Athen – Ist es wirklich geschafft? Nach acht harten Jahren, nach unendlichen Nachtsitzungen und bitterem Streit und Zerreissproben für die Eurozone soll nun tatsächlich die letzte Rate aus dem (mutmasslich) letzten Rettungsprogramm für Griechenland freigegeben werden. An diesem Donnerstag feilschen die Euro-Finanzminister noch einmal ums Kleingedruckte, um Bedingungen und Auflagen für die neuen Milliarden aus dem Rettungsschirm ESM – Nachtsitzung nicht ausgeschlossen. In der Sache aber gibt man sich zuversichtlich: «Es ist Zeit, dass Griechenland auf eigenen Füssen steht», sagt EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici.
Die unendliche Geschichte
Knapp 274 Milliarden Euro an Hilfskrediten hat Griechenland von seinen internationalen Geldgebern erhalten, seit dem völlig überschuldete Euro-Land der Staatsbankrott drohte. Im Mai 2010 beschlossen die europäischen Partner und der Internationale Währungsfonds ein erstes Hilfsprogramm im Wert von 110 Milliarden Euro. Die Kredite wurden auf die Schnelle direkt von den Mitgliedstaaten der Eurozone vergeben. Fieberhaft stampften die Gläubiger dann den vorläufigen Rettungsschirm EFSF aus dem Boden und setzten ein zweites Hilfsprogramm von knapp 174 Milliarden Euro auf. Dann die Gründung des permanenten Rettungsschirms ESM und im Juli 2015 das dritte Programm mit bis zu 86 Milliarden Euro. Die Summen wurden jeweils nicht ausgeschöpft, auch das laufende Programm ist kurz vor seinem Ende im August noch längst nicht am Limit. Knapp 49,5 Milliarden Euro flossen bisher.
Troika und «Spardiktat»
Für die Hilfen mussten die Regierungen in Athen jeweils harte Sparprogramme und Strukturreformen durchsetzen. Rentenkürzungen, Lohnkürzungen, Steuererhöhungen, Umbau der Verwaltung – Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit gepaart mit Ausgabenkürzungen brachten viele Griechen in Not und das politische System in Athen ins Wanken. Der linke Ministerpräsident Alexis Tsipras probte 2015 den Aufstand gegen die sogenannten Troika der Geldgeberinstitutionen, drehte dann aber kurz vor dem Ausscheiden aus dem Euro bei. In den vergangenen drei Jahren beschloss seine Regierung nach Angaben der EU-Kommission auf Druck der Gläubiger 450 Einzelmassnahmen zur Sanierung des Haushalts und des Staatswesens. Nun lobt Moscovici die Erfolge: 1,4 Prozent Wirtschaftswachstum 2017, 1,9 Prozent geschätzt in diesem Jahr. Ein Haushaltsüberschuss von 0,8 Prozent, ohne Schuldendienst sogar 4,2 Prozent. «Griechenland hat einen langen Weg zurückgelegt», weiss Moscovici. Aber: «Sind alle Probleme des Landes gelöst? Natürlich nicht.»
Die letzte Etappe
Genau diese immer noch wacklige Gesundung des Patienten ist auch der Ausgangspunkt für die abermals schwierigen Debatten der Eurogruppe vor Freigabe der letzten Rate. Griechenland soll sich ab August wieder am Kapitalmarkt finanzieren und braucht dafür das Vertrauen der Anleger, dass es nun alleine aus dem Schlamassel herausfindet. Bei einer Schuldenlast von knapp 180 Prozent der Wirtschaftsleistung ist der Bedarf an Vertrauen reichlich. Die Euro-Partner wollen deshalb weiter eine engmaschige Überwachung der griechischen Reformprogramme – immerhin stehen gigantische Milliardensummen im Feuer. Gleichzeitig erwägen sie eine Art Mitgift: ein Finanzpolster, das den Schuldendienst des Landes für die nächsten Monate oder gar Jahre absichert. Statt der ursprünglich erwogenen Auszahlung von 11,7 Milliarden Euro könnte es deshalb zum Abschluss des Programms um eine spürbar höhere Summe gehen. Wie hoch sie letztlich ausfällt, hängt von einem zweiten Element des Pakets ab: Schuldenerleichterungen.
Die Sache mit dem IWF
Dabei geht es nicht um einen Schuldenschnitt, sondern um erleichterte Kreditbedingungen. Zur Debatte standen zuletzt eine Streckung von Zahlungsfristen um bis zu 15 Jahre oder der Austausch teurer alter Kredite gegen preiswertere Darlehen aus dem ESM. Allerdings zeigte sich unter anderen Deutschland immer wieder skeptisch gegenüber solchen Erleichterungen. Der Internationale Währungsfonds machte sie indes zur Bedingung für eine finanzielle Beteiligung am dritten Rettungsprogramm. Diese ist nach Darstellung von EU-Diplomaten inzwischen vom Tisch – entgegen anderslautenden Zusagen der Bundesregierung an den Bundestag. «Das ist schade», sagte ein hoher EU-Beamter dieser Tage. Man tröstet sich damit, dass der IWF als harter Buchprüfer das Programm mit zum Erfolg geführt habe.
Deutschland macht 2,9 Milliarden Gewinn mit Griechenland-Hilfe
Dabei gehört Deutschland zu den grossen Profiteuren der Milliardenhilfen zur Rettung Griechenlands. Es hat seit 2010 rund 2,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen verdient. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Der Regierungsantwort zufolge gab es seit 2010 vor allem Gewinne aus Ankäufen griechischer Staatsanleihen im Rahmen des «Securities Market Programme» (SMP) der Europäischen Zentralbank (EZB), die bei der Bundesbank anfielen und dem Bundeshaushalt überwiesen wurden.
Bis 2017 seien bei der Bundesbank 3,4 Milliarden Euro an Zinsgewinnen aus den SMP-Käufen erzielt worden, hiess es. Nur 2013 und 2014 seien Gewinne abgeführt worden an den Euro-Rettungsfonds ESM und an Griechenland, was unterm Strich einen verbleibenden Gewinn von rund 2,5 Milliarden Euro bedeutet. Hinzu kommen Zinsgewinne von 400 Millionen Euro aus einem Darlehen der Staatsbank KfW. (awp/mc/pg)