Frankenstärke: SNB greift bei Bedarf ein

Philipp Hildebrand

SNB-Präsident Philipp Hildebrand.

Zürich – Die Schweizer Wirtschaft drängt auf eine weitere Abschwächung des Frankens. Um allenfalls eine Rezession oder eine Deflation zu bekämpfen, zeigt sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu weiteren Interventionen am Devisenmarkt bereit. Zwei Monate nach Festlegung des Euro-Mindestkurses von 1,20 CHF sei der Wechselkurs weiterhin hoch. «Wir erwarten, dass er sich über die Zeit weiter abschwächen wird», sagte SNB-Präsident Philipp Hildebrand in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».

Sollte sich der Franken nicht abschwächen, könne dies zu deflationären Tendenzen führen und stark auf der Wirtschaft lasten. «Falls es die Wirtschaftsaussichten und die deflationäre Entwicklung erfordern, stehen wir bereit, weitere Massnahmen zu treffen.» Am Donnerstag hatte sich SNB-Direktoriumsmitglied Jean-Pierre Danthine ähnlich geäussert. Auf die Frage nach einer Anhebung des Euro-Mindestkurses auf 1,30 CHF sagte Hildebrand: «Wir beobachten die Daten und werden bei Bedarf weitere Massnahmen ergreifen.» Intensiv verfolge die SNB die Ankündigungen von Entlassungen bei Schweizer Unternehmen.

Am  Rande einer Rezession
Erstmals rückte Hildebrand die Schweizer Wirtschaft auch an den Rand einer Rezession: Die Konjunktur habe sich seit Mitte Jahr deutlich verschlechtert. Seit Juli schrumpften etwa die Warenexporte. «Ich gehe davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte im besten Fall stagniert, möglicherweise sogar etwas schrumpft.» 2012 werde die Schweizer Wirtschaft «im besten Szenario sehr magere Wachstumsraten haben». Bei ihrer letzten geldpolitischen Lagebeurteilung im September hatte die SNB noch keine BIP-Prognose für das nächste Jahr abgegeben und für 2011 ein Wachstum von 1,5 bis 2% veranschlagt. Hildebrand sagte, er rechne für dieses Jahr mit «gut 1,5%».

Dank der Einführung des Euro-Mindestkurses habe eine viel schlimmere Entwicklung verhindert werden können. Die SNB stelle fest, dass ihre «kristallklare Politik» hohe Glaubwürdigkeit geniesse. Und die breite Unterstützung in der Schweiz interpretiere er als Spiegel der absurden Überbewertung des Frankens im Sommer.

Viele Unternehmen in Existenz bedroht
Dennoch häufen sich Meldungen über Massenentlassungen. Für den Chefökonom des Bundes, Aymo Brunetti, ist der momentane Euro-Wechselkurs «für viele Unternehmen lebensbedrohend hoch». Es wäre wünschenswert, wenn sich der Kurs weiter abschwächen würde, sagte Brunetti der «Zentralschweiz am Sonntag». Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse legt der SNB eine Erhöhung des Euro-Mindestkurses nahe. «Ich hoffe, dass die Notenbank das Kursziel erhöht, wenn sich die Gelegenheit ergibt», sagte Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer der «SonntagsZeitung».

Gleichgewichtskurs zwischen 1,30 und 1,40 CHF
Derzeit sei der Franken weiter signifikant überbewertet, denn der Gleichgewichtskurs zum Euro liege zwischen 1,30 und 1,40 CHF. Die Bremsspuren in der Schweizer Wirtschaft infolge der globalen Wachstumsabschwächung und des überhöhten Frankens würden immer deutlicher, hielt Bührer fest. Deutlicher wird Hans Hess, Präsident des Industrieverbands Swissmem. «Wir fordern, dass weitere Schritte folgen, um den Franken zu schwächen», so Hess in der «SonntagsZeitung». Mit einem Kurs von 1,20 sei ein Grossteil der Firmen nicht wettbewerbsfähig. In einem Interview mit der gleichen Zeitung verlangt Emanuel Probst, Chef des Solothurner Kaffeemaschinenherstellers Jura, dass die Nationalbank einen Kurs von 1,35 CHF verteidigt.

Wirtschaft hofft auf Weihnachtsgeschenk
Das Thema Wechselkurs dürfe aber auch nicht überbewertet werden. «Ein Kurs von 1,30 CHF wäre sicherlich ein Weihnachtsgeschenk für die ganze Wirtschaft. Die Verschuldungskrise in Europa und den USA ist aber die grössere Gefahr für die Schweizer Wirtschaft», so Bührer weiter. Für die Konjunktur im nächsten Jahr zeigte sich Bührer weniger pessimistisch als Hildebrand: Eine Rezession drohe nicht, «vorausgesetzt, dass die Schuldenkrise nicht explodiert». Das Wachstum werde sich aber deutlich abschwächen, vor allem in der Exportindustrie und im Tourismus, sagte Bührer. «Ich rechne in der Schweiz mit einem Wachstum von 1%. Das ist nur noch halb so viel wie im laufenden Jahr.» Die Arbeitslosenquote werde nun von 2,8 auf über 3% steigen, aber die Schwelle von 4% nicht erreichen, sagte Bührer. (awp/mc/ps)

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