Griechenland: Euro-Ausstieg als letztes Mittel?
Giorgos Papandreou, griechischer Ministerpräsident.
Brüssel – Zurück vom Euro zur Drachme: Ein von Griechenland heftig dementierter Ausstieg aus der Gemeinschaftswährung ist bei Volkswirten umstritten. «Der Euro-Austritt wäre das kleinere Übel», sagte der Chef des Münchener ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (FAS).
Die Alternative wären immer neue Hilfen und Rettungskonzepte für das hochverschuldete Land. Andere Ökonomen halten das Ausstiegsszenario für zu gefährlich. Der Chefvolkswirt der Commerzbank bezeichnete dies als ökonomischen Selbstmord.
Geheimtreffen
Nach einem Geheimtreffen hochrangiger Vertreter des Euro-Raums am vergangenen Freitag in Luxemburg sollen am 16. Mai in der EU weitere Massnahmen gegen einen drohenden griechischen Staatsbankrott offiziell diskutiert werden. Die grossen Länder der Euro-Zone hätten «jegliche Umschuldung» Griechenlands bei dem Treffen abgelehnt, sagte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker anschliessend. Die Idee eines Euro-Austritts bezeichnete der Vorsitzende der Euro-Gruppe als «dumm». Griechenlands Finanzminister Giorgos Papakonstantinou betonte, bei dem Treffen sei auch die Variante erörtert worden, dass der EU-Rettungsfonds künftig direkt griechische Staatsanleihen zur Kursstützung kauft. Dies ist neuerdings möglich. Aus Finanzkreisen verlautete, dass auch eine Aufstockung des 110 Milliarden Euro schweren Hilfspakets für Griechenland zur Diskussion steht, dies von Deutschland jedoch abgelehnt wird.
«Austritts-Spekulationen fast schon kriminell»
Ein Bericht von «Spiegel Online», wonach Griechenland die Abschaffung des Euro und die Wiedereinführung einer eigenen Währung als Ausweg aus der Schuldenkrise erwäge, hatte den Kurs der Gemeinschaftswährung am Freitag unter Druck gesetzt. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou bezeichnete solche Spekulationen als «fast schon kriminell». «Kein solches Szenario wurde jemals diskutiert, nicht einmal inoffiziell», sagte Papandreou am Samstag auf einer Konferenz auf der Ionischen Insel Meganisi. Sein Land solle in Ruhe gelassen werden, damit es den eingeschlagenen Spar- und Reformkurs zu Ende führen könne. Wirtschaftsforscher Sinn betonte hingegen: «Wenn Griechenland aus dem Euro austräte, könnte es seine Währung abwerten und wettbewerbsfähig werden.» Sein Kollege Clemens Fuest, Leiter des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums, bestätigte in der FAS, dass diese Möglichkeit zumindest in der Theorie erwogen wird. «Klar, dass das intern neben anderen Szenarien geprüft wird.»
«Ökonomischer Selbstmord»
Der Ökonom von der Universität Oxford hält zunächst einen Schuldenschnitt – also den Verzicht der Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen – für sinnvoll. «Im zweiten Schritt kann man darüber nachdenken, ob Griechenland in der Euro-Zone bleiben will.» Andere Volkswirte warnten in der Tageszeitung «Die Welt» (Montag) vor den Folgen eines Austritts. «Die Wiedereinführung der Drachme wäre für Griechenland ökonomischer Selbstmord», sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer der Zeitung. Sein Kollege Thomas Mayer von der Deutschen Bank befürchtet Ansteckungseffekte etwa in Portugal oder Irland.
«Kein Krisentreffen»
An dem Treffen in Luxemburg hatten neben den Finanzministern aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, und EU-Währungskommissar Olli Rehn teilgenommen. Juncker hatte am Freitag noch zurückweisen lassen, dass es überhaupt eine Zusammenkunft gibt. Am Samstag hiess es dann, dass er zu der informellen Gesprächsrunde mit eingeladen habe. Ein Sprecher von Währungskommissar Rehn betonte, es habe sich nicht um ein «Krisentreffen» gehandelt.
Neues «SOS-Paket»?
Hintergrund für die derzeitige Nervosität sind Erwartungen, dass die Milliardenhilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) nicht ausreichen, um Griechenland dauerhaft vor einer Staatspleite zu bewahren. Die Debatte dreht sich Beobachtern zufolge auch um die Auflagen für die nächste Tranche aus dem Hilfspaket und eine mögliche Verlängerung von Rückzahlungsfristen. Die Athener Zeitung «Ta Nea» berichtete am Samstag von einem «neuen SOS-Paket», das am 16. Mai bei der nächsten Zusammenkunft der Euro-Finanzminister beschlossen werden könnte.
Nur jeder fünfte Deutsche hält Hilfen für richtig
Nur jeder fünfte Deutsche hält ein Jahr nach den ersten Milliardenkrediten für Griechenland die Hilfen für sinnvoll. Das ergab eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK für die «Welt am Sonntag». Fast jeder zweite (47 Prozent) der Befragten bezeichnete die Massnahmen hingegen als falsch. Am 7. Mai 2010 hatten Bundestag und Bundesrat im Eilverfahren deutsche Kredithilfen für Athen von bis zu 22,4 Milliarden Euro gebilligt. Sie sind Teil des internationalen Hilfspakets. (awp/mc/ps)