Grimaldi & Partners: Ist der Anstieg der Teuerungsraten nur ein vorübergehendes Phänomen?
Zürich – Die deutlichen Anstiege der an Konsumentenpreisindizes gemessenen Teuerungsraten in den letzten Monaten – vor allem in den USA, D, GB sowie in einigen anderen Währungsräumen – haben verständlicherweise Inflationsängste geweckt. In der Euro-Zone insgesamt war allerdings der Anstieg des Konsumentenpreisindex nur halb so hoch wie in D, in der Schweiz ist er sogar noch kaum spürbar. Sind die Inflationssorgen gerechtfertigt? Silvano Grimaldi, CEO der unabhängigen Vermögensverwaltung Grimaldi & Partners AG, gibt Ihnen Antwort.
Anleger fragen sich nun, ob diese Teuerungsanstiege den Beginn weit verbreiteter inflationärer Prozesse markieren? Der weitere Verlauf der Teuerungsentwicklungen wird von Finanzmarktakteuren und Ökonomen zurzeit noch recht unterschiedlich eingeschätzt. Die Notenbanken gehen jedoch überwiegend davon aus, dass vor allem statistische Basiseffekte zusammen mit gewissen Sondereffekten (z.B. Kapazitäts- und Lieferengpässe, gestiegenen Frachtkosten aufgrund fehlender Transportkapazitäten, Veränderungen verschiedener Steuer- und Abgabensätze, usw.) lediglich zu temporären Überzeichnungen der Teuerungsentwicklungen geführt haben und deshalb auch keine raschen Umsteuerungen der Geldpolitiken erforderlich sind.
Diese Basis- und Sondereffekte werden mit Sicherheit nach und nach auslaufen. Die US-Notenbank und die EZB rechnen deshalb bereits für 2022 mit deutlichen Rückgängen der Konsumentenpreisindizes. Es gibt aber einige strukturelle Einflussfaktoren – wie anhaltend expansive Geld- und Fiskalpolitiken sowie der weltweit zunehmende Protektionismus und die Abschwächung der Preisanstieg dämpfenden Globalisierung – die durchaus dazu führen können, dass die Teuerungsraten im kommenden Jahr und zumindest auch mittelfristig etwas höher als vor Ausbruch der Pandemie sein werden. Auch Zweitrundeneffekte (z.B. höhere Lohnforderungen aufgrund der gestiegenen Teuerungsraten bei sich wieder besserenden Arbeitsmarktverhältnissen, höhere sich früher oder später in den Konsumentenpreisindizes niederschlagende Erzeugerpreise) sind nicht völlig auszuschliessen.
Mit entscheidend für solche Zweitrundeneffekte wird die Entwicklung der Inflationserwartungen sein, die vor allem in den USA bereits angestiegen sind. Dennoch verzichtet die US-Notenbank, trotz der an sich guten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, aufgrund der noch nicht befriedigenden Beschäftigungsentwicklung und ein eventuell auf Varianten des Corona-Virus zurückgehendes erneutes Wachstumsrisiko, vorerst auf eine Straffung der Geldpolitik. Die Inflationserwartungen in der Euro-Zone haben sich aber bislang kaum verändert. Von der EZB kommen daher ebenfalls noch keine Signale, dass schon in naher Zukunft ein geldpolitischer Kurswechsel vorgenommen wird. Offensichtlich wird nach wie vor davon ausgegangen, dass die Zielgrösse für die Teuerungsraten in der Euro-Zone mittelfristig eingehalten werden kann. Eine Expansion der Geldmengen ist ja nur eine notwendige und noch keine hinreichende Bedingung für sich akzentuierende Teuerungsraten.
Die Leitzinssätze in den wichtigen Währungsräumen – die ohnehin langfristige Zinssätze nur beeinflussen, aber nicht bestimmen – werden sich deshalb im nächsten Jahr nicht entscheidend verändern. Die tiefen Zinssätze drücken zwar die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen, erleichtern aber nicht nur die Bedienung der weltweit angestiegenen Staatsschulden, sondern begünstigen insbesondere die Kursentwicklung der auf künftige Gewinne hoffenden Wachstumswerte (z.B. Tech-Aktien).
Fazit: Das Umfeld für Aktien bleibt positiv
Die in den kommenden Quartalen zu erwartenden schwächeren Jahresveränderungsraten der BIP und Unternehmensgewinne könnten so interpretiert werden, dass der Höhepunkt der Wachstumsdynamik bereits überschritten ist. Die Quartals- oder Monatsveränderungen zeigen jedoch, dass sich die konjunkturellen Erholungsprozesse zunächst fortsetzen. Das Umfeld für Aktien wird deshalb positiv bleiben, auch wenn immer das Risiko besteht, dass sich die Kurse vorübergehend hin und wieder abschwächen. Dank der guten Entwicklung der Unternehmensgewinne ist die für viele Aktien zu registrierende hohe Bewertung gut vertretbar. Allerdings sind für US-Aktien diesbezüglich gewisse Vorbehalte zu machen, obwohl die KVGs der Nasdaq und des S&P-500 seit Anfang des Jahres etwas zurückgegangen sind. Sie liegen immer noch deutlich über den Werten früherer Jahre. Dennoch bleiben die Aktienanlagen weiterhin die beste Alternative, um in der kommenden Zeit eine vernünftige Kapitalrendite zu erzielen!