„Rekordhohe Preisrückgänge bei Unternehmensanleihen, hauptsächlich als Folge der Zinsentwicklung, prägten das erste Halbjahr 2022. Damit haben sich beispielsweise die Renditen von Unternehmensanleihen in Euro mit Investment Grade (IG) Rating in den vergangenen zwölf Monaten von 0.3% auf 3.2% verzehnfacht. Im gleichen Zeitraum sind die Renditen im Euro-denominierten High-Yield-Segment von 2.4% auf 7.2% gestiegen. Derartige Werte bieten normalerweise nur hochverzinsliche Corporates aus Schwellenländern, die aktuell mit einer EUR-hedged Rendite von 7.6% notieren. Während die Drawdowns in sämtlichen Corporate-Segmenten extreme Ausmasse annahmen, stellen diejenigen im IG-Bereich selbst die Verluste während der Finanzkrise wie auch während der Covid-19-Pandemie in den Schatten.
von Maria Stäheli, Senior Portfolio Managerin bei Fisch Asset Management in Zürich
Solch starke Korrekturen schmerzen massiv, aber sie bieten in bestimmten Fällen, vor allem solange die zugrundeliegende Qualität stimmt, echtes Erholungspotenzial. Denn auch im USD IG Corporate Markt, der für währungsgesicherte Investoren aus dem Euroraum derzeit weniger attraktiv sein dürfte als der Heimmarkt, zeichnet sich im Vergleich zum Aktienmarkt ein positives Relative-Value-Bild. Der globale Aktienmarkt hat seit Januar 2022 zwar angesichts der erlittenen Kurskorrekturen auch eine deutliche Neubewertung erfahren, allerdings befindet sich die dort erhältliche Zusatzrendite gegenüber hochqualitativen Unternehmensanleihen auf einem Tiefststand. Dies ist der Fall, obwohl die Prognoseunsicherheit über die Entwicklung der Gewinne und damit die Basis für viele Aktienbewertungen zum aktuellen Zeitpunkt sehr hoch ist. Von weiteren Kürzungen bei den Erwartungen ist angesichts sinkender Stimmungsindikatoren derzeit auszugehen, was die relative Attraktivität von Aktien weiter beeinträchtigen würde.
Zwei besonders entscheidende Faktoren, welche eine starke Markterholung auslösen könnten, wären Lockerungen der Zero-Covid-Politik in China oder ein Waffenstillstand in der Ukraine. Auch wenn wir uns dahingehend derzeit noch gedulden müssen und entsprechend noch keine überzeugte Erholungsrallye in Corporate Bonds ausrufen können, werden wir aufgrund verschiedener fundamentaler und technischer Faktoren optimistischer. So sind die Realrenditen bereits so stark und schnell angestiegen, dass die Finanzierungskonditionen restriktiver geworden sind. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass sich bei den Firmen eine Tendenz hin zu einer konservativeren Finanzpolitik abzeichnet und dass die marktbasierten Inflationserwartungen seit Mai mit einem deutlichen Rückgang reagiert haben.
Wir erwarten daher im zweiten Halbjahr für die Anleihemärkte eine gewisse Verbesserung im Unterton. In unserem Basisszenario gehen wir von einem Soft-Landing aus. Regional, insbesondere in Europa, ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass es zu einer Rezession kommt, vor allem wenn sich ein Gas-Embargo manifestieren sollte. Angesichts der historisch extrem negativen Marktstimmung und der attraktiven Bewertungen ist für uns die Zeit der maximalen Risiko-Untergewichtung jedoch vorbei und wir wagen erste vorsichtige Schritte Richtung Neutralpositionierung. Hierbei bevorzugen wir EUR-Anleihen von US-basierten Schuldnern, die eine kurze bis mittlere Laufzeit aufweisen. Wir erachten derzeit Energiewerte aus Industrieländern sowie Bankentitel als attraktiv, während wir bei Kapitalgütern und Immobilien vorsichtig bleiben.“ (FAM/mc)