Freedom24: Öl und Gas first – «Game over» für nachhaltige Investments?

Freedom24: Öl und Gas first – «Game over» für nachhaltige Investments?
Hans Selleslagh, Schweiz-Sprecher und Börsen-Experte bei Freedom24. (Foto: zvg)

Bern – Seit Donald Trump wieder US-Präsident ist und an den Hebeln der Macht sitzt, lässt er keine Zweifel daran aufkommen, wie er zu Nachhaltigkeit steht. Die Umweltinitiativen seines Vorgängers Joe Biden hat er sofort gekappt. Öl, Gas und Kohle haben wieder Priorität, für US-Unternehmen in den Bereichen erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien sind hingegen schwierige Zeiten angebrochen. Ist der Wunsch der Anleger nach grünen Investments so gross, dass sie den neuen Rahmenbedingungen trotzen – oder ist der Trend zu nachhaltigem Investieren schon wieder vorbei? Hans Selleslagh, Schweiz-Sprecher des Online-Brokers Freedom24, ordnet die aktuellen Entwicklungen ein.

Kaum zurück im Oval Office, verliert Donald Trump keine Zeit. Neben laufenden Androhungen, diverse Handelspartner wie China, Mexiko oder die EU mit Handelszöllen zu belegen, geht es ihm vor allem um die Stärkung der traditionellen Wirtschaft. Dazu passt, dass er erst vor wenigen Tagen angekündigt hat, die laut ihm «lächerliche Förderung von Papierstrohhalmen»“ zu beenden. ‚Zurück zu Plastik‘ ist sein Motto – und diese Geisteshaltung zieht auch im Energiebereich Kreise. «Die Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus hat zu einer dramatischen Verschiebung der Regulierung zugunsten fossiler Brennstoffe geführt. Das verringert den Druck auf Unternehmen, Nachhaltigkeits- und ESG-Prinzipien umzusetzen», erklärt Hans Selleslagh, Schweiz-Sprecher von Freedom24. «Die kurzfristigen Auswirkungen der Trump-Politik auf Firmen im Bereich erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien sind negativ. Seine ablehnende Haltung zu ESG-, Diversity- und Inklusionsinitiativen sowie seine Anweisung, Unternehmen zu prüfen, die ESG-Strategien implementieren, schaffen ein ungünstiges Umfeld für nachhaltige Investitionen», hält der Experte fest. Das Momentum für Nachhaltigkeit und grüne Initiativen war aber auch in Europa schon einmal grösser. In Deutschland hat etwa der Sportwagenhersteller Porsche kürzlich bekannt gegeben, den Fokus künftig wieder mehr auf Verbrennungsmotoren zu legen – die Nachfrage nach E-Autos falle in Europa zu schwach aus.

Europa als solides Gegenmodell
Trotz dieser Entwicklungen stelle sich die Situation in Europa grundlegend anders dar als in den USA, so Selleslagh. «Verschiedene regulatorische Massnahmen der EU, aber auch im globalen Kontext, haben einen Rahmen geschaffen, in dem Unternehmen auf der ganzen Welt gefordert sind, ESG-Praktiken umzusetzen», betont Selleslagh. Auch US-Unternehmen können internationale Entwicklungen und Vorgaben nicht ignorieren. Und selbst wenn in manchen europäischen Staaten die Förderung von Nachhaltigkeit temporär nicht oberste Priorität haben sollte, stelle die EU-Politik in Summe ein beachtliches Gegengewicht zur aktuellen US-Politik dar, meint der Freedom24-Experte. «Verpflichtende Ziele, wie jenes, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, schränken den Handlungsspielraum einzelner staatlicher Regierungen ein. Darüber hinaus hat die durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise die Umstellung auf erneuerbare Energien innerhalb der EU beschleunigt, da die Mitgliedsstaaten versuchen, ihre Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe zu verringern», betont Selleslagh.

So hat beispielsweise Deutschland als Reaktion auf die Krise 200 Milliarden Euro für Initiativen im Bereich grüner Energie bereitgestellt. Auch unter Firmenchefs scheinen Investitionen in den Bereich Nachhaltigkeit unstrittig zu sein. Beim jüngsten CxO Sustainability Report des Beratungsunternehmens Deloitte gaben 85 Prozent der befragten Unternehmen an, Nachhaltigkeitsinvestitionen im vergangenen Jahr erhöht zu haben. Und selbst in den USA steigt die Nachfrage nach sauberem Strom, trotz der für erneuerbare Energien unvorteilhaften Politik Trumps. Laut der US Energy Information Administration (EIA), wird die Kapazität für die Erzeugung von Solarstrom im Jahr 2025 um 26 Gigawatt und um weitere 22 Gigawatt im Jahr 2026 steigen, was Wachstumsraten von 34 beziehungsweise 17 Prozent entspricht.

Nachhaltigkeit bleibt relevanter Faktor für Investoren
«Trumps Politik stellt für ESG-Investitionen und nachhaltige Akteure einen Rückschlag dar, ändert aber nichts an den langfristigen, grundlegenden Trends», urteilt Experte Selleslagh. Die demografische Entwicklung treibe die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen an, denn bei der jüngeren Bevölkerung stehe das Bewusstsein für ökologische und soziale Verantwortung hoch im Kurs. «Investoren, die die Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren erkannt haben, richten ihre Portfolios zunehmend an ESG-Prinzipien aus und sorgen für einen kontinuierlichen Kapitalfluss in grüne Branchen», betont Selleslagh. Die Politik könne höchstens Tempo und Ausmass des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels beeinflussen. Anleger seien nicht nur aus ethischen Gründen an ESG-Investments interessiert, sondern auch, weil nachhaltige Unternehmen langfristig stabiler aufgestellt und besser für zukünftige Herausforderungen gerüstet sind. Solar- und Windenergie etwa werden, auch unabhängig von Förderungen, immer wettbewerbsfähiger. «Angesichts der zunehmenden Regulierung in Europa und des anhaltenden Wachstums des Marktes für erneuerbare Energien werden Nachhaltigkeitsinvestments ein wichtiger Bestandteil der globalen Finanzlandschaft bleiben, schliesst Selleslagh. (Freedom24/mc)

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