Freedom24: Globaler Wettlauf um KI-Dominanz – Wie Anleger den Durchblick behalten

Hans Selleslagh

Hans Selleslagh, Schweiz-Sprecher und Börsen-Experte bei Freedom24. (Foto: zvg)

Bern – Der Boom rund um Künstliche Intelligenz (KI) hält unvermindert an und befeuert ein regelrechtes «KI-Wettrüsten» unter den führenden Technologiekonzernen weltweit. Unternehmen wie Microsoft, Google und Meta setzen verstärkt auf KI-Innovationen, während die grossen Wirtschaftsmächte, allen voran China und die USA, aber auch Europa, Investitionen fördern. Angesichts dieses rasanten Wachstums stellt sich für viele Anleger die Frage: Wie langfristig ist der Hype, und welche Unternehmen und Märkte werden das Rennen in Zukunft anführen? Hans Selleslagh, Schweiz-Sprecher des Online-Brokers Freedom24, beleuchtet, ob Investoren Opfer einer KI-Blase werden könnten, welche Nischenbranchen auch Späteinsteigern noch die Chance bieten, sich am Wachstum zu beteiligen und welche Rolle Europa dabei spielt.

Die globalen Investitionen in KI-Technologien steigen weiterhin rasant. Laut dem Marktforschungsinstitut IDC erreichten die weltweiten Ausgaben 2024 ganze 136 Milliarden Dollar und sollen bis 2027 auf 300 Milliarden Dollar steigen – ein bemerkenswertes jährliches Wachstum von 40 Prozent. Besonders grosse Technologieunternehmen scheinen einen ambitionierten Wettstreit um die globale KI-Dominanz zu führen: Microsoft investierte im Vorjahr 13 Milliarden Dollar in OpenAI, Google steckte zwei Milliarden Dollar in Anthropic, und Chip-Konzern Nvidia hält 80 Prozent des GPU-Marktes.

Diese Entwicklungen beflügeln den Optimismus der Anleger – so stieg der Nasdaq-Index 2024 um 15 Prozent. Doch die Dynamik des Wachstums bringt Zweifel über dessen Nachhaltigkeit mit sich. Ist KI eine langfristig zielführende Investition oder droht die Gefahr einer Spekulationsblase? «Der Boom ist bisher ungebrochen, aber Anleger müssen sich fragen, wie viel des aktuellen Wertanstiegs langfristig bleibt und ob ein Einstieg bei den derzeitigen Allzeithochs noch lohnt», gibt Hans Selleslagh, Finanzexperte und Schweiz-Sprecher des Online-Brokers Freedom24, zu bedenken.

Jetzt noch auf der KI-Welle surfen – oder Finger weg?
Abgesehen von den schon hohen Bewertungen der Tech-Aktien überwiegen für den Freedom24-Experten aktuell eindeutig die Chancen: «KI bleibt ein zentrales Zukunftsthema und treibt die Entwicklung der Tech-Branche rasant voran – bisher ohne Zeichen der Abschwächung. Das spiegelt sich nicht nur in der Berichterstattung wider, sondern auch in den Geschäftszahlen», erklärt Selleslagh und präzisiert: «Die Wachstumszahlen der Tech-Giganten sind beeindruckend: Microsofts Azure-Cloud-Sparte wuchs um 31 Prozent, während die Cloud-Einnahmen von Alphabet um 28 Prozent im Jahresvergleich anstiegen. Die massiven Investitionen – Microsoft steigerte seine Kapitalausgaben um 300 Millionen auf 11,5 Milliarden Dollar, Alphabet um 91 Prozent auf zwölf Milliarden Dollar – signalisieren langfristiges Engagement», so der Experte. Eine Trendwende oder Blase sei also laut dem Experten zumindest 2025 nicht zu erwarten.

Selleslagh warnt vor blindem Aktionismus, macht potenziellen Investoren aber gleichzeitig Mut: «Die Branche entwickelt sich rasant und es bleibt ungewiss, wer künftig den Markt dominieren wird. Für Späteinsteiger gibt es auch jetzt noch Potenzial: Mit gutem Timing und selektiver Auswahl können auch sie aus der Technologie Nutzen ziehen.»

Hidden Champions: Branchen und Firmen unter dem KI- Radar
Neben den klassischen «Big Tech»-Unternehmen, deren KI-Gewinne am lautesten diskutiert werden, gibt es weitere Branchen und Unternehmen, die zwar bisher weitgehend unbeachtet geblieben sind, aus Sicht des Freedom24-Experten aber Potenzial bieten. «Zusätzlich zu den grossen Chipherstellern wie Nvidia und AMD gewinnen Unternehmen im Bereich Rechenzentren zunehmend an Bedeutung», so Selleslagh. Firmen wie Digital Realty Trust und Equinix bieten die nötige Infrastruktur, die für den Betrieb von KI-Workloads erforderlich ist und profitieren von einer steigenden Nachfrage durch Cloud-Anbieter. «Diese Firmen stehen weniger im Rampenlicht, stellen durch ihre stabilen Geschäftsmodelle aber eine vielversprechende, langfristige Perspektive dar», so der Finanzexperte.

Darüber hinaus hat der Energieversorgersektor durch die steigende Nachfrage nach zuverlässiger Energie für Rechenzentren von dem KI-Boom profitiert. Unternehmen wie Constellation Energy und Vistra Corp seien in der Lage, die wachsenden Bedürfnisse der KI-Infrastruktur zu decken und hätten dadurch die Voraussetzung, Anlegern Stabilität zu bieten, so Sellselsagh. «Auch im Bereich der Gesundheitsindustrie zeigt sich bisher unausgeschöpftes Potenzial: Unternehmen wie Illumina, das sich auf Gensequenzierung spezialisiert hat, und Tempus, das KI in der Präzisionsmedizin anwendet, könnten durch die zunehmende Nutzung von KI zur Arzneimittelentwicklung und -diagnostik langfristig profitieren», erklärt der Finanzexperte.

Europas Rolle im KI-Rennen: Übersetzungstool DeepL als Börsenkandidat?
Die USA und China scheinen den weltweiten KI-Wettlauf derzeit zu dominieren. «Während die Vereinigten Staaten mit Unternehmen wie OpenAI, Google und Microsoft bei der Entwicklung generativer KI führend sind, verfolgt China bis 2030 ebenfalls ehrgeizige Ziele zur KI-Vorherrschaft», erläutert Selleslagh. Aber auch Europa hat eine eigene Strategie entwickelt, um sich auf der globalen Tech-Bühne zu positionieren. Der Fokus liegt hier vielmehr auf nachhaltigen, spezialisierten KI-Lösungen. Im Februar 2025 kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine öffentlich-private Partnerschaft im Umfang von 200 Milliarden Euro an. Ziel ist der Aufbau einer Infrastruktur für KI-Gigafabriken sowie die Förderung von Start-ups und Forschungsprojekten.

«Europa kann in Bezug auf finanzielle Ressourcen und Geschwindigkeit nicht mit den USA und China konkurrieren, aber es hat das Potenzial, in spezialisierten KI-Bereichen eine führende Rolle einzunehmen, die nachhaltigen Mehrwert bieten», schätzt Selleslagh die Lage ein. Besonders vielversprechend für Anleger seien Unternehmen wie Mistral AI aus Frankreich und Aleph Alpha aus Deutschland, die auf spezialisierte Tech-Lösungen setzen. Auch in der Halbleiterindustrie, die für die KI-Hardware entscheidend ist, sieht Selleslagh europäische Unternehmen wie Infineon Technologies, NXP Semiconductors und STMicroelectronics gut positioniert und weist auf eine weitere Chance hin: «DeepL, ein führendes Unternehmen im Bereich der KI-Übersetzungslösungen, hat eine Bewertung von über zwei Milliarden Dollar erreicht und könnte in naher Zukunft einen Börsengang anstreben», erklärt Selleslagh. Abschliessend fasst der Experte zusammen: «KI ist im Begriff, die Weltwirtschaft nachhaltig zu verändern. Anleger, die an diesem Wandel teilhaben möchten, sollten nicht nur auf die grossen Tech-Giganten setzen, sondern auch Nischenmärkten und bislang unbemerkten Branchen Beachtung schenken, um von der langfristigen Entwicklung der Technologie profitieren zu können.» (Freedom24/mc)

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