Giovanni Staunovo, Commodity Analyst CIO Wealth Management UBS, im Interview

Von Dieter Haas, Derivative Partners AG, www.payoff.ch

payoff im Gespräch mit Giovanni Staunovo, Commodity Analyst im Chief Investment Office (CIO) Wealth Management der UBS zur Entwicklung der Rohstoffe im laufenden Jahr, kurzfristigen Risiken, die attraktivsten Segmente, der Lage am Ölmarkt, Gold und Platingruppenmetalle.

payoff: Herr Staunovo, die meisten Rohstoffe zeigen im laufenden Jahr nach einer längeren Durststrecke deutliche Anzeichen einer Trendwende. Worauf führen Sie das wiedererwachte Interesse zurück?

Giovanni Staunovo: Die anhaltend reichliche Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken und die sich moderat verbesserende Industrietätigkeit haben der Anlageklasse Rohstoffe in diesem Jahr Auftrieb verliehen. Zusätzliche Unterstützung kam von Produktionsanpassungen in den Sektoren Energie und Basismetalle (ungeplante Produktions-Unterbrüche bei Rohöl, Produktionsdisziplin bzw. -einschränkungen bei diversen Industriemetallen).

Welche Entwicklung hat Sie positiv und welche negativ überrascht?

Auf der einen Seite haben mich die regulatorischen Eingriffe diverser Länder bei der Produktion überrascht (z. B. Produktionsdeckelung bei Kohle in China, mögliches Exportverbot von Nickelerz in den Philippinen), aber auch die sehr gemässigten Notenbanken – wir hatten zum Beispiel mehrere US-Zinserhöhungen in diesem Jahr erwartet. Im Agrarsektor war vor allem die schnelle «Auflösung» des Wetterphänomens El-Nino eine Überraschung.

Erachten Sie die jüngsten Gewinne etlicher Rohstoffe als nachhaltig oder überwiegen kurzfristig die Risiken?

Kurzfristig besteht vor allem im Energiesektor Korrekturpotenzial, etwa bei Rohöl und US-Erdgas. Abwärtsrisiken für Gold und Silber kommen in erster Linie von einer restriktiveren US-Notenbank, aber fallende Realzinsen dürften einen möglichen Preisrückgang limitieren. Eine gute Ernte dürfte sich negativ auf die Preise von Agrarrohstoffen auswirken. Industriemetalle sollten sich besser halten, bleiben aber sensitiv auf die Entwicklung der chinesischen Wirtschaftsdaten.

Welche Segmente (Energie, Edelmetalle, Industriemetalle, Agrar) besitzen, fundamental betrachtet, mittelfristig das grösste Kursgewinnpotenzial?

Höhere Preise sehen wir insbesondere im Energiesektor und bei Industriemetallen. Bei Rohöl dürfte die Kombination aus rückläufiger Produktion ausserhalb der OPEC-Länder und steigender Nachfrage zu einem ausgeglichenen Ölmarkt 2017 führen. Unsere erwartete Belebung der industriellen Aktivität bedeutet, dass die Basismetallpreise anziehen dürften. Aufgrund der unterschiedlichen Angebotslage in dem Sektor dürften die Preisanstiege jedoch weiterhin wenig synchronisiert verlaufen.

Die Korrelationen unter den einzelnen Rohstoffsegmenten sind im Vergleich zu Aktien relativ niedrig. Woran liegt das?

Individuelle Faktoren auf der Angebots- und Nachfrageseite sind verantwortlich dafür, dass die Korrelation innerhalb der Sektoren tief ist. Erdöl wird aktuell primär von Produktionsveränderungen beeinflusst, Edelmetalle von der US-Geldpolitik, Industriemetalle von den chinesischen Wirtschaftsdaten und Agrargüter von Wetterentwicklungen.

Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage im Ölmarkt?

Wir bleiben skeptisch, dass die OPEC-Produzenten in punkto Produktionskürzungen zu einer Einigung kommen. Deren Produktionsmenge ist auf den höchsten Stand seit 2008 angestiegen. Nach den Waldbränden hat sich die kanadische Produktion wieder normalisiert. Ungeachtet neuer Produktionsausfälle dürften die Ölpreise aufgrund der verbesserten Versorgungssituation kurzfristig anfällig für Preiskorrekturen bleiben.

Mit welcher Preisentwicklung rechnet die UBS beim Rohöl (Brent)?

Während die OPEC ihre Strategie zur Steigerung der Volumen beibehält, wird das Überangebot an Öl geringer. Die Produktion in Nicht- OPEC-Ländern ist bereits rückläufig, bedingt durch eine geringere Produktion in den USA, China, Mexiko und Kolumbien. Wir erwarten einen ausgeglichenen Ölmarkt für 2017, erhebliche Rückgänge bei den Lagerbeständen im zweiten Halbjahr 2017 und einen Brent-Preis pro Fass von USD 45 in sechs Monaten und von USD 55 in zwölf Monaten.

Gold ist nach Ihrer Auffassung ein gutes Investment, wenn die Aktien fallen. Wie beurteilen Sie die trotz steigender Aktienkurse erstaunlich robuste Entwicklung bei Gold?

Der attraktive Absicherungscharakter von Gold, der ihm bei Marktturbulenzen Auftrieb verleiht, löste massives Interesse an dem Edelmetall aus. Da mit weiteren Zinserhöhungen der US-Notenbank erst später gerechnet wird und andere Zentralbanken bereit sind, ihre Geldpolitik weiter zu lockern, erholt sich die Anlegerstimmung allmählich wieder.

Gibt es einen Rohstoff, den Sie derzeit besonders empfehlen würden?

Die negativen Realzinsen in den USA, mit denen wir in den nächsten zwölf Monaten rechnen, sowie die Zunahme der Industrietätigkeit in den nächsten Quartalen sind sehr gute Voraussetzungen für einen Anstieg der Preise der Platingruppenmetalle (Palladium/Platin). Im Energiesektor setzen wir unseren positiven Ölausblick via Energieaktien mit soliden Bilanzen um. Hohe Rollkosten machen direkte Investionen in Rohöl abhängig von einem perfekten Markttiming.

Herzlichen Dank für das Interview.

Der Gesprächspartner:
Giovanni Staunovo ist seit April 2011 Commodity Analyst im Chief Investment Office (CIO) Wealth Management der UBS. Zuvor sammelte er in der Zeit von März 2002 bis Februar 2005 praktische Erfahrungen als Research-Assistent an der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Zwischen März 2005 und Dezember 2006 war Giovanni Staunovo Research-Assistent in der Abteilung Geldmarkt und Devisenhandel der Schweizerischen Nationalbank, ehe er im Januar 2007 zur UBS wechselte, wo er zuerst als Währungsstratege im CIO der Bank in Zürich und Singapur arbeitete. Staunovo hat einen Master-Abschluss an der HSG St. Gallen im Bereich Ökonomie und Finanz- und Kapitalmärkte.

 

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