Frontier Markets: Enormes Potenzial für Investoren
Von 1980 bis zum Jahr 2010 explodierte Chinas Bruttoinlandsprodukt pro Kopf um 1‘285%. Mit ähnlichen Wachstumsraten ist dort allerdings in Zukunft nicht mehr zu rechnen. Wer heute eine vergleichbar stürmische Entwicklung sucht, findet diese primär in den Frontier Markets.
Martin Plüss, Derivative Partners Media AG, payoff.ch
Als im Jahr 2001 von Goldman Sachs der Begriff «BRIC» geprägt wurde, galten Anlagen in die Aktienmärkte von Brasilien, Russland, Indien und China noch als exotisch. Wer damals den Mut hatte, trotzdem in diesen Ländern zu investieren, wurde mit stattlichen Renditen belohnt. Deshalb stellt sich heute mancher Anleger die Frage, welche Länder die kommenden «BRICs» sind. Eine mögliche Antwort sind die so genannten «Frontier Markets».
Rohstoffreichtum beflügelt
Unter Frontier Markets – auch Pioniermärkte genannt – stellt man sich gemeinhin Länder vor, deren wirtschaftliche Entwicklung sich noch auf einem tiefen Niveau befindet. Hier haben noch längst nicht so viele Menschen ein Telefon, einen Fernsehapparat, ein Auto, einen Computer oder reichlich gefüllte Kleider- und Schuhschränke wie in fortgeschrittenen Schwellenländern vom Kaliber Chinas oder Brasiliens. Dafür verfügen viele dieser Staaten über einen grossen Reichtum an Rohstoffen. Entsprechend kann für die Zukunft mit einer starken Belebung des Binnenkonsums, aber auch mit einem Anstieg ausländischer Investitionen gerechnet werden, was zu einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts, der Bildung einer zahlungskräftigen Mittelschicht und damit zu einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums führt. Typische Beispiele dafür sind Nigeria, Kasachstan oder Bangladesch. Eher erstaunlich ist, dass auch sehr reiche Länder wie Kuwait, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate als Frontier Markets bezeichnet werden. Der Grund liegt darin, dass in diesen Ländern gesetzliche und regulatorische Hindernisse bestehen, welche Investitionen in den Aktienmarkt für Ausländer schwierig machen. Hier beruhen die Hoffnungen vor allem auf einer fortschreitenden Öffnung des Kapitalmarkts, womit ausländische Investoren angezogen werden können.
Das BIP in Ländern wie Kasachstan oder Nigeria hat den Stand vor der Finanzkrise mittlerweile bereits wieder übertroffen.
Frontier Markets noch untergewichtet
Die Entwicklung der gängigen Frontier Markets Indizes war in den letzten Jahren sehr volatil. Aber im Zuge der allgemeinen Erholung, geht es seit April 2009 wieder gut nach oben (siehe Chart). Das Bruttoinlandsprodukt in Ländern wie Kasachstan oder Nigeria hat den Stand von vor der weltweiten Finanzkrise mittlerweile bereits wieder übertroffen. Die US-Investmentbank Merrill Lynch erkennt in diesem Umstand eine Unterbewertung im Vergleich zu den klassischen Emerging Markets und sieht darin eine gute Kaufgelegenheit. Ausserdem wird auf die Tatsache verwiesen, dass bisher der Anteil an Fondsvermögen an der Gesamtkapitalisierung der Frontier Markets erst 8% ausmacht – im Vergleich zu 23% bei den etablierten Emerging Markets. Hierin erkennt Merrill Lynch ein grosses Potenzial an möglichen Geldzuflüssen, welche die Kurse beleben können.
Die Risiken nicht vergessen
Trotz der optimistischen Einschätzung bezeichnet Merrill Lynch die künftige Entwicklung als «bumpy» (holperig). Ereignisse wie die Unruhen in Ägypten und Bahrain oder der Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste zeigen die politischen Gefahren in diesen Ländern deutlich auf. Entsprechend findet man auf der «Risikoweltkarte» im payoff magazine vom April 2011 viele dieser Staaten im Hochrisikobereich. Neben den politischen Risiken darf auch nicht vergessen werden, dass in diesen Ländern der Finanzmarkt erst daran ist, sich zu entwickeln. Grosse Unternehmen gibt es noch kaum. Entsprechend werden an der Börse nur wenige Titel gehandelt, die oft erst vor Kurzem eine Publikumsöffnung erfahren haben. Rechnungslegung und Transparenz entsprechen in keiner Weise dem Standard der Industrienationen und Korruption ist oft weit verbreitet. Ein weiteres Problem stellt die meist geringe Liquidität der einzelnen Titel dar. Dies führt dazu, dass Rückschläge im Allgemeinen heftig sind und in Krisensituationen ein Ausstieg zu einem vernünftigen Preis oft nur schwierig möglich ist.
Attraktive Frontier Indizes…
Aufgrund der vielfältigen Risiken sind Anlagen in ein einzelnes Land nicht zu empfehlen. Niemand weiss, welche Staaten eine positive Entwicklung durchmachen werden und wo eine Investition zum Debakel wird. Stattdessen ist auch hier auf eine breite Diversifikation zu achten. Geeignet dazu sind Strukturierte Produkte oder andere börsengehandelte Produkte, von denen aber nur wenige auf dem Markt sind. Der seit November 2008 gehandelte ETF (Valor 3614486) der Deutschen Bank beruht auf dem S&P Select Frontier Index. Der Index ist auf Basis der Streubesitz-Marktkapitalisierung gewichtet, wobei kein Land einen Anteil von 30% übersteigen darf und keine Aktie mit mehr als 10% gewichtet wird. Der Index wird halbjährlich im Januar und im Juli jedes Jahres neu zusammengestellt. Aktuell stehen Katar (24%) und Kuwait (19%) an der Spitze, gefolgt von Kasachstan und Kolumbien (jew. 15%). Der im Januar 2011 emittierte Open-end-Tracker FRONT der Royal Bank of Scotland verwendet den MSCI Frontier Markets Index als Basiswert. Bei MSCI machen alleine Kuwait (32,4%), Katar (12,0%) und die Vereinigten Arabischen Emirate (11,4%) zusammen mehr als die Hälfte des Gewichts aus. Markant – mit mehr als 5% – sind auch die Anteile von Nigeria, Bangladesch und Argentinien. Trotz der unterschiedlichen Gewichtung verlief die Wertentwicklung der beiden Indizes in den letzten Jahren nahezu parallel, wobei sich der S&P Index einen leichten Vorsprung erarbeiten konnte.
Anlagen in ein einzelnes Land sind nicht zu empfehlen.
Alternative mit Kapitalschutz
Eine interessante Alternative im Kontext Frontier Markets ist TIGRE, ein Kapitalschutzprodukt auf den RBS Asian Tigers Currency II Basket. Dieser spiegelt die Wertentwicklung von acht ausgewählten Währungen (z.B. Indonesische Rupie oder Malaysischer Ringgit) aus dem Raum Asien-Pazifik gegenüber dem Euro wider. Per Laufzeitende (13.12.2013) erhält der Anleger mindestens 100% des Nominal zurück. Die aktuelle Unsicherheit beim Thema Euro und ansteigende Direktinvestitionen von EU-Unternehmen in Asien könnten die lokalen Währungen schon bald deutlich beflügeln. Die Partizipation beträgt 110%, jede einzelne Währung ist mit 12,5% gewichtet. Politische Risiken – sprich Währungen aus arabischen Staaten – können mit diesem Produkt explizit umgangen werden. Dennoch gilt: Anlegen in Frontier Markets, mit Zielmärkten wie Kasachstan, Malaysia oder Nigeria, ist nichts für schwache Nerven. Doch die Belohnung ist am Ende wahrscheinlich umso grösser.
Auf einen Blick:
Ein Frontier Market ist ein Land, das in seiner Wirtschaftsentwicklung ein hohes Wachstum aufweist, jedoch noch nicht den Stand eines sog. Emerging Market erreicht hat. Frontier Markets stehen sozusagen an der Grenze («Frontier») zu einem Emerging Market – besser bekannt auch als Schwellenland. Klassische Emerging Markets sind China, Indien oder Brasilien. Als Frontier Markets werden Staaten aus Asien, Afrika, dem Mittleren Osten, Lateinamerika und Osteuropa bezeichnet, die den Emerging Markets in ihrer Wirtschaftsentwicklung um 20 Jahre zurückliegen. Dieses Potenzial lockt mehr und mehr Investoren.