Ulrich Wallin, Vorstandsvorsitzender Hannover Rück.
Hannover – Eine dicke Steuergutschrift hat beim weltweit drittgrössten Rückversicherer Hannover Rück die Katastrophenlasten des ersten Halbjahrs abgefedert. Trotz Erdbeben, Tsunami, Überschwemmungen und hunderter Tornados stand unter dem Strich zur Jahresmitte ein Überschuss von rund 219 Millionen Euro, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. Die griechische Schuldenkrise mussten die Hannoveraner kaum fürchten: Von den Staatsanleihen des Schuldenstaates haben sie sich längst getrennt.
Für das Gesamtjahr peilt Vorstandschef Ulrich Wallin weiterhin einen Überschuss von 500 Millionen Euro an. Die Hannover-Rück-Aktie reagierte mit einem deutlichen Kursrutsch auf die Nachrichten. Mit einem Minus von 3,24 Prozent auf 31,22 Euro gehörte sie zuletzt zu den Schlusslichtern im ohnehin schwachen MDax. Während das operative Geschäft die Erwartungen der Analysten enttäuschte, übertraf der Nettogewinn dank positiver Steuereffekte die Prognosen. Allein ein Urteil des Bundesfinanzhofs trug zum Überschuss 124 Millionen Euro bei. Trotzdem verdiente die Hannover Rück unter dem Strich 30 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Im zweiten Quartal ging es im Jahresvergleich um vier Prozent nach oben.
Teure Tornardos
Im ersten Quartal hatten das Erdbeben und der Tsunami in Japan, das Beben in Neuseeland und die Überschwemmungen in Australien die Hannover Rück fast in die roten Zahlen getrieben. Im April und Mai schlug die Tornado-Serien in den USA nun mit 35 Millionen Euro zu Buche. Zwischen Januar und Juni hatte der Rückversicherer mit 625 Millionen Euro anderthalbmal so teure Grossschäden zu schultern wie ein Jahr zuvor. Der operative Gewinn ging überraschend stark um die Hälfte auf 247 Millionen Euro zurück. Laut Finanzvorstand Roland Vogel machten sich dabei negative Währungseffekte und Aufwendungen für Berufsunfähigkeitsversicherungen in Australien negativ bemerkbar.
Beiträge reichen wieder aus
In der Schaden- und Unfall-Rückversicherung reichten die Beitragseinnahmen im zweiten Quartal wieder aus, um die Aufwendungen für Schäden und Verwaltung zu decken. Experten hatten hingegen mit einem besseren Abschneiden gerechnet. Auf das erste Halbjahr gesehen lag die kombinierte Schaden-Kosten-Quote wegen der immensen Lasten aus dem ersten Quartal mit 110,3 Prozent noch immer weit über der kritischen 100-Prozent-Schwelle. Während der weltgrösste Rückversicherer Munich Re wegen der Griechenland-Krise immense Abschreibungen verbuchen musste, blieb die Hannover Rück davon verschont. Griechische Staatsanleihen hat das Unternehmen nicht im Bestand. In Anleihen der übrigen sogenannten PIIGS-Staaten haben die Hannoveraner 254 Millionen Euro angelegt. «Das entspricht knapp einem Prozent unserer gesamten Kapitalanlagen», sagte Finanzchef Vogel. Den grössten Anteil stelle Spanien mit 166 Millionen Euro.
Milliarden in US-Staatsanleihen
In Staatspapiere der USA hat die Hannover Rück hingegen rund 2,3 Milliarden Euro gesteckt. Dass die Rating-Agentur Standard & Poor`s die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten auf «AA+» herabgestuft hat, trifft die Hannover Rück laut Vogel allerdings kaum: «Üblicherweise halten wir unsere Kapitalanlagen bis zum Auslauf, so dass die konkreten Auswirkungen dieser Abstufung für uns sehr übersichtlich sind.» Volkswirtschaftlich gesehen, müsse man jedoch abwarten, wie die Rating-Entscheidung aufgenommen werde.
Prämien der Schadenversicherung steigern
Die Ballung der Naturkatastrophen schlägt sich der Hannover Rück zufolge auch in steigenden Prämien in der Schadenversicherung nieder. Bei der Erneuerung der Rückversicherungsverträge zum Juni und Juli seien die Preise vor allem in der Sachversicherung gestiegen. «Wir gehen davon aus, dass diese Tendenz im zweiten Halbjahr 2011 anhalten wird», sagte Vorstandschef Wallin. Die Hannover Rück baut ihr Geschäft unterdessen weiter aus: Die verdienten Nettoprämien wuchsen im ersten Halbjahr um sieben Prozent auf 5,1 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr soll das Plus sieben bis acht Prozent erreichen.
Noch fast 300 Mio für Grossschäden
Für den Rest des Jahres hat die Hannover Rück noch 295 Millionen Euro für Grossschäden vorgesehen. «Wenn wir eine milde Hurrikan-Saison sehen und von europäischen Winterstürmen völlig verschont bleiben, wird der Konkurrenzdruck zum Jahresende wieder stark werden», sagte Finanzchef Vogel. Werde das Budget allerdings ausgeschöpft, erwarte er auch hierzulande steigende Preise. Anfang Juli machte sich bereits ein Sommersturm in Dänemark in der Kasse bemerkbar: Die Hannover Rück erwartet dadurch eine Nettobelastung von rund fünf Millionen Euro. (awp/mc/ps)