IHAG Kommentar: Kehrt der Risikoappetit in 2012 zurück?

Zürich – Bis Ende April des letzten Jahres war die Welt für die Aktieninvestoren noch in Ordnung. Der S&P500 erreichte den Jahreshöchsstand bei 1’365, der von vielen Anlegern favorisierte Dax schaffte bis dahin ein Plus von fast 9% und der SMI stieg bis Ende April leicht um 1.7%. Selbst das verheerende Erdbeben im März in Japan und die damit verbundene Reaktorkatastrophe irritierte den Aktienmarkt nur kurzzeitig.

Ende Juli setzte jedoch an den Märkten eine Abwärtsspirale ein, die hohe Verlust zur Folge hatte. Ausgelöst wurde die Krise am Aktienmarkt von der Unfähigkeit der EU das Schuldenproblem in Griechenland zu lösen. Der Entscheid private Schuldner an den Verlusten für griechische Staatsanleihen zu beteiligen, führte zu einem allgemeinen Vertrauensverlust der Bondinvestoren. In der Folge schossen auch die Renditen für italienische Staatsanleihen in die Höhe. Die Aktienmärkte fielen ins Bodenlose, allen voran der deutsche Markt, der von Ende April bis Mitte September ein Drittel an Wert verlor. Der Vertrauensverlust der Investoren schwappte auch auf die Realwirtschaft über mit dem Resultat einer wahrscheinlichen Rezession in Europa. In den USA verbesserte sich gegen das Jahresende hin die Wirtschaft wieder, was den S&P500 mit einer Jahresperformance von exakt 0% zum Gewinner unter den etablierten Märkten werden liess. Die anderen Börsen verloren zwischen gut 10% und 20%, wobei insbesondere die Emerging Markets eine enttäuschende Entwicklung an den Tag legten. Auf der Sektorebene schafften in einer weltweiten Betrachtung einzig die Pharmazeutik (Jahresperformance: 8.3%) und die Nahrungsmittel (+5.0%) nenneswerte Zuwächse. Zu den grössten Verlieren gehörten die Sektoren Rohstoffe (-28.6%) und Banken (-24.7%).

Im letzten Jahr war Sicherheit gefragt
Auf der Währungsseite sah es lange Zeit danach aus als könne niemand am Safe Haven Status des Schweizer Frankens rütteln. Im August wurde der Druck bei EUR/CHF-Kursen von nahezu der Parität auf die Schweizer Wirtschaft jedoch so gross, dass die SNB in einer überraschenden Aktion eine Untergrenze von 1.20 zum Euro setzte, welche bis dato standhielt. Der EUR/USD verlor entsprechend der fundamental schlechteren Position Europas gegenüber den USA im letzten Jahr mehr als 3%. Im letzten Jahr war Sicherheit gefragt. Dies äusserte sich an einem dramatischen Zerfall der Renditen für qualitativ hochwertige Staatsanleihen, wie beispielsweise jenen der Schweiz, der USA und Deutschlands. So fiel beispielsweise der Zins für zehnjährige US-Staatsanleihen innert Jahresfrist um 143 Basispunkte auf 1.88%. Ebenso gesucht war Gold. Der Goldpreis verteuerte sich im letzten Jahr um 11.1% und war damit zum elften Jahr in Folge im Plus. Im Gegensatz dazu büssten die meisten anderen Rohstoffe an Wert ein, was vor allem auf die schwächere Wirtschaft in China zurückzuführen ist. Eine Ausnahme war der Ölpreis (Brent), welcher sich praktisch während dem gesamten 2011 über der Marke von USD 100/bbl festsetzen konnte. Die in der Tendenz schwächeren Rohstoffpreise haben zur Folge, dass die Inflation ihren Zenit überschritten haben dürfte, was vor allem den Emerging Markets Zinssenkungsspielraum eröffnet.

Die Industrie hat aus der Finanzkrise gelernt und hält mehr Cash sowie tiefere Lager
Wie präsentieren sich die Börsenaussichten in diesem Jahr? Die starke Korrektur an den Aktienmärkten hat dazu geführt, dass mittlerweile zumindest eine milde Rezession in Europa in den Kursen eingepreist ist. Es gibt sogar Aktien, die ähnlich tief bewertet sind wie während der Finanzkrise 2008/09. Zudem haben die Analysten ihre Gewinnerwartungen auch für das Jahr 2012 bereits reduziert. Fundamental steht das Gros der Unternehmenslandschaft, mit Ausnahme der Banken, gut bis sehr gut da. Die Industrie hat aus der Finanzkrise gelernt und hält mehr Cash sowie tiefere Lager. Ein derart scharfer Produktionseinbruch wie im Herbst 2008 sollte sich damit nicht mehr wiederholen. Die meisten Marktteilnehmer sind nach mühsamen Aktienjahren vorsichtig und defensiv positioniert. Die Risikoaversion zeigt sich an tiefen Zinsen für Staatsanleihen und entsprechend hohen Risikoprämien. Bei den Aktieninvestments scheint die einhellige Meinung vorzuherrschen defensive Aktien zu favorisieren. Die Folge ist, dass beispielsweise für eine langsam wachsende Nahrungsmittelaktie wie Nestlé ein P/E 2012 von 16.2x bezahlt wird, währenddem eine schnell wachsende Baker Hughes mit stabilen Gewinnschätzungen nur halb so viel kostet. Kehrt der Risikoappetit der Investoren zurück, dürften die vernachlässigten Aktien vom letzten Jahr zu den Gewinnern zählen. Ob dies bereits im 1. Quartal der Fall sein kann bleibt abzuwarten. Ein Stein im Weg ist sicherlich der hohe Refinanzierungsbedarf in Europa, gerade in den nächsten drei Monaten. Dennoch denken wir, dass der Risikoappetit der Investoren früher oder später zurückkehren wird und empfehlen das Risiko in den Portfolios schrittweise zu erhöhen. Wir halten es für wahrscheinlich, dass die Aktienmärkte im Jahr 2012 wieder in Richtung der in 2011 erreichten Höchststände klettern könnten. Die Aufwärtsbewegung dürfte von einem Shift aus den teuren Staatsanleihen in die niedrig bewerteten Aktien Unterstützung erhalten. Gleichwohl dürfte sich an den Börsen aber kaum eine längere Aufwärtsbewegung einstellen, da Störfeuer wie Budgetdefizite, Ausschläge bei den Rohstoffpreisen, Währungsverschiebungen und die Rezession in Europa Bestand haben werden. Das Credo, dass ein Investor beweglich bleiben muss und die Aktienquote antizyklisch verändern sollte, behält damit auch im Neuen Jahr seine Gültigkeit. (IHAG/mc/hfu)


Eine milde Rezession in Europa ist in den Kursen schon eingepreist.

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