London – Die britische Grossbank HSBC hat nach einem schwachen Quartal ihr Renditeziel für das kommende Jahr gekappt. Die Konjunkturschwäche in einigen wichtigen Ländern, die durch den Handelskrieg zwischen China und den USA ausgelösten Unsicherheiten und die niedrigen Zinsen belasten die Erträge weiterhin stark. Aus diesem Grund könne man derzeit nicht davon ausgehen, dass im kommenden Jahr eine Eigenkapitalrendite von mehr als elf Prozent erreicht werde, teilte die Bank am Montag in London mit.
Erst im August hatte HSBC überraschend ihren Chef John Flint vor die Tür gesetzt. Und schon im dritten Quartal belasteten die Probleme das Ergebnis spürbar. Die Erträge gingen um drei Prozent auf 13,4 Milliarden Dollar (12 Mrd Euro) zurück. Der auf die Aktionäre entfallende Gewinn brach um 24 Prozent auf rund 3,0 Milliarden Dollar ein. Das Ergebnis fiel damit schwächer aus als Experten erwartet hatten. Im vierten Quartal sei wegen des geplanten Umbaus einiger Bereiche der Bank zudem mit hohen Kosten zu rechnen, warnte das Management.
Deutliche Kursverluste
An der Börse sorgten das schwache Quartal und der gekappte Ausblick für deutliche Kursverluste. In London verlor die HSBC-Aktie zeitweise fast fünf Prozent auf 587,50 Pence und näherte sich damit wieder dem Mehrjahrestief von 578,20 Pence. Im bisherigen Jahresverlauf ist der Kurs um fast zehn Prozent gesunken und damit deutlicher als der europäische Branchenindex Stoxx 600 Banks . Die Bank habe in fast allen Punkten enttäuscht, sagte ein Händler an der Börse. Lediglich die Entwicklung der Kosten sei halbwegs im Lot geblieben und habe das Ergebnis noch gerettet.
Die wertvollste Bank Europas
Die HSBC spielt unter den europäischen Banken eine Sonderrolle, da sie den Löwenanteil ihres Gelds in Asien verdient. Sie ist trotz des Kursverlusts in den vergangenen Monaten mit einem Börsenwert von umgerechnet 145 Milliarden Euro die mit Abstand wertvollste Bank Europas. Die spanische Santander und die französische BNP Paribas folgen mit 66 Milliarden und 60 Milliarden Euro in weitem Abstand. Die beiden grössten börsennotierten deutschen Banken spielen nach dem Kursverfall ihrer Papiere in den vergangenen Jahren in dieser Rangliste schon lange keine grosse Rolle mehr.
Probleme mehren sich
Doch auch bei der HSBC mehrten sich zuletzt die Probleme, und der Verwaltungsrat traute dem damaligen Chef Flint im Sommer nicht mehr zu, das Schiff rechtzeitig umzusteuern. Der Manager musste nach nur 18 Monaten im Amt wieder gehen. Derzeit führt Noel Quinn, der bis dahin für das weltweite Geschäft mit Unternehmenskunden verantwortlich war, das operative Geschäft der Bank. Verwaltungsratschef Mark Tucker hatte im Sommer gesagt, dass die Suche nach einem neuen Chef sechs bis zwölf Monate dauern könne.
In der Zeit will Quinn, der zuletzt signalisiert hatte, den Job an der Spitze dauerhaft haben zu wollen, das Institut aber schon erneuern und vor allem die Strukturen vereinfachen. Edward Firth, Analyst bei Keefe, Bruyette & Woods, sieht daher in den schwachen Zahlen auch etwas Positives: «Die gute Nachricht ist, dass das Management jetzt endlich dazu angetrieben ist, die lange erwarteten Massnahmen in den nicht so gut laufenden Bereichen anzugehen», schrieb der Experte. Die HSBC hielt sich bedeckt, was sie genau plant. Die Bank will sich aber spätestens bei der Vorlage der 2019er-Zahlen Anfang des kommenden Jahres dazu äussern.
Bis zu 10’000 Stellen könnten wegfallen
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg von Mitte Oktober könnte dabei etwa der Aktienhandel in Frankfurt, London oder New York beschnitten werden. Die «Financial Times» hatte Anfang Oktober berichtet, dass im Rahmen des Umbaus erneut viele Stellen gestrichen werden sollen. Es könnten bis zu 10’000 Stellen wegfallen. So stelle sich der Bank die Frage, warum sie in Europa so viele Leute beschäftige, während doch Teile Asiens zweistellige Renditen erzielten.
Die HSBC hatte zuletzt bereits angekündigt, 4700 Arbeitsplätze zu streichen. Die 10 000 kämen nun noch zusätzlich dazu. Die Bank baut seit Jahren Stellen ab. Zuletzt hatte sie noch etwas mehr als 237 000 Vollzeitstellen. Ende 2010 waren es noch mehr als 300 000. Die Führung der HSBC hatte sich früher als die meisten europäischen Konkurrenten auf die neuen Zeiten für Banken eingestellt und den Konzern bereits kurz nach der Finanzkrise kräftig beschnitten. So verkaufte die Bank zahlreiche Randsparten und baute in Asien vor allem ihr Geschäft mit Privatkunden und Reichen aus. (awp/mc/pg)