Zürich – Das Credit Suisse Research Institute veröffentlicht den jährlichen Global Wealth Report, die umfassendste und aktuellste Informationsquelle zum weltweiten Vermögen privater Haushalte.
Mit einer Zunahme des weltweiten Gesamtvermögens um USD 36,3 Bio. war 2019 ein Ausnahmejahr. Zwischen Januar und März 2020 führte dagegen der Ausbruch der Pandemie zu einem Rückgang des Vermögens privater Haushalte um USD 17,5 Bio. Seit März erholen sich die Aktienmärkte wieder und die Preise für Wohneigentum steigen. Schätzungen für das zweite Quartal 2020 deuten darauf hin, dass das Gesamtvermögen der privaten Haushalte leicht über dem Niveau von Ende letzten Jahres liegt, während das Vermögen pro Erwachsenem leicht abgenommen hat.
Wichtigste Ergebnisse im Überblick
- Ohne die Pandemie wäre das geschätzte weltweite Vermögens pro Erwachsenem von USD 77’309 am Anfang des Jahres auf bestenfalls USD 78’376 per Ende Juni 2020 gestiegen. Stattdessen hat die Coronavirus-Krise dazu geführt, dass das durchschnittliche Vermögen auf USD 76’984 gesunken ist.
- Im letzten Jahr erhöhte sich das weltweite Gesamtvermögen um USD 36,3 Bio. – das Vermögen pro Erwachsenem stieg gegenüber 2018 um 8,5 % auf USD 77’309. Dadurch war die Welt in 2020 gerüstet, um Verluste infolge der COVID-19-Pandemie aufzufangen.
- Der Bericht geht davon aus, dass das globale Gesamtvermögen privater Haushalte Mitte Jahr um USD 1 Bio. höher war als im Januar, was einem Anstieg um 0,25 % entspricht. Da die Zahl der Erwachsenen im selben Zeitraum weniger stark zugenommen hat, nahm das weltweite Durchschnittsvermögen um 0,4 % auf USD 76’984 ab. Im Vergleich zu den Erwartungen vor Ausbruch der Krise sank das globale Vermögen um USD 7,2 Bio. bzw. USD 1’391 pro Erwachsenem.
- Davon am stärksten betroffen war Lateinamerika, wo Währungsabwertungen den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) weiter verstärkten, wodurch das Gesamtvermögen in USD um 12,8 % abnahm. Die Pandemie verhinderte das erwartete Wachstum in Nordamerika und verursachte Verluste in allen anderen Regionen ausser China und Indien. Unter den grossen Wirtschaftsnationen der Welt verzeichnete Grossbritannien relativ gesehen den heftigsten Vermögensschwund.
- Eine bedeutende Entwicklung in diesem Jahr war der Anstieg der Sparquote aufgrund von Lockdowns und anderen pandemiebedingten Beschränkungen der Ausgaben. Zusätzlich verstärkt wurde der Rückgang des Konsums im zweiten Quartal 2020 durch Miet- und Hypothekenstundungen. Die Gesamtauswirkungen auf die Vermögen dürften aber eher gering ausfallen, da die Ausgabenbeschränkungen wohl nicht von Dauer sein werden.
- Niedrigere Zinsen und eine Lockerung der Kreditvergabe als Reaktion auf die Pandemie scheinen die Aktienkurse und den Wert von Häusern offenbar erfolgreich gestützt zu haben.
Unmittelbare Auswirkungen von COVID-19 bei Vermögenspreisen
Die ersten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie machten sich bei den Vermögenspreisen bemerkbar und führten dazu, dass das weltweite Nettovermögen privater Haushalte von Januar bis März 2020 um USD 17,5 Bio. bzw. 4,4 % zurückging. Doch dann leiteten die Massnahmen von Regierungen und Zentralbanken eine Wende ein. Im Juni lag das globale Vermögen um USD 1 Bio. höher als noch zu Beginn des Jahres. Allerdings werden das geringere BIP und die steigende Verschuldung langfristige Schäden verursachen, die das Vermögenswachstum in den nächsten Jahren bremsen.
Auswirkungen auf Vermögensverteilung noch nicht final absehbar
Die weltweiten Auswirkungen auf die Vermögensverteilung innerhalb der einzelnen Länder waren angesichts der erheblichen pandemiebedingten Einbussen beim BIP erstaunlich gering. Tatsächlich gibt es keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass die Pandemie systematisch Haushalte mit höherem gegenüber solchen mit niedrigerem Vermögen begünstigt hat oder umgekehrt. Für eine Gesamteinschätzung der Pandemiefolgen für die weltweite Vermögensverteilung ist es noch zu früh, doch neueste Erhebungen zeigen, dass die Vermögensungleichheit in mindestens einem wichtigen Land – den USA – insgesamt abgenommen hat.
Die globale Ungleichheit hängt auch von Unterschieden zwischen den Ländern ab, zu deren vollständiger Beurteilung mehr Daten erforderlich wären. Auffälliger sind dagegen die Auswirkungen auf bestimmte Gruppen: Geringqualifizierte, Frauen, Minderheiten, junge Menschen und Kleinunternehmen haben alle gelitten. Profitiert haben wiederum diejenigen, die mit den wenigen Branchen in Verbindung stehen, deren Geschäft in der Pandemie florieren, etwa die Technologiebranche.
Frauen, Millennials und Minderheiten stärker von Pandemiefolgen betroffen
Weibliche Arbeitskräfte leiden überdurchschnittlich, nicht zuletzt weil sie oft in hart betroffenen Branchen wie Gastronomie, Hotellerie, Einzelhandel und personenbezogene Dienstleistungen vertreten sind.
Die Generation der Millennials, der heute 20- bis 40-Jährigen, ist heute so breit verteilt, dass sich die ältesten Jahrgänge nicht schlechter schlagen als die Gesamtbevölkerung, während es den Jüngeren – insbesondere Frauen und weniger gut Ausgebildeten – eher schlechter ergeht. Der Nachteil für diese Alterskohorte ist auch auf die Folgen der Weltfinanzkrise von 2007/08 zurückzuführen, die viele arbeitslos gemacht hat. Die COVID-19-Pandemie könnte nicht nur ein zweiter Schlag für die Millennials sein, sondern auch die Post-COVID-19-Generation treffen, da die wirtschaftliche Aktivität zurückgeht, die Deglobalisierung das Wachstum hemmt und weltweite Beschränkungen das Reisen erschweren.
Sichtbare Minderheiten leiden während der Pandemie überdurchschnittlich unter gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schocks. So waren etwa in den USA die Infektions- und Hospitalisierungsraten bedeutender Minderheiten viel höher als bei der weissen Bevölkerung. Da auch die Arbeitsplatzverluste höher waren als bei der weissen Bevölkerung, litten diese Gruppen noch stärker.
Auswirkungen auf Millionäre und UHNWIs
Die weltweite Zahl der Millionäre schnellte 2019 auf 51,9 Mio. hoch, hat sich aber im ersten Halbjahr 2020 insgesamt kaum verändert. An der Spitze der Vermögenspyramide standen dem Bericht zufolge Anfang dieses Jahres weltweit 175’690 sehr vermögende Erwachsene (UHNWIs) mit einem Nettovermögen von über USD 50 Mio. Die Gesamtzahl der erwachsenen UHNWIs stieg 2019 um 16’760 (11 %), sank aber im ersten Halbjahr 2020 um 120, sodass sich gegenüber Anfang 2019 ein Nettozuwachs von 16’640 ergibt.
Anthony Shorrocks, Ökonom und Verfasser des Berichts, sagte: «Angesichts des Schadens, den COVID-19 der Weltwirtschaft zugefügt hat, scheint es bemerkenswert, dass das Vermögen privater Haushalte relativ unbeschadet davongekommen ist. Vermögen dient als eine Art Selbstversicherung, die Haushalte in schwierigen Zeiten in Anspruch nehmen können. Zunächst machten sich die Auswirkungen der Pandemie vor allem durch den weltweiten Einbruch der Aktienkurse bemerkbar. Als der Einsatz von Regierungen und Zentralbanken erkennbar wurde, begannen die Aktienkurse wieder zu steigen. In einigen Ländern, darunter die USA, haben Aktien insgesamt ihre anfänglichen Verluste mittlerweile aufgeholt, doch viele Länder sind noch nicht wieder ganz auf dem ursprünglichen Stand. Abseits der Finanzanlagen war kein globaler Abwärtstrend bei den Preisen für Wohnimmobilien oder Immobilien ersichtlich.»
Nannette Hechler-Fayd’herbe, Chief Investment Officer International Wealth Management und globale Leiterin Economics & Research bei der Credit Suisse, ergänzte: «2019 war ein Jahr mit unglaublichem Vermögenswachstum, doch die COVID-19-Pandemie war eine ernüchternde Erinnerung daran, wie sehr exogene Schocks die Weltwirtschaft gefährden. Anders als in der Finanzkrise von 2007/08 besteht diesmal Grund zum Optimismus, denn der globale Finanzsektor ist viel gesünder als damals. Regierungen und Zentralbanken haben zudem gelernt, wie wichtig Kreditvereinbarungen und quantitative Lockerungen während einer schweren Krise sind.
Bisher sind die Auswirkungen der Pandemie auf das Vermögen privater Haushalte minimal. Allerdings kann ein vorübergehend geringeres Wirtschaftswachstum in Verbindung mit Verhaltensänderungen bei Unternehmen und Konsumenten zu Produktionsausfällen, überflüssigen Anlagen und sektoralen Veränderungen führen, die den Vermögensaufbau privater Haushalte eine gewisse Zeit bremsen könnten. Aufgrund dieser Schocks für die Weltwirtschaft gehen wir davon aus, dass sich das Wachstum des Vermögens privater Haushalte im Laufe des Jahres 2021 bestenfalls langsam von der Pandemie erholen wird. Die Situation innerhalb der Länder verändert sich schnell und es besteht die Aussicht auf viele weitere Überraschungen. Unter den grossen Wirtschaftsnationen dürfte China der klare Gewinner sein.» (Credit Suisse/mc /ps)
Den Global Wealth Report 2020 finden Sie unter:
https://www.credit-suisse.com/ch/de/about-us/research/research-institute.html