Yen-Rekord stellt Japan vor weitere Probleme

Yen-Rekord stellt Japan vor weitere Probleme

Masaaki Shirakawa, Gouverneur Bank of Japan.

Tokio – Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Natur- und Atomkatastrophe kommt für Japan ein weiterer Mühlstein hinzu: Das Yen-Rekordhoch verschärft vor allem die Lage der Exportunternehmen und damit eine wichtige Stütze der heimischen Wirtschaft. Nachdem der Yen zu Beginn kaum auf die Natur- und Atomkatastrophe reagiert hatte, stieg er am Donnerstag in einem teils chaotischen Handel auf einen Rekordstand zum Dollar und verteuerte sich auch im Vergleich zum Euro deutlich. Die Rufe nach staatlichen Schritten gegen die Kursexzesse werden lauter. Für eine wirksame Intervention könnte es allerdings schon zu spät sein – ausser die Amerikaner und Europäer machen mit.

Die Finanzminister der sieben führenden Industrieländer wollen am Freitag die aktuelle Lage besprechen. Die japanische Regierung wird dabei alles versuchen, um die Aufwertung der japanischen Währung zumindest zu stoppen. Die Volkswirte der Commerzbank raten der japanischen Regierung und Notenbank, direkt am Devisenmarkt einzugreifen – und sie hätten es ihrer Einschätzung nach bereits tun sollen. «Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, Flagge zu zeigen, als den Markt sich austoben zu lassen», hiess es in einer Studie der Bank. Durch ihr Zögern habe die Notenbank den Spekulanten Tür und Tor geöffnet.

Wie werden Fed und EZB reagieren?
Jetzt müsse sie entweder besonders viel investieren oder die amerikanische Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) davon überzeugen, mitzumachen. Bisher war hier die Bereitschaft der anderen grossen Industrienationen gering, da dadurch die jeweiligen eigenen Volkswirtschaften geschwächt werden. «Bisher waren die beiden Schwesterinstitutionen der BoJ für solche Taten nicht zu begeistern, schliesslich wollte niemand, dass sich Japan mit einem künstlich schwachen Yen Wettbewerbsvorteile verschafft. In der gegenwärtigen Lage dürfte Japans Vertreter bei der Telefonkonferenz der G7-Finanzminister und Notenbankchefs auf deutlich mehr Verständnis stossen.»

Investoren und Versicherer brauchen Geld
In der Nacht auf Donnerstag kostete der Dollar in einem chaotischen, von starken Sprüngen gekennzeichneten Handel zeitweise nur noch 76,25 Yen – so wenig wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte. Mitte 2007 mussten für einen Dollar noch mehr als 120 Yen gezahlt werden. Händler führten die starken Yen-Gewinne vor allem darauf zurück, dass japanische Investoren und Versicherer dringend Geld brauchen, um die Schäden aus der Natur- und Nuklearkatastrophe in der Heimat zu bezahlen. Deshalb steigt die Nachfrage nach dem Yen.

Ungünstigster Augenblick
Der Yen war bereits in den vergangenen Monaten sehr stark und damit ein grosses Problem für die japanische Wirtschaft – jetzt wird er endgültig zur schweren Bürde. «Der Schub beim Yen kommt für Japan zum absolut ungünstigsten Augenblick. Es ist eine zusätzliche Hürde für die japanischen Exportunternehmen. Dies kommt in einer Phase, in der die Wirtschaft ohnehin mit massiven Problemen zu kämpfen hat», sagte DZ-Bank-Experte Wolf Rütger Teuscher. Das Land befindet sich wegen des verheerenden Erdbebens und dem anschliessenden Tsunami sowie der Atomkatastrophe ohnehin bereits im absoluten Ausnahmezustand.»

BIP-Rückgang von 1,5 bis 2,0% vorausgesagt
Der Volkswirt rechnet damit, dass die japanische Wirtschaft wegen der nicht enden wollenden Hiobsbotschaften stark zurückfallen wird. «Auch wenn wegen der aktuell unklaren Lage genaue Schätzungen schwer sind, gehen wir davon aus, dass die japanische Wirtschaft im ersten Halbjahr schrumpfen wird. Derzeit gehen wir von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,5 bis 2,0 Prozent aus.» Vor der Atom- und Naturkatastrophe hatte die DZ Bank im ersten Halbjahr noch mit einem Wachstum gerechnet. Teuscher betonte, dass es sich nicht um eine normale zyklische Bewegung handelt.

Erholung erst einmal unterbrochen
Aber es stehe jetzt schon fest, dass die zuletzt eingeschlagene Erholung der japanischen Wirtschaft erst einmal unterbrochen ist. «Japan war gerade dabei, sich von der jüngsten Schwäche zu befreien.» Jetzt stehe das Land im Zeichen der riesigen Katastrophe in einer Schockstarre. «Das kam vollkommen unvorbereitet und die Katastrophe wird die ganze Wirtschaft zurückwerfen.» Der Volkswirt rechnet frühestens in der zweiten Jahreshälfte wieder mit einer Belebung der Wirtschaft. Wie stark diese ausfällt, hänge allerdings noch von vielen Faktoren ab. Sollte sich die atomare Katastrophe noch weiter zuspitzen, werde dies die Wirtschaft noch stärker ins Wanken bringen.

Yen so schnell als möglich abwerten
Schon alleine deshalb wird die Regierung alles tun, um den Yen so schnell wie möglich wieder abzuwerten. «Die starke Währung belastet die stark von Exporten abhängige Wirtschaft des Landes, da japanische Unternehmen das für sie schlechte Kursverhältnis grösstenteils nicht weitergeben können.» Japan exportiert vor allem in den Nachbarstaat China, dessen Währung an den Dollar gebunden ist, und die Vereinigten Staaten. Beide Länder vereinen etwas mehr als ein Drittel der japanischen Ausfuhren auf sich. Durch die seit Jahren anhaltende Yen-Stärke erhalten Exportunternehmen wie zum Beispiel der Autohersteller Toyota deutlich weniger Yen für ihre im Ausland verkauften Autos. (awp/mc/ss)

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