HSBC-Chef Flint tritt überraschend zurück
London – Überraschender Chefwechsel bei der britischen Grossbank HSBC : Konzernchef John Flint trat in der Nacht zum Montag überraschend zurück. Vorerst soll der Leiter des weltweiten Geschäfts mit Unternehmenskunden, Noel Quinn, den Posten übernehmen, wie Europas grösste Bank am Montagmorgen mitteilte. Die Suche nach einem Nachfolger könne sechs bis zwölf Monate dauern, sagte Verwaltungsratschef Mark Tucker. Flint hielt sich nur 18 Monate auf dem Posten.
Zu den Gründen des Rücktritts hiess es lediglich, der Schritt sei «im Einvernehmen» erfolgt. Tucker zufolge sah der Verwaltungsrat den Wechsel als notwendig an, damit die Bank den Herausforderungen in einem immer komplexeren Umfeld begegnen kann.
Aktie gibt nach
An der Börse führte Flints Rücktritt zu Kursverlusten. Der Aktienkurs der Bank, deren Geschäft stark auf Asien ausgerichtet ist, gab in Hongkong um bis zu knapp zwei Prozent nach, lag zuletzt aber in einem insgesamt schwächeren Umfeld nur noch mit 1,37 Prozent im Minus. Damit baute das Papier das Minus der vergangenen Wochen aus. Seit einem Jahr hat die Aktie rund 15 Prozent an Wert verloren.
An den neuerlichen Kursverlusten konnten auch erneut hohe Gewinne und die Ankündigung eines weiteren Aktienrückkaufs nichts ändern. So will die HSBC nun eigene Aktien im Wert von bis zu einer Milliarde US-Dollar (rund 900 Mio Euro) vom Markt zurückkaufen.
Flint hatte das Ruder der grössten europäischen Bank im Februar 2018 vom langjährigen Chef Stuart Gulliver übernommen und den Konzern auf Wachstum ausgerichtet. Bis 2020 will die Bank 15 bis 17 Milliarden Dollar investieren, um ihr Geschäft weiter zu stärken. Das Geld soll vor allem nach Asien und in neue Technologien fliessen.
Angesichts weiter sprudelnder Gewinne in den ersten sechs Monaten sieht die Konzernspitze die Bank zwar auf Kurs, bis zum Jahr 2020 wie geplant eine Rendite auf das materielle Eigenkapital von mehr als elf Prozent zu erzielen. Im ersten Halbjahr lag die Rendite mit 11,2 Prozent nur dank eines Sondereffekts darüber. Die jüngste Zinssenkung in den USA durchkreuzt aber die Ziele für das US-Geschäft von HSBC. Dort hatte die Bank ohnehin mit Problemen zu kämpfen.
Rendite-Ziel in USA gekappt
Daher kassierte das Management das bisherige Ziel, in den Vereinigten Staaten bis 2020 eine Eigenkapitalrendite von sechs Prozent zu erreichen. Neben den Folgen der Zinssenkung nannte die Bank die schwierige Ertragslage im Privatkundengeschäft, der Vermögensverwaltung sowie im Handelsgeschäft. «Wir arbeiten an den Betriebskosten und den Investitionsausgaben mit Blick auf die Risiken bei der Ertragsentwicklung», versprach die Bankführung.
Im ersten Halbjahr legte HSBC zwar weiter zu. Im Vergleich zum ersten Quartal schwächte sich die Gewinnentwicklung im laufenden Geschäft zuletzt aber ab. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Steuern lag in den Monaten Januar bis Juni bei 12,5 Milliarden US-Dollar und damit 6,8 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Davon kamen 9,8 Milliarden Dollar aus Asien. Im ersten Quartal hatte er noch um zehn Prozent zugelegt.
Unter dem Strich entfiel auf die Aktionäre der Bank im ersten Halbjahr ein Gewinn von 8,5 Milliarden Dollar und damit 19 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die bereinigten Erträge legten zwar dank guter Geschäfte mit Privat- und Firmenkunden um rund acht Prozent auf 28,5 Milliarden Dollar zu. Im Handelsgeschäft musste das Institut aber einen Rückgang um 2,5 Prozent hinnehmen.
HSBC ist mit einem Börsenwert von umgerechnet rund 143 Milliarden Euro die mit Abstand wertvollste Bank Europas und spielt als einziges europäisches Haus in der Liga der US-Branchenriesen JPMorgan Chase , Bank of America , Wells Fargo und Citigroup mit. (awp/mc/ps)