Hausdurchsuchung bei der HSBC Private Bank in Genf
Genf – Nach den «Swissleaks»-Enthüllungen um die Schweizer Tochter der britischen Grossbank HSBC hat die Genfer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen qualifizierter Geldwäscherei eröffnet. Am Mittwochmorgen wurde zudem das Haus der Bank in Genf durchsucht.
Unter der Leitung des Genfer Generalstaatsanwalts Olivier Jornot und dem ersten Staatsanwalts Yves Bertossa kam es am Sitz der HSBC Private Bank (Suisse) SA am rechten Rhoneufer mitten im Genfer Stadtzentrum zu einer Hausdurchsuchung. Das Verfahren wegen qualifizierter Geldwäscherei richte sich gegen die Bank selber sowie gegen Unbekannt, teilte die Genfer Staatsanwaltschaft mit. Es könne auch auf natürliche Personen ausgeweitet werden, die im Verdacht stünden, Geldwäscherei begangen oder daran teilgenommen zu haben.
Waffenhändler und Diktatoren bei der Steuerhinterziehung geholfen
Die Genfer Justiz reagiert damit auf die Enthüllungen des internationalen Recherchenetzwerks ICIJ, welche seit anderthalb Wochen in europäischen Medien veröffentlicht werden. Die Journalisten stützen sich auf die 2007 vom HSBC-Angestellten Hervé Falciani gestohlenen Daten zu mehr als 100’000 Kunden, welche er den französischen Steuerbehörden übergeben hatte. In den Berichten wurde der Schweizer Tochter der HSBC vorgeworfen, die Wohlabenden aus aller Welt bei Steuerhinterziehung und Geldwäscherei geholfen zu haben. Davon hätten Schauspieler, Sportler und Musiker, aber auch Industrielle, Waffenhändler und Diktatoren profitiert.
HSBC entschuldigt sich
Erst am Sonntag hatte sich die HSBC in den britischen Zeitungen mit ganzseitigen Anzeigen für die Geschäftspraxis der Schweizer Tochter entschuldigt. Sie betonte zugleich, dass die Mehrheit der 140 in den Medienberichten genannten Personen mittlerweile nicht mehr Kunden bei der Bank seien.
Die HSBC Private Bank (Suisse) SA teilte am Mittwoch mit, dass man kontinuierlich mit den Schweizer Behörden zusammengearbeitet habe, seit man sich 2008 des Datendiebstahls bewusst geworden sei. Diese Zusammenarbeit werde fortgeführt. Dennoch droht der Genfer Tochter der HSBC nun allenfalls ein Gerichtsverfahren. Die Ermittlungen der Genfer Justiz richten sich gegen die Bank selbst.
Unternehmen selbst im Visier
Die Genfer Staatsanwaltschaft stützt sich dabei auf den Artikel 102 des Schweizerischen Strafgesetzbuches, wonach ein Verbrechen dem Unternehmen zugerechnet werden kann, sofern die Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner natürlichen Person zugerechnet werden kann. Das Unternehmen kann zudem gemäss Strafgesetzbuch unabhängig von der Strafbarkeit natürlicher Personen bestraft werden, wenn ihm vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern.
Mehrere Schweizer Persönlichkeiten, darunter der ehemalige Tessiner Staatsanwalt Dick Marty sowie alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hatten in der vergangenen Woche eine Strafuntersuchung gegen die Bank wegen dringendem Verdacht auf Geldwäscherei gefordert.
Ermittlungen in anderen Ländern
Neben den Ermittlungen in Genf steht die HSBC auch in Frankreich unter Druck. Die französischen Untersuchungsrichter schlossen am Montag ihre Ermittlungen zu Schwarzgeldkonten der Bank ab. Die Ermittlungen zur Rolle des Mutterhauses mit Sitz in London dauern noch an, wie es aus Paris hiess. Erst später entscheidet sich, ob die HSBC in Frankreich vor Gericht muss. Auch in Belgien laufen Ermittlungen gegen die Bank.
Die Behörden verdächtigen die HSBC, in Belgien Diamantenhändlern und anderen reichen Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. Auch der deutsche Vize-Kanzler Sigmar Gabriel forderte in Deutschland Ermittlungen gegen das Bankinstitut.
Im Zuge der «Swissleaks»-Affäre haben zudem auch britische Abgeordnete eine Untersuchung angekündigt. In den Datensätzen befinden sich offenbar auch fast 7000 Namen von Kunden in Grossbritannien. (awp/mc/pg)