Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder
Bundesanwalt Michael Lauber.
Düsseldorf/Bern – Die Schweizer Justiz ermittelt gegen deutsche Steuerfahnder wegen Wirtschaftsspionage. Ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen hat am Wochenende hohe Wellen geschlagen: Die deutsche Opposition ist empört – und beharrt vehement auf ein Einlenken der Schweiz im Steuerstreit. Konkret geht es um den Kauf einer CD mit Daten von deutschen Kunden der Credit Suisse. Sie enthielt Informationen über 1,34 Mrd EUR an unversteuertem Vermögen. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) hatte 2010 rund 2,5 Mio EUR für die Disc ausgegeben.
Die Schweizer Justiz ermittelte in der Folge in diesem Fall. Ein ehemaliger Credit-Suisse-Angestellter wurde im vergangenen Dezember unter anderem wegen Verletzung des Bankgeheimnisses und Wirtschaftsspionage schuldig gesprochen. Ein österreichischer Mittelsmann, der den Deal mit NRW eingefädelt haben soll, hatte sich kurz nach der Verhaftung in seiner Zelle erhängt.
Drei Steuerbeamte verdächtigt
Für die Bundesanwaltschaft (BA) ist der Fall damit nicht abgeschlossen. Die BA untersuche den Sachverhalt weiter, teilte BA-Sprecherin Jeannette Balmer am Samstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda mit. Sie bestätigte damit einen vorab veröffentlichten Bericht der Zeitung «Bild am Sonntag». Es bestehe der «konkrete Verdacht, dass von Deutschland aus konkrete Aufträge zum Ausspionieren von Informationen der CS erteilt wurden», schrieb Balmer.
Wie deutsche Medien übereinstimmend berichteten, stehen drei Beamte des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums unter Verdacht, den Ankauf der Steuersünder-CD mit ausgehandelt zu haben. Ihnen drohe bei einer Einreise in die Schweiz die Verhaftung. Die BA hat gemäss Balmer bei den deutschen Behörden um Rechtshilfe ersucht. Einzelheiten zum laufenden Verfahren könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt gegeben werden.
«Absolut unpolitisch»
Der Vorstoss der BA kommt an einem heiklen Zeitpunkt: Die Schweiz und Deutschland verhandeln über ein Abkommen, das die Versteuerung von Geldern deutscher Bankkunden auf Schweizer Konten regeln soll. Von deutscher Seite könnten die Ermittlungen der Schweizer Justiz als Druckmittel betrachtet werden. Bundesanwalt Michael Lauber distanzierte sich im Schweizer Radio DRS von einer solchen Betrachtungsweise. Er unterstrich die Unabhängigkeit seiner Behörde und sagte, die Arbeiten der BA seien «absolut unpolitisch» und liefen «vollkommen unabhängig von irgendwelchen politischen Fragen im momentanen Gesamtumfeld».
Die Frage, ob die BA das Vorgehen gegen die deutschen Finanzbeamten mit dem Bundesrat abgesprochen habe, beantwortete Lauber ausweichend. Er sagte aber verallgemeinernd, dass bei Fällen von Wirtschaftsspionage eine «enge, gute Kultur» mit der Regierung gepflegt werde.
Innenpolitischer Streit in Deutschland verschärft
In Deutschland verschärfte sich wegen der BA-Ermittlungen der innenpolitische Streit um das Steuerabkommen mit der Schweiz. Während die Regierungskoalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine rasche Einigung pocht, verlangt die Opposition eine härtere Gangart gegenüber der Schweiz. Mit Erfolg: Die Schweiz und Deutschland hatten sich bereits im August 2011 auf ein Steuerabkommen geeinigt. Die deutschen Oppositionsparteien SPD und Grüne – die in der Länderkammer die Mehrheit haben – stellten sich im Parlament quer. Sie sagen, mit dem Abkommen würden die Steuersünder zu gut wegkommen.
Widerstand der Opposition
Entsprechend empört reagierten Oppositions-Vertreter auf die Ermittlungen gegen die deutschen Steuerfahnder. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore Kraft, sagte der «Bild am Sonntag», die Steuerfahnder hätten «nur ihre Pflicht getan» und äusserte massive Kritik am geplanten Steuerabkommen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte beim NRW-Landesparteitag, die Bundesregierung wolle mit dem Abkommen «gegen ein bisschen Geld» Steuerhinterziehung in Zukunft legitimieren. Und der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin forderte im Bundestag, das Steuerabkommen nicht abzuschliessen.
Schäuble: Tangiert Steuerabkommen nicht
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble von der christdemokratischen CDU zeigte hingegen Verständnis für das Vorgehen der Schweiz. Die Schweiz sei ein Rechtsstaat, in dem die Verletzung des Bankgeheimnisses mit Strafe geahndet werde. Das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz sei deshalb durch die Haftbefehle «gar nicht» betroffen. Schäuble wies darauf hin, dass mit dem geplanten Abkommen solche Strafverfolgungen verhindert werden könnten. (awp/mc/ps)