Griechenland blickt in den Abgrund

Griechenland

Athen – Mit dem Rücken zur Wand kämpft die griechische Regierung um frisches Geld für ihr akut pleitebedrohtes Land. Ein Sparpaket im Volumen von 78 Milliarden Euro soll den Staatsbankrott noch abwenden. Doch das Werben für das Notprogramm der Regierung verhallte bei der grössten Oppositionspartei am Dienstag ungehört.

Wie die Pläne bei den Menschen ankommen, zeigen die Medien: «Schock und Heidenangst» lautet eine Überschrift, «Die Plünderung eines Volkes» schreibt ein anderes Blatt. Ministerpräsident Giorgos Papandreou forderte am Dienstag die Einwilligung der Parteien des Landes für das Sparprogramm. Doch die grösste Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) stemmt sich dagegen. ND-Präsident Antonis Samaras sagte nach einem Krisentreffen mit Papandreou: «Die Regierung belastet die Wirtschaft mit neuen Steuern und lähmt damit die letzte produktive Kraft des Landes.» Die geplanten Privatisierungen sowie die weitere Verschlankung des Staates begrüsste er hingegen.

Kommunisten rufen Arbeiterklasse «zum Kampf» auf
Der Chef der kleinen rechten Partei Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS), Giorgos Karatzaferis, erklärte: «Die politischen Kräfte müssen zusammen einen Teil der Last tragen.» Beobachter werteten dies auch als ein Votum für eine Koalitionsregierung. Die Kommunistische Partei Griechenlands wollte sich nicht mit Papandreou treffen und rief die Arbeiterklasse «zum Kampf» auf. Die kleinere Partei Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) lehnte das Sparprogramm völlig ab. Ein unabhängiger Abgeordneter hängte vor dem Eingang des Parlamentes in Athen ein Transparent mit dem Spruch auf: «Griechenland wird nicht verkauft.»

Sparschraube nochmals angezogen
Papandreou und sein Ministerrat hatten am Vorabend nach einer Marathonsitzung das Sparprogramm bekanntgegeben. Allein 2011 sollen weitere sechs Milliarden Euro gespart werden, bis Ende 2015 werden zusätzliche 22 Milliarden angepeilt. Die Privatisierung staatlicher Unternehmen und der Verkauf von Immobilien sollen bis 2015 rund 50 Milliarden in die Staatskassen spülen. Lob für die Pläne kam von der EU-Kommission. Mit den zusätzlichen Sparschritten solle das bereits fest vereinbarte Defizitziel für das laufende Jahr von 7,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht werden, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Kommission legte sich mit ihrem Urteil aber nicht endgültig fest. Die Überprüfungskommission mit EU-Experten, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) werde das Sparprogramm in den nächsten Tagen an Ort und Stelle bewerten.

Noch Geld bis Ende Juli
Der griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou machte keinen Hehl daraus, was geschehen könnte, sollte die nächste Tranche der Finanzhilfe in Höhe von zwölf Milliarden Euro nicht kommen: «Wenn das Geld bis Ende Juli nicht kommt, dann müssen wir die Rollläden runtermachen und die Regierung wird nicht mehr zahlen können», sagte er im griechischen Fernsehen. Vor diesem Hintergrund ziehen immer mehr Griechen ihre Spareinlagen bei heimischen Banken ab: Die privaten Geldeinlagen seien von Januar 2010 bis April 2011 um mehr als 31 Milliarden Euro auf 165,5 Milliarden Euro zurückgegangen, teilte die Bank von Griechenland mit. Ein Teil dieser Gelder wird offenbar ins Ausland gebracht: Zöllner berichten, dass in der letzten Zeit wiederholt Menschen mit grossen Geldpaketen im Gepäck bei Stichproben in den Flughäfen von Athen und Thessaloniki erwischt worden seien.

Griechische Banken beschwichtigen
Aus Angst vor einer regelrechten Kapitalflucht hat der Generalsekretär des Verbandes der Banken Griechenlands, Giannis Gortsos, im Fernsehen versichert, die Geldeinlagen der Griechen seien sicher: «Ich kann es Ihnen versichern. Das Geld ist garantiert – egal was unter den jetzigen Umständen passiert», sagte er. Allerdings gelte dies nur bis zu einer Summe von 100.000 Euro, hiess es. Die Gewerkschaften des Landes wollen in den nächsten Tagen umfangreiche Streiks ankündigen. Das neue Sparprogramm soll Anfang Juni vom Parlament gebilligt werden. Die regierenden Sozialisten haben mit 156 abgeordneten die Mehrheit im 300-köpfigen Parlament. Beobachter befürchten aber, dass die Mehrheit der Sozialisten bröckeln könnte. Eine Regierungsumbildung oder sogar vorgezogene Wahlen schliessen Beobachter nicht aus. (awp/mc/ps)

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