Von Martin Raab , Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch
Jüngste Übernahmewellen bringen die einst lethargische Telekombranche in Schwung. Der Marktumbruch in Europa bietet für Anleger vielfältige Chancen. Welche Strukturierte Produkte jetzt den richtigen Anschluss bieten.
Von vielen Anlegern unbemerkt, bahnt sich im europäischen Telekom-Sektor Grosses an. Der jüngste Weckruf erfolgte am 2. Juli: An diesem Tag kam die offizielle Zustimmung der EU-Kommission für die EUR 8,55 Mrd. schwere Übernahme der niederländischen KPN-Tochter E-Plus durch die Käuferin Telefónica Deutschland und ihrer Marke O2. Die monatelange Ungewissheit hat damit ein Ende. In Europas grösstem Telekommunikationsmarkt Deutschland ist die Konsolidierung damit deutlich sichtbar geworden. Grosse Kurszuwächse verzeichnete nach Bekanntwerden des Mega-Deals KPN/Telefónica der deutsche Reseller Drillisch. Das Unternehmen erhält in den kommenden fünf Jahren 20% der Netzkapazität von Telefónica überlassen. Parallel zur Breaking News im deutschen Markt haussieren jetzt Merger&Acquisition-Berater mit neuen Szenarien für Europas Telekommunikationsbranche in den Vorstandsetagen. Die Rahmenbedingungen u.a. dank neuer Kauflaune innerhalb der Boards und tiefer Zinsen zur Deal-Finanzierung für eine fortgesetzte Konsolidierung sind nahezu perfekt. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013 hat sich die M&A-Aktivität im Telco-Sektor im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits mehr als verdreifacht (siehe Grafik).
Zunehmend bullische Stimmung
Institutionelle Investoren mit Fokus Telekommunikation akkumulieren bereits seit vielen Monaten entsprechende Aktien. Eindrücklichster Beweis ist das Branchenbarometer EUROSTOXX Telecommunications Index. Nach langer Kursschwäche verzeichnete der Index in den vergangenen zwölf Monaten ein Plus von mehr als 40% und markierte sogar ein Zwei-Jahres-Hoch. Grosse Hoffnungen basieren auf der sich jetzt abzeichnenden Neuordnung in Europas Telekommunikationsmarkt. Da in der überwiegend gesättigten Branche hohes Wachstum aus eigener Kraft nur noch schwer möglich ist, versuchen die Konzerne mit Übernahmen einerseits den harten Wettkampf zu entschärfen, andererseits Marktanteile zu gewinnen. Parallel schaffen es die europäischen Telekom-Anbieter aber dennoch, mittels spezieller Paket-Angebote – Festnetz, Internet und Mobilfunk – den Endkunden stärker an sich zu binden und den ungebremst grossen Hunger nach schnellem LTE-Mobilfunk und VDSL-Internetverkehr sowie Flat-Rates für Sprachtelefonie gekonnt als Umsatzbringer für sich zu nutzen. Die früher eher isolierten Geschäftsbereiche Festnetz, Internet und Mobilfunk verschmelzen zunehmend.
Mergermania in Frankreich
Paradebeispiel für die Angebotskonsolidierung ist auch Frankreich. Hier lieferten sich Bouygues und Numericable einen heissen Kampf um den zweitgrössten Mobilfunkanbieter des Landes, Virgin Mobile France. Die britische Carphone Warehouse und die Virgin Group von Milliardär Richard Branson haben vereinbart, ihr Joint Venture für CHF 390 Mio. an Numericable zu verkaufen. Einzig das O.K. der Wettbewerbsbehörde steht noch aus. Der Deal kommt nur zwei Monate nachdem Numericable die Übernahme des Mobilfunkanbieter SFR aus dem französischen Mischkonzern Vivendi für rund 17 Milliarden Euro verkündet hat – nach einem langwierigen und erbitterten Kampf mit dem rivalisierenden Bieter Bouygues. Vision von Numericable des französisch-israelischen Unternehmers Patrick Drahi ist, ein nationaler Komplettanbieter für Fernsehen, Telefon und Internet zu werden. Der Aktienkurs von Numericable hat sich seit April bereits fast verdoppelt, die Anleger teilen die Vision. Jüngstes Gerücht: Der französische Telekom-Branchenprimus Orange soll die Übernahme des Rivalen Bouygues planen. So sollen die Investmentbanken Lazard und Credit Suisse beauftragt worden sein, einen möglichen Milliarden-Deal auszuloten.
«Die früher isolierten Geschäftsbereiche Festnetz, Internet und Mobilfunk verschmelzen.»
Austria-Mexico Connection will mehr
Das wäre aber nur ein neuer Deal unter vielen. Auch in Europas Osten glühen die Drähte für Übernahmen. Bei Telekom Austria (TA) möchte der mexikanische Milliardär Carlos Slim über seine America Movil an der «Neuordnung» des europäischen Telekom-Marktes aktiv mitwirken. Die Österreicher sind gerade dabei, ihre Expansion Richtung Osteuropa voranzutreiben und Slim möchte diesen Umstand für sich nutzen. Seit wenigen Wochen ist Slim ein erster Schritt gelungen: Er sitzt mit der staatlichen ÖIAG im selben Aktionärsboot und hält 55% der Stimmen. Schrittweise will er sich den Rest holen. An der Wiener Börse haben die Valoren von TA bereits etwas angezogen, dank Slims Übernahmeangebot. Unterdessen hat TA Ende Juni den mazedonischen Kabelfernsehanbieter Blizoo für einen zweistelligen Euro-Betrag vom schwedischen Private Equity Haus EQT gekauft. Eine Portfolioergänzung, die genau in die Strategie von Carlos Slim passt. Negativüberraschung: TA musste vor wenigen Wochen einen Abschreiber auf Mobiltel Bulgaria verdauen. Die Österreicher haben dort EUR 400 Mio. zu berichtigen.
Powerplay in Italien
Weitere Fusionen bahnen sich möglicherweise in unmittelbarer, adriatischer Nachbarschaft an. Angeblich planen Hutchison Whampoa («3G Italia») und die russische Vimpelcom («Wind Italia»), ihre italienischen Mobilfunk-Töchter miteinander zu verschmelzen. Das beflügelt die Valoren von Telecom Italia. Insider erwarten, die Nummer eins wird auf absehbare Zeit ebenfalls von der Konsolidierungswelle erfasst werden. Die Aktie schickt sich an, nach einer dreijährigen Abstinenz wieder den EUR 1-Bereich nachhaltig zu erklimmen. Für die Analysten von Goldman Sachs sind die aktuellen Ereignisse am Telekom-Markt Anlass genug, um den Sektor einer Neubewertung zu unterziehen. Die Investmentbank sieht den langfristigen Wachstumsausblick intakt. Im Zuge der Neuanalyse stufen die Analysten die Aktien von Telecom Italia auf «Conviction Buy» hoch.
Grosse Pläne der Swisscom
Auch Swisscom möchte über Zukäufe expandieren — und gleichzeitig das Portfolio diversifizieren. Bis zu CHF 1,7 Mrd. könnte Swisscom in den nächsten Jahren in Übernahmen investieren, erklärte Finanzchef Mario Rossi im März. Mancher Beobachter fühlte sich bei derartigen Ankündigungen an das Fastweb-Debakel erinnert. Die Übernahme des italienischen Breitbandanbieters im Jahr 2007 kostete CHF 6,9 Mrd. und war die teuerste Übernahme der Swisscom. Der Kaufpreis ist bis heute nicht amortisiert. Der jüngste M&A-Paukenschlag fokussierte sich mit Publigroupe auf den hiesigen Heimatmarkt. Mit einer Offerte von CHF 214 je Publigroupe-Aktie setzte sich Swisscom letztendlich gegen Tamedia (CHF 190 pro Aktie) durch. Mit der Transaktion im Wert von CHF 492 Mio. möchte man die volle Kontrolle über das als strategisch wichtig angesehene Online-Verzeichnis local.ch übernehmen. Operativ läuft es bei Swisscom schönerweise wieder gut: Dank der hohen Nachfrage nach neuen Mobilfunktarifen und TV-Angeboten legte das Betriebsergebnis des SMI-Konzerns im Q1 um +2,9% auf CHF 1,06 Mrd. zu, der Umsatz zog um +3,2% auf CHF 2,82 Mrd. an. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet «Chef-Telefonist» Urs Schaeppi eine fortgesetzte Steigerung des Ebitda auf CHF 4,35 Mrd. nach CHF 4,3 Mrd. im Vorjahr. Die Aktie ist derzeit so hoch wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Eine aussichtsreiche Anlagemöglichkeit bietet das Bonus-Papier JCLHA von Julius Bär. Es läuft bis zum 30.07.2015 und wirft für den Fall, dass sich der SMI-Titel eine Pause gönnt, eine Rendite von 2% ab. Sollte Swisscom aber seinen Aufwärtstrend fortsetzen, nimmt das Produkt unlimitiert an den Kurssteigerungen teil. Somit ist eine gepufferte Einwahl in steigende Kurse möglich.
Dicker Scheck für Deutsche Telekom?
Steigende Kurse erwarten gut unterrichtete Kreise auch von der Aktie der Deutschen Telekom. Grund ist ein möglicherweise dicker Scheck aus Amerika. Bereits seit Monaten wird darüber spekuliert, dass der Konzern aus Bonn (rund 32% Staatsbesitz) seine Tochter «T-Mobile US» an die Nummer drei am Markt, Sprint, losschlagen möchte. Nun steht eine Einigung offenbar kurz bevor. Insider berichten, dass sich die Telekom mit Sprint über einen Kaufpreis von rund USD 40 je Aktie geeinigt haben soll. Ein offizielles Angebot liegt aber noch nicht vor. Derweil ist dem Konzern die Trendwende im operativen Geschäft gelungen. Dank eines zuletzt erstarkten US-Geschäfts konnte die Deutsche Telekom zum ersten Mal seit über einem halben Jahrzehnt wieder aus eigener Kraft wachsen. Das organische Umsatzplus lag 2013 bei 0,8%. Unter dem Strich schaffte die Firma zudem die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Der Überschuss summierte sich auf EUR 930 Mio. Aufgrund von Abschreibungen auf die einstige Krisentochter T-Mobile US stand 2012 noch ein Fehlbetrag von EUR 5,3 Mrd. zu Buche. Aufgrund von hohen Investitionen in Wachstum wird 2014 zwar ein Übergangsjahr werden, Börsianer haben aber längst wieder mehr Vertrauen in das Geschäft der Telekom gewonnen. Der DAX-Titel legte auf Sicht von einem Jahr um mehr als 40% zu und ist sogar wieder in die zweistellige Kursregion vorgedrungen. Hartgesottene Trader können mit dem Faktor-Zertifikat CBLDT3 das positive Momentum des DAX-Titels spielen. Das Produkt verfügt über einen gleichbleibenden Hebel von 3. Dies ist möglich, da dem Zertifikat ein von der Commerzbank eigens berechneter Strategie-Index zugrunde liegt. Dieser bildet täglich die prozentuale Kursveränderung des Basiswerts gegenüber seinem Vortagesschlusskurs mit einem konstanten Faktor ab.
Alle in einem Paket
Profis wissen: Es ist schon eine enorme Portion Glück nötig, zum richtigen Zeitpunkt einen Übernahmekandidaten im Depot zu haben. Anleger können sich aber mit dem Exchange Traded Tracker (ETT) ETTEL der UBS auf den STOXX Europe 600 Telecommunications Index den kompletten europäischen Telekomsektor auf einen Streich ins Depot holen. Das Barometer besteht aus 25 Unternehmen, dabei geben die spanische Telefónica, die Deutsche Telekom und die Briten Vodafone und BT Group mit einem Indexanteil von zusammen rund 60% den Ton an. Zu finden sind in der Auswahl unter anderem auch die bereits erwähnten Player Orange, Telecom Italia, KPN, Telekom Austria sowie Telefónica Deutschland. Der Tracker berücksichtigt die Gewinnausschüttungen der Mitglieder. Dies ist nicht unwichtig, liegt die aktuelle Dividendenrendite doch bei ansehnlichen 5,2%. Von einer jährlichen Managementgebühr sieht die UBS derzeit ab, kann diese aber jährlich einführen.
«Anleger können sich bequem und auf einen Streich den kompletten europäischen Telekomsektor ins Depot holen.»
Diverse Renditechancen
Ob und wann in Italiens Telekom-Sektor die Karten neu gemischt werden, steht, wie oben beschrieben, noch nicht fest. Wer aber auf den Branchenführer Telekom Italia setzen möchte, ist mit dem Barrier Reverse Convertible (BRC) VONLBF aus dem Hause Vontobel gut bedient. Um die prozentual zweistellige Rendite von 13,9% am 17.Juli 2015 zu kassieren, muss sich der Valor nicht bewegen. Es reicht, wenn er die eingezogene Barriere bei EUR 0,69 innerhalb der Laufzeit nicht verletzt. Dies entspricht einem ordentlichen Puffer von rund 24%. Der Multi BRC CSEYJ auf die Deutsche Telekom, KPN und Vodafone von der Credit Suisse bietet konservativen Anlegern einen interessanten Zugang zur Telekombranche. Die Emittentin hat in das Produkt einen zweifachen Coupon integriert. Zusätzlich zur fixen Verzinsung von 8,25% p.a. haben Inhaber die Chance, einen weiteren Coupon in gleicher Höhe zu kassieren. Voraussetzung: Alle Basiswerte müssen an einem Beobachtungstag auf oder über ihrem jeweiligen Startwert schliessen. Sollte dies dem Telekom-Trio bereits am ersten Stichtag, am 30. September 2014, gelingen, kommt es darüber hinaus zu einer vorzeitigen Rückzahlung. Andernfalls läuft der BRC bis zur Endfixierung am 30. März 2015 weiter. Bis dahin dürfte es in der europäischen Telekommunikationsbranche sicherlich noch einige Fusionen und Akquisitionen geben – oder bis dato unberücksichtigte Player aus der globalen Telco-Szene wählen sich in den Sektor ein.
Kurz erklärt: Pikante Verbindungen
Für diplomatischen Rummel sorgt nach wie vor die Enthüllung, dass US-Geheimdienste das verschlüsselte M obiltelefon der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel jahrelang abgehört haben. Jeder Nutzer fragt sich inzwischen, wie es um seine eigene Datensicherheit und Privatsphäre steht. Experten sind sich einig, dass zwar die Nutzung von inländischen Servern das Risiko des Ausspionierens reduziert, allerdings herrscht Unklarheit darüber, ob und wie Hardwarelösungen z.B. von Huawei (China) oder Cisco (USA) in Rechnern und Telefonen oder gewisse Telekomprovider Daten ungefragt an Dritte übermitteln. Die deutsche Kanzlerin ist Blackberry-Nutzerin und auch ihr neues Gerät, das nach Bekanntwerden der NSA-Affäre frisch verschlüsselt wurde, ist gemäss eines ranghohen US-Offiziers bereits schon wieder abhörbar. Ironischerweise präferieren Grossbanken wie UBS oder Credit Suisse bei der mobilen Kommunikation Geräte des Herstellers Blackberry. Manche IT-Experten wagen die Vermutung, dass alle BlackBerry Enterprise Server von US-Nachrichtendiensten problemlos nach Hitnames gescannt werden können. Pikante Spitze: Die Schweizer Botschaften und Konsulate arbeiten exklusiv mit dem US-Netzbetreiber Verizon zusammen. In Deutschland wurde Verizon inzwischen als verlängerter Arm der CIA angesehen und alle staatlichen Verträge entzogen. Die Schweizer Behörden wollen an Verizon festhalten. Man betonte, dass «alle Endgeräte verschlüsselt würden». So wie das Handy von Angela Merkel.