GRIMALDI & PARTNERS: Rezessionssorgen verunsichern die Anleger. Ist die Hausse an den Aktienmärkten vorbei?
Zürich – Werden die Zinsanstiege der letzten Jahre zu einer starken Rezession führen? Oder ist eine sanfte Landung der Konjunktur (soft landing) zu erwarten? Wie sollen Anleger mit diesen Unsicherheiten umgehen? Silvano Grimaldi, CEO der unabhängigen Vermögensverwaltung Grimaldi & Partners AG, gibt Ihnen Antworten auf diese Fragen.
Rezessionen oder Sanfte Landung?
Die Veröffentlichung der Nonfarm Payrolls in den USA für den vergangenen Monat August, die die Anzahl der neuen Arbeitsstellen ausserhalb der Landwirtschaft misst, zeigte zwar einen Anstieg gegenüber dem Vormonat. Dieser Zuwachs lag jedoch unter den Markterwartungen. Dies hat einen Sell-off an den internationalen Börsen ausgelöst. Diese Reaktion dürfte eine Überreaktion sein, denn das allgemeine US-Konjunkturbild ist positiv zu werten:
- Die US-Arbeitslosenquote ist im August auf 4,2 % gefallen, und der Arbeitsmarkt zeigt sich allgemein widerstandsfähig.
- Die Arbeitsproduktivität ist im laufenden Jahr weiterhin gestiegen.
- Die Inflation ist rückläufig, und die Konjunkturdaten fallen meistens positiv aus.
Für eine starke Rezession müssten die Arbeitslosenzahlen anhaltend stark ansteigen, was zurzeit in den USA nicht der Fall ist. Dass die Arbeitsproduktivität kontinuierlich wächst, ist von zentraler Bedeutung, denn selbst wenn das Stellenwachstum sich etwas verlangsamt, kann dieser Effekt mit steigender Produktivität mehr als kompensiert werden. Dies wird dadurch belegt, dass das US-BIP 2024 weiterhin eine steigende Tendenz aufweist. In den USA ist daher, trotz etwas enttäuschender NFP-Arbeitsmarktdaten, insgesamt mit einer sanften Landung der Konjunktur zu rechnen.
Wie auf aktuelle Volatilität reagieren?
Die erwartete Lockerung der US-Geldpolitik mit den anstehenden Leitzinssenkungen wirkt wie eine Put-Option (Kursabsicherung) für die Aktienkurse. Die damit verbundenen niedrigeren Zinsen bzw. die Normalisierung der Zinsen werden die Konjunktur beleben und die relative Attraktivität von Aktienanlagen erhöhen. Daher ist trotz der aktuell eher durchwachsenen Aktienmarktstimmung, der bekannten negativen Saisonalität im September und der Beruhigung der Euphorie um das Thema KI bald mit einer Rückkehr des Anlegervertrauens zu rechnen, sobald sich in den realwirtschaftlichen Daten bestätigt, dass die befürchtete starke Rezession ausbleibt.
Bezüglich der US-Präsidentschaftswahlen dürfte sich die Aktienmarktvolatilität, die aufgrund der aktuellen Unklarheit über den Wahlausgang besteht, allmählich reduzieren, je näher der Wahltermin rückt. Steht nach dem 5. November der Sieger bzw. die Siegerin fest, unabhängig davon, welcher der beiden Kandidaten gewinnt, könnte der Weg für eine Aktienmarktrallye zum Jahresende frei sein.
Daher sollten Anleger am besten Ruhe bewahren und entweder abwarten oder Kursrückgänge nutzen, um Aktienpositionen aufzubauen («buy the dips»), falls sie bisher noch nicht investiert sind.
Fazit: Safte Landung gleich dosiert Aktien aufstocken
Der Aktienausverkauf in der ersten Septemberwoche, mit den höchsten Wochenverlusten für den Dow Jones Industrial Average (DJIA) seit 2022, erscheint ungerechtfertigt, wenn eine sanfte Landung der Konjunktur in den USA zu erwarten ist. Dadurch sind einige Aktien von führenden Unternehmen im Tech-Sektor nun dank des Sell-offs günstiger zu haben. Auch zyklische Industrieaktien dürften von fallenden Zinsen positiv beeinflusst werden. Somit ist nach der Sommerpause eine Wiederaufnahme des Aufwärtstrends an den Aktienbörsen zu erwarten. Anleger, die davon profitieren möchten, sollten jetzt schrittweise Aktien im Tech- und Industriesektor aufstocken, die stark abgestraft wurden, gemäss dem bekannten Anlegerprinzip «buy when there’s blood in the streets».