London – Die grösste europäische Bank HSBC hat 2017 dank anziehender Geschäfte in allen Regionen deutlich mehr verdient. HSBC-Chef Stuart Gulliver übergibt damit seinem Nachfolger John Flint nach sieben Jahren an der Spitze ein geordnetes Haus, das derzeit zu den mächtigsten Banken der Welt zählt. An der letztendlich positiven Bilanz einer turbulenten Zeit unter Gulliver ändert auch die Tatsache nichts, dass sich Experten für 2017 noch mehr erhofft hatten.
Im vergangenen Jahr kletterte der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Steuern um elf Prozent auf 20,1 Milliarden Dollar (16,2 Mrd Euro). Grund dafür war neben den anziehenden Erträgen auch die über das Jahr gesehen deutlich niedrigere Vorsorge für Kreditausfälle. Auf diese Weise konnte die Bank die wegen der Expansion angefallenen höheren Kosten kompensieren. Unter dem Strich verdiente das Geldhaus mit knapp zehn Milliarden Dollar rund sieben Mal soviel wie 2016 – damals hatten allerdings auch viele Sondereffekte wie Abschreibungen das Ergebnis verhagelt.
An der Börse in Hongkong, wo das Papier ebenso wie in London stark gehandelt wird, konzentrierten sich die Investoren aber erst einmal auf die verfehlten Erwartungen. Viele Analysten hatten sich ein noch besseres Ergebnis erhofft. Zudem hatten einige Anleger darauf gesetzt, dass die Bank den weiteren Rückkauf von Aktien ankündigt. Hier blieb die HSBC dieses Mal aber vage – Rückkäufe werde es erst geben, sobald die Kapitalziele erreicht sind, hiess es. In Hongkong gab das Papier zuletzt zwei Prozent ab.
Gullivers Bilanz am Aktienmarkt fällt aber insgesamt positiv aus. Der Kurs des Papiers stieg seit Anfang 2011 um fast ein Fünftel – und koppelte sich damit vom negativen Branchentrend ab. In diesem Zeitraum konnten nur wenige Grossbanken Europas den Kurs steigern. Einige Häuser wie die britischen Konkurrenten Barclays , Royal Bank of Scotland (RBS) oder Standard Chartered , aber auch Rivalen vom Kontinent wie die Credit Suisse oder Deutsche Bank mussten in der Zeit deutlich Federn lassen.
Wertvollste Bank Europas
Mit einem Börsenwert von zuletzt umgerechnet etwas mehr als 170 Milliarden Euro ist die HSBC derzeit die mit Abstand wertvollste Bank Europas und kann damit bei dieser Grösse als einziges Haus Europas beim Konzert der amerikanischen Banken wie JPMorgan, Bank of America, Wells Fargo oder Citigroup mitspielen. Gulliver konnte die Position als Europas Nummer eins damit in seiner Amtszeit trotz hausgemachter Widrigkeiten und der durch den Brexit verursachten Turbulenzen zum Ende seiner Ära behaupten.
Unter seiner Führung musste die Bank zahlreiche Sünden der Vergangenheit wie etwa Geldwäsche oder die Finanzierung von Terror, die Gulliver zum Teil als Chef der Investmentbanking-Sparte Ende des vergangenen Jahrzehnts selbst mitzuverantworten hatte, aufarbeiten. Gulliver selbst, der seit Anfang der 1980er bei der HSBC ist und seit 2011 an der Spitze steht, geriet zudem wegen seines hohen Gehalts und zum Teil über eine Firma in Panama gezahlten Boni in die Kritik.
Radikalumbau vollzogen
Doch der 58-Jährige hielt allem Druck stand und richtete wie kaum ein anderer Manager einer Grossbank sein Haus auf das neue Branchenumfeld aus. Er strich Zehntausende Stellen, zog sich aus zig Ländern zurück und forcierte das Geschäft in Asien, wo die Bank, deren voller Name Hongkong and Shanghai Banking Corporation lautet, schon aus historischen Gründen immer stark war.
Die HSBC gehört weltweit zu den grössten Banken, hat nach eigenen Angaben rund 38 Millionen Kunden und ist in 67 Ländern, darunter auch Deutschland, vertreten. Nach einem massiven Stellenabbau beschäftigt die Bank derzeit rund 229’000 Mitarbeiter – Ende 2010 waren es noch 307’000. Bis Ende des Monats übergibt Gulliver das Steuerrad an John Flint, der ebenfalls schon lange in der Bank ist und das Geschäft mit Privatkunden und der Vermögensverwaltung leitet. (awp/mc/ps)