(Foto: Adidas Group)
Genf – Wenn am Dienstag Deutschland gegen Brasilien und am Mittwoch Argentinien gegen Holland zu den Halbfinals der Fussball-WM antreten, werden wieder mehrere hundert Millionen Fussballfans vor den Bildschirmen die Spiele mitverfolgen. Für die einen wird das Ergebnis mit einer Feier enden, für die anderen im Trauerspiel. Auch viele Polit- und Wirtschaftslenker werden die Spiele interessiert verfolgen.
Von Claudio Borelli, Leiter des Global Equity Research Teams der Union Bancaire Privée
Die Zahlen variieren immens und sind nicht immer verlässlich – geschätzt haben jedoch rund 1,3 Milliarden Fernsehzuschauer das Finale in Frankreich im Jahr 1998 mitverfolgt. Die FIFA verdient mehrere Milliarden US-Dollar mit Fernseh- und Marketingrechten. Zwei Dinge stechen für dieses Turnier in Brasilien besonders hervor: erstens gab es viele spannende Spiele und viele Tore. Und zweitens sind einige der „grossen“ Mannschaften, die in der Vergangenheit die Trophäe mit nach Hause genommen haben, früh ausgeschieden. Zu erwähnen sind hier beispielsweise Spanien, Italien und England.
Boom für den Getränkesektor – Brasilianischer Konzern Anheuser-Busch InBev ganz vorne
Was bedeutet das nun für einige der Branchen, in die Fonds und Fondsgesellschaften umfangreich investiert sind? Gerade für die Getränkeindustrie und den weltweit grössten Brauereikonzern Anheuser Busch-InBev (AB-InBev) ist das Turnier ein enormer Treiber. Das Unternehmen ist belgisch-brasilianisch, wird von Brasilianern gemanagt und weist in Brasilien einen Marktanteil von 70 Prozent auf. Budweiser ist der offizielle Sponsor der Weltmeisterschaft, das brasilianische Bier Brahma wird hauptsächlich im Land getrunken. Nachweislich erhöhen Feierlichkeiten den Bierkonsum – trotz einer insgesamt flauen Makroaussicht. Union Bancaire Privée schätzt das Unternehmen sehr, zumal es über ein solides Markenportfolio und talentierte Unternehmenslenker verfügt.
Sportartikelsektor von Spielverläufen unbeeinträchtigt – Hauptsponsor Nike ganz weit vorne
Der Sportartikelsektor bleibt vom Ausscheiden der drei genannten Teams unbeeinträchtigt: Nike, Adidas und Puma sind die führenden Sponsoren für die Teams. Trotz der frühen Heimkehr für die Italiener (Sponsor: Puma), die Spanier (Adidas) und die Engländer (Nike), wird sich ein Rückgang der Nachfrage nach Artikeln in Grenzen halten. Europa ist keine Wachstumsregion im Sportartikelbereich, trotz einiger übergreifender Verkäufe in Schwellenländer. Es kommt auf die Zahlen für die globale Reichweite der Marken sowie deren Marktanteile insgesamt an. Da Brasilien, Argentinien, die Niederlande und Deutschland um einen Platz im Finale kämpfen, liegen die Chancen gut, dass Nike und Adidas von ihren umfangreichen Marketinginvestitionen profitieren werden. Union Bancaire Privée präferiert Nike gegenüber seinem Wettbewerber, der den Brazuca Ball entwickelte, nicht nur, weil das Unternehmen einer der Hauptsponsoren ist, sondern weil Nike exzellentes Marketing betreibt, umfangreiche Innovationsfähigkeiten besitzt und diese auch konsequent umsetzt.
Ausblick für Brasilien nach Turnierende bleibt herausfordernd
Eine Veranstaltung wie die Fussballweltmeisterschaft hat einen positiven Effekt auf die Wirtschaft des gastgebenden Landes – die Frage bleibt trotzdem: was kommt für Brasilien als nächstes? Der makroökonomische Ausblick und das politische Bild des Landes sehen weniger positiv aus – es stehen eine Reihe von Entscheidungen an, damit Brasilien in den kommenden Jahren wachsen kann. In diesen Zusammenhang fallen auch das weiterhin schwache Bruttoinlandsprodukt, die Unruhen und die Inflation. Das Bruttoinlandsprodukt steigt seit 2011 nur leicht; seit Anfang des Jahres werden die Vorhersagen weiter nach unten korrigiert, von bisher 2,3 Prozent auf 1,8 Prozent. Die Inflation im Land hält sich mit 6,4 Prozent hartnäckig am oberen Ende der von der Zentralbank anvisierten Spanne und das von der USA in Aussicht gestellte Tapering-Programm ist für Brasilien ebenfalls nicht förderlich. Die brasilianische Zentralbank hat ihren Leitzins, den Sistema Especial de Liquidação e Custodia (SELIC), von 7,25 Prozent in 2013 auf elf Prozent heute drastisch angehoben. Positiv hervorzuheben ist, dass die Arbeitslosenzahlen für das Land einen historischen Tiefstand erleben.
Die Brasilianer wählen am 5. Oktober 2014 ihren Präsidenten, den Nationalkongress und Staatsgouverneure; sollte es zu einem zweiten Urnengang kommen, ist dieser für den 26. Oktober 2014 festgesetzt. Bei der laufenden Regierung kritisiert UBP beispielsweise die enormen öffentlichen Ausgaben, Energiesubventionen und das regelmässige Einmischen von staatlichen Vertretern in die Unternehmensangelegenheiten von Petrobras, Eletrobras und Vale. Präsidentin Dilma Rousseff führt die Wahlvorhersagen heute mit 38 Prozent an – die eigentliche Frage die sich allerdings stellt, ist, ob sie die nötigen Reformen endlich umsetzen wird, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und den Lebensstandard der Einwohner zu erhöhen.
UBP geht davon aus, dass in einer Wirtschaft mit niedrigen Arbeitslosenzahlen der einzige Weg zum Wirtschaftswachstum in erhöhter Produktivität durch Investitionen auf der Angebotsseite bestehen. Das können beispielsweise Investititonen in die Ausbildung sein, die Analyse von Arbeits- und Kapitalproduktivität, ein mobiler Arbeitsmarkt, die Ankurblung von Forschung und Entwicklung, Wettbewerb, Start ups und die Förderung des allgemeinen Unternehmertums. Hier gibt es zwei mögliche Szenarien: alles bleibt beim Alten oder es kommt zu einem Feilschen und Handeln beim Umsetzen von Sozialprogrammen und Reformen.
Die Zeit verfliegt schnell – bereits im Jahr 2016 finden in Brasilien die olympischen Sommerspiele statt und die weltweite Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf das Land. UBP hofft, dass bis dahin eine Reformagenda nicht nur präsentiert, sondern auch umgesetzt wird, so, dass die positiven Effekte bereits 2016 Wirkung zeigen können. (UBP/mc/pg)