern – Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) geht weiter gegen die Groupe Mutuel vor. Der Krankenversicherer darf unter anderem bis Ende 2016 keine neuen Kundenportfeuilles übernehmen. Wegen Hinweisen auf mögliche Straftaten wird Strafanzeige erstattet.
Aus der Sicht der Finma hat die Groupe Mutuel über einen längeren Zeitraum in schwerer Weise gegen die Anforderungen an die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit und damit gegen das Aufsichtsrecht verstossen, wie die Finma am Donnerstag mitteilte.
Übernahmeverbot
Das Verbot zur Akquisition von neuen Kundenportefeuilles bis Ende 2016 bedeutet, dass zwar Einzelkunden weiterhin zur Groupe Mutuel wechseln können, das Unternehmen aber nicht andere Gesellschaften übernehmen oder mit ihnen fusionieren darf.
Zudem müssen die im Krankenzusatzversicherungsgeschäft tätigen Gesellschaften der Gruppe der Finma bis im Februar 2016 sämtliche Tarife zur Prüfung vorlegen. Weiter drängt die Aufsichtsbehörde die Groupe Mutuel dazu, «unangemessene Abgangsentschädigungen an ehemalige Gewährsträger zu verhindern».
Finma bewirkte bereits 2014 personelle Wechsel
Diese Massnahmen werden erlassen, nachdem die Finma bereits 2014 die Korrektur widerrechtlich erhobener Prämien angeordnet sowie personelle Wechsel im Verwaltungsrat bewirkt hatte. Das Verfahren zur Rechtsdurchsetzung (Enforcement) sei nun abgeschlossen. Es habe ergeben, dass die im Krankenzusatzversicherungsgeschäft tätigen Gesellschaften der Gruppe über eine ungenügende Corporate Governance verfügten und sich nicht an die aufsichtsrechtlich verbindlichen Geschäftspläne hielten.
Konkret seien neben der Erhebung nicht genehmigter Prämien die einzelnen Gruppengesellschaften personell und organisatorisch so miteinander verbunden und geführt worden, dass «eine wirksame Kontrolle der Geschäftstätigkeit beeinträchtigt und ein sachgerechter Umgang mit Interessenkonflikten erschwert war».
Finma erstattet Strafanzeigen
Die Finma anerkennt hingegen, dass die neue Führung der Gruppe mit Sitz in Martinach VS verschiedene Korrekturmassnahmen eingeleitet und sich während des Verfahrens kooperativ verhalten habe.
Da sich im Verfahren auch Hinweise auf mögliche Straftaten ergeben haben, wird die Finma bei den zuständigen Behörden Strafanzeige erstatten. Dies betreffe keine Organe, die aktuell für die von der Finma beaufsichtigten Gesellschaften verantwortlich seien, hält die Finma dazu fest.
Auf Anfrage sagte ein Finma-Sprecher, dass einerseits beim Eidgenössischen Finanzdepartement Strafanzeige wegen der unbewilligten Prämien eingereicht und andererseits auch Strafanzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erstattet werde. Angaben dazu, welche Straftatbestände in Frage kommen und wer konkret betroffen ist, wollte der Finma-Sprecher nicht machen.
Groupe Mutuel prüft allfällige Einsprache
Die Groupe Mutuel hat gemäss ihrer Mitteilung die Schlussfolgerungen und Massnahmen der Finma sowie den Abschluss der Untersuchung zur Kenntnis genommen. Die gewährte Frist soll genutzt werden, um eine allfällige Einsprache zu prüfen. Der Vorstand, der seit dem 1. Oktober 2014 im Amt sei, führe die Umsetzung der Massnahmen fort, die notwendig seien, um die verlangte Anpassung des Unternehmens an die Vorschriften vorzunehmen. Zudem gehe der schrittweise Rücktritt der früheren Verwalter weiter.
Die nicht genehmigten Prämien in der Zusatzversicherung betrafen laut dem Krankenversicherer Prämien von Versicherungsverträgen, die Arbeitnehmer über den Rahmenvertrag ihrer Arbeitgeber mit der Groupe Mutuel abgeschlossen hatten. Insgesamt seien 24’000 Versicherte betroffen gewesen. 9000 hätten zu hohe und 15’000 zu tiefe Prämien gezahlt. Die Betroffenen, die seit 2003 zu viel gezahlt hätten, seien identifiziert und benachrichtigt worden. Ein Gesamtbetrag von über 8,6 Mio CHF sei rückerstattet worden.
Der Krankenversicherer weist zudem darauf hin, dass die Wirkung der Qualitätsbemühungen sich auch in den Zahlen von 2014 bei der Ombudsstelle der Krankenversicherer bestätigt haben. Von den über 5’000 Fällen hätten nur gerade 6% die Groupe Mutuel betroffen, während ungefähr 15% der Bevölkerung in einer der Mitgliedsgesellschaften der Gruppe versichert seien. (awp/mc/pg)