Zürich – Kein Aufatmen bei GAM: Der Befreiungsschlag für den kriselnden Zürcher Vermögensverwalter durch einen Verkauf ist ausgeblieben. Die Übernahme durch Liontrust ist gescheitert. Mit Blick auf die finanzielle Situation braucht es nun schnell eine Lösung.
Der britische Konkurrent Liontrust hat es nicht geschafft, genug GAM-Aktionäre auf seine Seite zu holen. Nach Ablauf der Angebotsfrist halten die Briten laut involvierten Banken gemäss provisorischen Zwischenergebnis lediglich 33,64 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals und der Stimmrechte von GAM.
Da die benötigte Zweidrittelmehrheit weit verfehlt wurde, dürfte Liontrust das Angebot am kommenden Dienstag, wenn das definitive Zwischenergebnis erwartet wird, für gescheitert erklären. Davon zumindest geht die Gesellschaft derzeit auch selbst aus, wie sie am Donnerstag mitteilte.
Gespräche mit Newgame
GAM, die sich selbst für den Verkauf stark gemacht hatte, hat den Misserfolg bereits eingestanden: «Der Verwaltungsrat von GAM ist sich bewusst, dass die Mehrheit unserer Aktionärinnen und Aktionäre das Angebot von Liontrust nicht überzeugend gefunden hat», lässt sich Präsident David Jacob zitieren. Er freue sich nun über «konstruktive und produktive Gespräche mit Newgame».
Will heissen: Die Investorengruppe, die mit harten Bandagen gegen die vom GAM-Verwaltungsrat als alternativlos bezeichnete Übernahme durch Liontrust gekämpft hatte, soll nun zum heilbringenden Partner werden. Der Verwaltungsrat habe Gespräche mit Vertretern von Newgame aufgenommen, darunter Rock Investment SAS («Rock»), Newgame SA und Bruellan SA.
Dabei geht es jetzt vor allem um eine kurzfristige Überbrückungsfinanzierung, welche Rock, wie bereits bekannt, vor rund einer Woche in Aussicht gestellt hatte. Der Betrag soll den Liontrust-Darlehen in Höhe von rund 20 Millionen Franken entsprechen. Liontrust hatte finanzielle Unterstützung zugesagt, welche GAM teilweise bereits erhalten und nach dem Scheitern der Übernahme nun zurückzahlen muss.
Fokus auf Turnaround
Das Kaufangebot von Liontrust hatte Newgame als nicht akzeptabel bewertet. Vielmehr gab sich die GAM-Aktionärsgruppe, die nach eigenen Angaben 9,6 Prozent hält, überzeugt, dass GAM erfolgreich saniert werden und unabhängig bleiben könne. Jetzt soll sich Newgame mit den Portfolio-Management-Teams von GAM über ihre Pläne austauschen. Newgame hatte in der Vergangenheit bereits einen 100-Tage-Plan veröffentlicht, der aufzeigen soll, wie der Turnaround vonstattengehen könnte.
An einer ausserordentlichen Generalversammlung, die bereits im September einberufen werden könnte, dürfte es dann auch zu Veränderungen des Verwaltungsrats kommen. Denn Umsetzen soll die Restrukturierung nach den Vorstellungen von Newgame ein neuer Verwaltungsrat. Kandidaten hatte Newgame bereits vorher einigen Wochen vorgestellt.
«Das Scheitern des Angebots von Liontrust bedeutet, dass sich der Fokus nun auf den erfolgreichen Turnaround von GAM verlagern muss», hiess es von Newgame. Man freue sich auf die Zusammenarbeit.
Langfristige Lösung nötig
Newgame habe anerkannt, dass ein langfristiger Investitionsbedarf bestehe, sagte wiederum eine GAM-Sprecherin zur Nachrichtenagentur AWP. Daher seien nun konstruktive Gespräche möglich.
In der Vergangenheit hatte GAM grosse Kritik an Newgame und an den Vorschlägen der Aktionärsgruppe geübt. Unter anderem hiess es, die von Newgame vorgeschlagene kurzfristige Zwischenfinanzierung sei bei weitem nicht ausreichend.
Liontrust zeigte sich derweil enttäuscht vom Ausgang des Übernahmeversuchs: Man habe ein faires Angebot unterbreitet, dass die finanzielle Realität von GAM widergespiegelt habe und eine sichere und nachhaltige Lösung geboten hätte, sagte Liontrust-Chef John Ions laut Mitteilung.
Der GAM-Verwaltungsrat versucht derweil, Zuversicht zu schüren: Er dankt laut Mitteilung den Aktionären, Kunden und Mitarbeitenden für ihre Geduld. Und er sei zuversichtlich, dass in Kürze ein klarer Weg nach vorne eingeschlagen werden könne.
Die Zeit drängt
Der Asset-Manager wurde 2009 von der Bank Julius Bär abgespalten. Seit der Suspendierung eines früheren Star-Fondsmanagers wegen schweren Fehlverhaltens im Jahr 2018 kämpft GAM mit Geldabflüssen. 2022 verzeichnete das Unternehmen einen Verlust von über 500 Millionen Franken.
Die Zeit dränge, sagen Analysten am Donnerstag nach dem Scheitern des Verkaufs und mit Blick auf die finanzielle Situation des Vermögensverwalters. KBW-Aktienanalystin Irene Rossetto sieht das «Newgame»-Angebot jetzt als einzige tragfähige Option an. Denn GAM habe sich unfähig gezeigt, das Geschäft aus eigener Kraft erfolgreich auszubauen.
Rossetto rechnet für die nahe Zukunft mit einer erheblichen Volatilität. Das zeigte sich bereits am Donnerstag: Bei dünnen Volumen schwankte der Aktienkurs zwischen stark im Minus und stark im Plus. (awp/mc/ps)