Bern – Jedes Jahr wächst der Markt für künstliche Intelligenz um bis zu 25 Prozent – auf schätzungsweise circa 130 Milliarden Dollar bis 2025. Trotz europaweiter Teuerung, dem Fachkräftemangel und damit verbundenen Budgetkürzungen investieren internationale Tech-Riesen wie Apple oder Microsoft derzeit erhebliche Summen in die Industrie 4.0.
Haben die Vereinigten Arabischen Emirate seit einigen Jahren sogar einen Staatsminister für künstliche Intelligenz, bemängeln Experten eine fehlende Strategie im europäischen Raum. Denn wollen zwar laut einer Befragung 54 Prozent der Entscheider in Schweizer Unternehmen in den nächsten drei Jahren ihre Budgets für Data Science, Maschine Learning und KI aufstocken , dominieren dennoch die USA sowie China den Markt für künstliche Intelligenz, wodurch sich Unternehmen und Staat in eine Abhängigkeit begeben könnten.
Exponentielles Wachstum in Milliardenhöhe
„Im letzten Jahr erfuhr der KI-Markt ein erhebliches Wachstum im Bereich des Deep-Learnings, wie die Audio-, Video- oder Texterkennung. Aber auch im Segment des maschinellen Lernens wird enorm viel weiterentwickelt und investiert, wenn es um Clustering, Visualisierung und Filterung geht. Der grösste Anteil des Marktes entfällt auf KI-gestützte Software“, erklärt Strauss-Frank von Freedom Finance Europe. Beliefen sich die Investitionen in die Forschung und Entwicklung künstlicher Intelligenz 2019 noch auf knapp 37,5 Milliarden Dollar, lag das Investitionsvolumen 2022 schon bei 118 Milliarden Dollar und bis 2026 sollen es 300 Milliarden Dollar werden – das wäre fast eine Verdreifachung in nur wenigen Jahren. „Der globale Markt für KI wurde im letzten Jahr auf 119 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2030 soll er bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 38,1 Prozent auf rund 1,5 Billionen Dollar anstiegen“, unterstreicht Strauss-Frank das Potenzial. Vor allem Nordamerika dominiere derzeit den KI-Markt, sind hier Cloud Computing und IoT (Internet of Things) hoch im Kurs. „Aufgrund der steigenden Nachfrage in Schwellenländern wie China und Indien wird jedoch erwartet, dass der asiatisch-pazifische Raum die höchste Wachstumsrate aufweisen wird“, so Strauss-Frank.
In welchen Branchen KI grossgeschrieben wird
Relativ früh wurde die künstliche Intelligenz in der Automobilindustrie im Zuge des autonomen Fahrens zum Thema. „In vielen Branchen wird KI auch herangezogen, um Vorhersagen zu treffen. Seien es Prognosen für den Strassenverkehr, oder im Bereich der Cybersecurity Bedrohungs- sowie prädiktive Analysen. Auch in der Finanzbranche soll durch künstliche Intelligenz die Betrugserkennung erhöht werden, hier ist aber vor allem der Handel durch Algorithmen spannend. Bis 2025 soll der Markt für KI im Finanzsektor 26 Milliarden Dollar erreichen“, so Strauss-Frank. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Bedeutung künstlicher Intelligenz im E-Commerce: Hier wird ein Marktvolumen von 45 Milliarden Dollar bis Ende des Jahres erwartet und Software für Produktempfehlungen und das Lieferkettenmanagement zählen zu den häufigsten Anwendungsbereichen. Hinzukommen Chat-Bots, die das Kundenerlebnis personalisieren und Kundenanfragen beantworten sollen.
Grosses Potenzial auch im Gesundheitswesen
„Die Verarbeitung und Analyse von Big Data ist ein wichtiger Treiber für die Entwicklung des KI-Marktes“, meint Strauss-Frank und verweist insbesondere auf die Gesundheitsbranche, in welcher mit KI-Geräten die Ergebnisse für Patienten verbessert, und Kosten gesenkt werden können. Wie gross das Potenzial ist, zeigt eine McKinsey Untersuchung aus 2017: Bis zu 700.000 Anträge auf Kostenrückerstattung bekam laut damaliger Datenlage eine mittelgrosse deutsche Versicherung jedes Jahr von Krankenhäusern übermittelt. Dabei ist der Versicherer dazu verpflichtet diese Rechnungen zu prüfen – dafür bedarf es nicht nur mehrere hunderte Mitarbeiter, auch erweist sich fast jede zehnte Abrechnung als fehlerhaft. Der Einsatz von KI kann hier nicht nur Personal entlasten, sondern auch die Erfolgsquote verbessern. Denn die Prüfalgorithmen identifizieren die tatsächlich fehlerhaften Rechnungen und weisen beispielsweise nur Anträge mit hoher Erfolgsaussicht für die Kasse zur menschlichen Bearbeitung aus. „Doch auch Anwendungsbereiche wie die Roboterchirurgie oder virtuelle Pflegeassistenten sind nicht zu vergessen. Der Markt für KI im Gesundheitswesen soll bis 2025 34 Milliarden Dollar erreichen“, ergänzt Strauss-Frank. Wie medizinische Behandlungen in der Industrie 4.0 aussehen können, zeigt bereits das börsennotierte Teladoc Health, einer der führenden Anbieter von Telegesundheitsdiensten. „Patienten können sich so auch aus der Ferne von Fachpersonal beraten lassen. Teladoc nutzt dabei die KI, um virtuelle Pflegelösungen zu entwickeln und auch um Patienten ortsunabhängig diagnostizieren und behandeln zu können“, erklärt Strauss-Frank.
KI-Investoren vor einem Dilemma
Während die Anwendungsmöglichkeiten beträchtlich sind, werden auch warnende Stimmen immer lauter. Doch die Forderung nach einer Entwicklungspause klinge auf den ersten Blick drastischer, als sie tatsächlich sei: „Die Aussetzung soll sich primär auf eine Untergruppe beziehen, nämlich auf den Bereich der generativen künstlichen Intelligenz wie die Bild- und Texterstellung. Eine Software zur Datenverarbeitung von Lagerbeständen wäre aber beispielsweise von dem Stopp wohl nicht betroffen. Investoren sehen sich dennoch im Zwiespalt, einerseits wächst der Markt enorm schnell und lockt Milliarden von Dollar an Risikokapital, privaten Aktien und Unternehmensinvestitionen an. Andererseits sind die Technologien noch lange nicht perfekt und stossen oft an ihre Grenzen“, so Strauss-Frank. Investoren müssten demnach ihren Wunsch nach Profit und Innovation mit ihrer Verantwortung abwägen, welche ethischen, sozialen und rechtlichen Auswirkungen auftreten können. Abschliessend hält sie fest: „Forscher, Unternehmen und Regierungen müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Entwicklung und Anwendung von künstlicher Intelligenz von ethischen Grundsätzen geleitet wird und dass geeignete Sicherheitsmassnahmen vorhanden sind, um unbeabsichtigte Folgen oder Missbrauch zu vermeiden.“ Ist dies der Fall, könnte wohl guten Gewissens in künstliche Intelligenz investiert werden. (Freedom Finance/mc)