Freedom Finance Europe: M&A Arbitrage als Krisentrend – Können auch Kleinanleger profitieren?

Freedom Finance Europe: M&A Arbitrage als Krisentrend – Können auch Kleinanleger profitieren?
Shanna Strauss-Frank, Schweiz-Sprecherin der Investmentgesellschaft Freedom Finance Europe. (Bild: Freedom Finance Europe)

Bern – Die Zinsen der EZB steigen und Europa blickt einer drohenden Rezession ins Auge. Während Konjunktursorgen die Leitindizes europäischer Länder herunterschrauben, gewinnen alternative Anlagestrategien an Attraktivität. Der Merger & Acquisitions (M&A) Ansatz ist dabei eine beliebte Methode, in turbulenten Zeiten von Zinssätzen und dem Marktgeschehen weitgehend unabhängig zu bleiben. Investoren wollen dabei von Arbitrage – der Differenz vom Angebotspreis zum Aktienkurs bei einer Unternehmensübernahme – profitieren. Ob sich M&A-Investments auch für Kleinanleger eignen und welche Deals bevorstehen, erklärt Shanna Strauss-Frank, Schweiz-Sprecherin der Investmentgesellschaft Freedom Finance Europe.

Während in Wirtschaftskrisen kleinere Unternehmen teils auf schnelle Liquidität angewiesen sind, wiegen sich Konzerne eher in Sicherheit, schwere Zeiten zu überstehen. Dass sich dadurch sowohl vermehrt Möglichkeiten als auch Notwendigkeiten für Fusionen und Übernahmen ergeben, zeigte kürzlich die Pandemie: In den ersten Monaten brach die weltweite M&A-Aktivität ein, priorisierten Unternehmen eine akute Krisenbekämpfung. Die Anzahl der Zu- und Verkäufe stieg jedoch schnell wieder an, als Betriebe sich mit Liquiditätsengpässen konfrontiert sahen und insbesondere nicht zum Kerngeschäft gehörende Unternehmensbereiche abtraten. Mit über 60.000 angekündigten Übernahmen für 2021 in Höhe von fünf Billionen US-Dollar erreichte der Merger Markt nur ein Jahr später einen Rekordwert. Heuer pendelten sich die weltweiten Zukäufe auf ein vorpandemisches Niveau ein, wenn auch die Schweiz mit 133 abgeschlossenen Transaktionen im ersten Halbjahr 2022 gegenüber 117 Aktivitäten im Vorjahresvergleich überraschend mehr Aktivitäten verzeichnen kann.[1] Auch Investmentgrösse Warren Buffett, der sich in seiner Karriere eher selten an Arbitragegeschäften beteiligte, sicherte sich im Mai fast zehn Prozent der Activision Blizzard Aktien. Der Computer- und Videospielkonzern soll von Microsoft übernommen werden, die Genehmigung diverser Wettbewerbsbehörden steht noch aus.

Schwieriges Umfeld bringt Potential in den Markt
Die Verkündung einer angedachten Übernahme weckt öffentliches Aufsehen, wenn auch bis zum finalen Deal meist Monate vergehen – sofern dieser überhaupt zustande kommt, wie Shanna Strauss-Frank, Schweiz-Sprecherin von Freedom Finance Europe, erläutert: „Bei M&A Arbitrage wird darauf spekuliert, ob ein formeller Abschluss gelingt. Denn wenn Zweifel bestehen, etwa aufgrund von Kartellgesetzen oder des Widerstands von Grossaktionären, werden die Aktien des zu übernehmenden Unternehmens mit einem erheblichen Abschlag zum vereinbarten Preis gehandelt. Die nun steigenden Zinssätze, die Inflation und zuletzt auch die Energiekrise lassen Führungskräfte jedoch vorsichtiger werden und Aufsichtsbehörden kontrollieren strenger. Wir befinden uns gerade im vielleicht unsichersten Umfeld der letzten Jahre und M&A Arbitrage ist ohnehin schwierig in der Umsetzung.“ Doch betont Strauss-Frank, Fusionsarbitrage seien eine der wenigen Anlagestrategien, die positiv mit steigenden Zinssätzen korrelieren: «Wenn die Zinsen zunehmen, erhöhen sich auch die Transaktionsspannen und die Renditen.“

Zu fordernd für Privatinvestoren
Da hohe Volumen erforderlich sind um signifikante Rendite zu erzielen, wird M&A Arbitrage hauptsächlich von grossen institutionellen Anlegern und Hedgefonds genutzt. Neben Kapital ist auch Schnelligkeit, Wissen und Risikoeinschätzung gefragt, wie Strauss-Frank weiss: „Die Ereignisse finden ohne Vorankündigung statt und Investoren müssen hier enorm schnell reagieren. Wenn sich solch eine Bekanntgabe dann als Fakenews erweist, können Investoren grosse Verluste einfahren. Auch kann im Zeitraum der Ankündigung bis hin zum Abschluss des Deals der Aktienkurs einbrechen, wodurch Anleger mit ihren Long-Positionen Geld verlieren.“ Für Privatinvestoren eigne sich die Arbitragestrategie deshalb nicht sonderlich, doch Strauss-Frank nennt eine Möglichkeit für Kleinanleger, sich dennoch am M&A Markt beteiligen zu können: „Es gibt ETFs, die sich auf Fusionen und Übernahmen spezialisiert haben.“ So gehen der IQ Merger Arbitrage ETF sowie der First Trust Merger Arbitrage ETF Long-Positionen in Aktien ein, von denen eine Übernahme oder ein Aufkauf anzunehmen ist. Strauss-Frank betont jedoch: „Für einen langfristigen Anlagehorizont gibt es weitaus attraktivere ETF-Strategien als Arbitrage-ETFs. Denn Transaktionsgeschäfte befinden sich eher im spekulativeren Bereich und sind zudem von Marktphasen abhängig.“

Prominente Namen und profitable Aussichten
Die Twitter-Übernahme von Elon Musk ist ein Paradebeispiel dafür, wie langwierig sich Unternehmenskäufe gestalten können. Mit diversen Ankündigungen und Verlautbarungen Musks stieg und sank der Twitter-Kurs. Wer hier auf einen zustande kommenden Deal spekuliert braucht Durchhaltevermögen. Sollte die Übernahme gelingen, haben einige Anleger hohe Profite in Aussicht, wie Strauss-Frank erklärt: „Beispielsweise der Hedgefonds Pentwater Capital kaufte im zweiten Quartal 18,1 Millionen Aktien um rund 725 Millionen Dollar. Bei dem vereinbarten Preis von 52,20 Dollar, den Musk für Twitter zu zahlen bereit ist, wäre der Anteil von Pentwater etwa 980 Millionen Dollar wert.“ Ebenso renditereich könnte der Activision Blizzard Verkauf an Microsoft sein. Nach einer Anklage im November 2021 wegen sexueller Belästigung, Diskriminierung und schlechten Arbeitsbedingungen brach der Aktienkurs des Games-Herstellers ein. Mit 68,7 Milliarden US-Dollar beziehungsweise 95 Dollar pro Aktie bot Microsoft einen Aufschlag von 45 Prozent zum damaligen Kurspreis. Weil es die grösste jemals für ein Tech-Unternehmen geplante Übernahme ist, sind besonders die Kartellbehörden aufmerksam. Jene der USA, der EU und des Vereinigen Königsreichs müssen das Vorhaben erst noch genehmigen. Doch Strauss-Frank sieht gute Chancen für einen Zukauf: „Microsoft-Präsident Brad Smith verlautbarte kürzlich, dass der Konzern nicht die Absicht verfolgt, Spiele von konkurrierenden Plattformen zu entfernen. Zwar ist eine mündliche Aussage für die Kartellbehörden irrelevant, sie bringt aber den Standpunkt des Unternehmens klar zum Ausdruck: Microsoft ist darum bemüht, mit den Regulierungsbehörden einig zu werden.“

Welche Übernahmen noch bevorstehen
Neben Activision Blizzard und Twitter nennt Strauss-Frank abschliessend noch weitere angedachte Zukäufe, die sich für M&A-Investoren als spannend erweisen können: „Der Mikroprozessoren-Hersteller Incel unterbreitete im Februar ein Angebot zum Kauf von Tower Semiconductor – ein israelisches Unternehmen, das sich auf Trailing-Edge-Knoten für analoge Geräte spezialisiert hat. Und die Investmentgesellschaft Prism Data will die digitale Werbeplattform Digital Media kaufen. Wenn diese beiden Deals durchgehen liegt das Wachstumspotential bei 19 beziehungsweise 33 Prozent.“ (Freedom Finance/mc/ps)

[1] https://www2.deloitte.com/ch/de/pages/mergers-and-acquisitions/articles/ma-swiss-smes.html

Schreibe einen Kommentar