FlowBank: «Sell in May and go away» könnte 2024 ein guter Ratschlag sein
Das alte Wall-Street-Sprichwort besagt, dass die Periode von Mai bis Oktober von einer mageren Kursentwicklung den Aktienmärkten geprägt ist. FlowBanks Research-Team analysiert, ob sich dieses Muster auch im laufenden Jahr zeigen wird.
«Sell in May and go away» beruht auf der Annahme, dass sich die historischen Marktrenditen auf ein Sechsmonatsfenster konzentrieren, das im November beginnt und im April endet. Gemäss dem alten Wall-Street-Sprichwort sind die anderen sechs Monate des Jahres (Mai bis Oktober) eine «verlorene Periode», in der die Gewinne klein sind und Gelder besser als trockenes Pulver für später aufbewahrt werden. Tatsächlich zeigt sich seit 1928, dass zwischen Mai und November in der Regel weniger Aufwärtsmonate zu verzeichnen sind, dafür aber grössere Drawdowns.
Jetzt, da die Volatilität wieder erhöht ist, scheint «Sell in May» besonders relevant zu sein. Obwohl der S&P 500 seit Januar 2024 um solide 10% gestiegen ist, war die Performance seit Mitte April trotz zwischenzeitlicher Auf- und Abschwünge ziemlich mau.
Einmal abgesehen von Aktienspekulationen verdienen Anlegerinnen und Anleger mit Bargeld aktuell eine ausreichende Rendite, um einer möglichen Abwärtsperiode an der Seitenlinie zu trotzen. Bei einer Rendite von knapp 5% für sechsmonatige Treasuries wirft Bargeld pro 10’000 US-Dollar bis zu 275 US-Dollar ab – nicht schlecht, wenn die Alternative darin besteht, auf sich entgegen dem langjährigen Trend entwickelnde Monate zu hoffen.
Zinsprognosen stützen Sprichwort
In der zweiten Hälfte des Jahres 2023 und bis Anfang 2024 inspirierte naiver Optimismus eine Reihe von Analysten und Experten zu Prognosen über unmittelbar bevorstehende und unvermeidliche Zinssenkungen, wobei viele die erste Welle bereits im April 2024 erwarteten. Das hat sich nicht bewahrheitet. Zunehmend scheint es, als sei Jerome Powells «Higher for longer»-Haltung keine vage Prognose, sondern ein Versprechen.
Der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) beschloss im April, den Zielzinssatz konstant zwischen 5,25% und 5,5% zu halten. Im Anschluss an diese Ankündigung stiegen die Märkte an, bevor sie wieder in ihre bestehende Handelsspanne zurückfielen. Den Anlegerinnen und Anlegern könnte das einen Vorgeschmack darauf gegeben haben, was sie von den nächsten FOMC-Ankündigungen in diesem Sommer erwarten können.
Tatsächlich deuten die von der CME Group zusammengefassten Expertenprognosen darauf hin, dass der Status quo während des historisch schlechten Halbjahres erhalten bleibt. Die Mehrheit (68,6%) erwartet, dass die Zinsen nach der FOMC-Sitzung im Juli unverändert bleiben. Erst im November erwarten 43,5% eine geringfügige Abwärtskorrektur des Fed-Zielsatzes. Zinssenkungen könnten in diesem Jahr der wichtigste Einzelfaktor sein, der die Aktienmarktgewinne (und -verluste) antreibt. Bleiben die Zinsen auf den aktuellen Niveaus, könnte sich «Sell in May» als praktikabler Rat erweisen.
Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen
Kommt hinzu, dass das laufende Jahr von enorm wichtigen Wahlen wie denjenigen in den USA geprägt ist. Zieht man die Geschichte als Indikator heran, ist das vierte Amtsjahr von US-Präsidenten tendenziell positiv – unabhängig davon, wer das Amt bekleidet und wer sich darum bewirbt. Die durchschnittliche Rendite des S&P 500 während dieser Zeit betrug in der Vergangenheit 6,2%.
Im aktuell laufenden vierten Amtsjahr von Joe Biden hat der S&P 500 bereits stärker zugelegt als im langjährigen historischen Durchschnitt – und daher könnte er vor und während den kommenden Wahlen leicht fallen oder sich seitwärts bewegen. Wer «Sell in May» vor diesem Hintergrund umsetzen und trotzdem von den Marktbewegungen während des vierten Amtsjahrs des US-Präsidenten profitieren möchte, könnte auf ausgewählte Qualitäts-ETFs oder -Aktien setzen, die von Wahlzyklen besonders betroffen sind. Je nachdem, auf welchen Präsidentschaftskandidaten sie setzen, zählen dazu Sektoren wie Cannabis, Infrastruktur, grüne Technologien, Schusswaffen und Unternehmen mit Lieferketten in Übersee.
Wer langfristig investiert ist, sollte sich nicht zu sehr von historischen Trends beeinflussen lassen. Denn dann fallen einige schwächere Monate einerseits kaum ins Gewicht, andererseits bieten sie die Möglichkeit, vom Durchschnittskosteneffekt zu profitieren. Für alle anderen Anlegenden sieht es aktuell nicht danach aus, dass der Abwärtsdruck auf die Börsenkurse vor Ende des Sommers abnehmen sollte. Grund dafür sind neben den historischen Trends unter anderem auch die anhaltende Inflation und Zinserwartungen. (FlowBank/mc/ps)