IHAG-Kommentar: Rückblick 2016 mit politischen Ereignissen
Zürich – Rückblick 2016: Die globalen Aktienindices starteten unerwartet negativ ins 2016. Ein Mix aus Konjunktursorgen in China, einem kleinen Crash an der Börse Shanghai (-7% am ersten Handelstag), schwachen Konjunkturdaten aus den USA sowie kollabierende Rohstoffpreise verunsicherte und führte zu markantem Abgabedruck auf breiter Front. Ende Januar kam es zu einer leichten Erholung, mit nochmaligem Einbruch der Börsen bis Mitte Februar, weil die Angst vor einer globalen Rezession deutlich zunahm. Der SMI verlor bis dahin fast 15%.
Die Lage stabilisierte sich dann, teils durch Notenbanken angeschoben, teils durch die anhaltende Erholung des Erdölpreises. Die globalen Aktienmärkte erlebten mit dem Zugpferd der US-Börsen bis in den Juni hinein einen Rebound. Allerdings fehlten Impulse in Europa, denn die Unternehmens-gewinne stagnierten. Der SMI konnte nicht folgen, da sowohl die Banken wegen schwachen Resultaten, als auch besonders die Pharmawerte wegen dem Wahlkampf in den USA (mit angekündigtem Preisdruck Clintons) sich kaum erholten. Die Volatilität erhöhte sich und im Vorfeld des Derivateverfalls vom 17. Juni verlor der DAX innert weniger Tage über 8%, weil mit der politischen Unsicherheit um den BREXIT die Investoren nervös wurden. Die Mehrheit der Investoren ging noch bis zuletzt von einem knappen Verbleiben der UK in der EU aus, so auch wir. Am Freitag Morgen des 24. Junis kam dann mit dem Austritt der Schock. Der DAX eröffnete 10% im Minus und der SMI fast -7%. In den USA waren die Futures auf den S&P 500 bei -5% kurz abgeläutet. Allerdings ging weder Europa und schon gar nicht die Welt unter. Weitere Verkaufswellen blieben aus und es kam zu einer überraschend schnellen Erholung der Börsen. Die Angst vor den negativen ökonomischen Folgen wich der Zuversicht, dass die Notenbanken stützend eingreifen würden und England Zeit zum Verhandeln bleibe.
Herbst freundlicher als erwartet
Der Herbst entwickelte sich freundlicher als befürchtet und wichtige Unterstützungslinien hielten an den wenigen schwachen Börsentagen. Entgegen allen Erwartungen wurde Donald Trump anfangs November zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Erstaunlich fiel die Reaktion der Aktienmärkte aus. Statt zu Abgaben wegen genereller Unsicherheit kam es zu einem Kursrally. In seiner Siegesrede schlug er nämlich einen versöhnlichen Ton an, adressierte wirtschaftsfreundliche Themen, stellte Steuersenkungen, staatliche Infrastrukturprogramme und Deregulierungen im Finanzsektor in Aussicht. Dies beflügelte die Wachstumsphantasien bei der amerikanischen Wirtschaft. In der Folge schossen die Inflationserwartungen und die Renditen von US-Staatsanleihen in die Höhe, welche den höchsten Stand seit zwölf Monaten erreichten. Es kam zu einer schnellen Sektorroration aus defensiven, stabil wachsenden Aktien (sogenannte Bondproxys) in Finanz- und zyklische Werte. Das italienische Verfassungsreferendum, welches mit einem Nein und dem Rücktritt des reformeifrigen Ministerpräsidenten Renzi endete, vermochte die positive Stimmung anfangs Dezember kaum zu stören. Dagegen beruhigte der einzige Zinsschritt um +0.25% des FEDs, weil er lange vorbereitet und erwartet worden war.
Ein volatiles Jahr mit vielen politischen Unwägbarkeiten endete versöhnlich. Unter den wichtigen Aktienindices konnte sich der S&P500 mit einer Jahresavance von 9.5% von Europa abzusetzen, wo der banklastige STOXX50 2.9% und der pharmalastige SMI gar 6.8% nachgaben. Der DAX konnte sich mit +6.9% besser in Szene zu setzen, wurde aber vom englischen FSTE 100 mit +14.4% klar überflügelt, wobei der Zerfall des GBP in die Analyse einbezogen werden muss. Generell liefen die Small& Midcaps besser als die Bluechips. In der Schweiz kletterte der SPI Small&Midcaps Index 9% und in den USA der Russell 2000 Index fast 20%.
Sichere Staatsanleihen blieben bis Mitte Jahr gefragt und die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen sanken in den USA von 2.33% anfangs Jahr bis auf 1.35 % per anfangs Juli. Danach setzte eine Zinswende ein, welche mit der Wahl von Donald Trump, der damit steigenden Inflationserwartung sowie dem Zinsschritt des FED, ein Rally auf 2.45% erfuhr. Auch in Deutschland ergab sich ein ähnliches Muster, allerdings in abgeschwächter Form, weil die EZB angesichts der schwachen Konjunktur in Europa weiterhin bis Ende 2017 die Liquiditätsschleusen offen halten will. In der Schweiz sanken die entsprechende Verzinsung von -0.10% auf -0.65%, mit einer Erholung zurück auf -0.18%. Die SNB musste an der Politik der Negativverzinsung festhalten, um der Stärke des CHF entgegenzuwirken. Damit kommen wir zu den Wechselkursen, wo sich gegen Jahresende die Stärke des USD manifestierte. Der EUR/USD pendelte bis zur Wahl von D. Trump in einem Seitwärtsband zwischen 1.08 und 1.14, fiel dann allerdings in den letzten beiden Monaten auf 1.04. Der USD/CHF kletterte anfangs Jahr kurz auf 1.02, sank bis im April auf 0.95 und pendelte bis im November von dort bis auf 0.99. In den letzten Wochen wurde die Parität übertroffen und der Anstieg gelang auf 1.03. Der EUR/CHF konnte von der SNB schrittweise von 1.09, auf 1.08 und zuletzt bei knapp über 1.07 relativ stabil gehalten werden.
Ölpreis auf langjährigem Tiefpunkt
Der Ölpreis schien anfangs Jahr ins bodenlose zu sinken und markierte aber Mitte Januar bei USD 27 pro Fass Brent einen langjährigen Tiefstpunkt. Danach setzte eine technische Erholung ein, welche durch mehrere Treffen und Gespräche der Opec plus weiterer Förderländer zur Reduktion des Angebotes in eine nachhaltige Erholung überging. Mit dem Treffen in Wien im November konnten auch nicht Opec Mitglieder, wie Russland, zu einer kontrollierten Förderung bewogen werden. Bei USD 55 pro Fass Brent dürften allerdings zunehmend wieder zuvor stillgelegte Pumpen in den USA (Cracking) angeworfen werden und einen weiteren Anstieg erschweren.
Der Goldkurs erholte sich von einem überverkauften Mehrjahrestiefst bei USD 1050 pro Unze anfangs Jahr bis auf USD 1375 anfangs Juli. Mit steigenden Zinsen und sich erholenden Aktienindices begann danach ein Verkaufsüberhang, welcher sich mit der Wahl von Mr. Trump in einem Kurszerfall bis auf USD 1120 pro Unze vor Weihnachten kulminierte. Umgekehrt konnten sich Basismetalle, wie Kupfer, markant erholen und überschossen kurzfristig im November.
Ausblick 2017:
Nach einer achtjährigen Hausse befinden sich die Aktienmärkte in einem reifen Stadium. Allerdings sind die Notenbanken mit ihren Interventionen besorgt, dass Systemrisiken (wie nach der Finanzkrise) oder tiefe Rezessionen vermieden werden. Weiter gibt es keine Region, welche sich in einem Boom befindet. Die USA ist mit einer Arbeitslosenrate von nur noch 5% beneidenswert gut unterwegs, China wächst (offiziell) über 6% und Europa erholt sich zähflüssig, wobei die Lokomotive Deutschland vom schwachen Euro als Exporteur profitiert und auch UK gut läuft. Die Konjunktur in Europa dürfte sich weiterhin moderat positiv entwickeln. Besorgniserregend bleibt die hohe Verschuldung der meisten Staaten. Für Unsicherheit sorgt der zunehmende Protektionismus, mit Fokus nun auf die USA unter dem neuen Präsidenten. Viele Bürger der Industriestaaten sind frustriert, dass sich ihr Wohlstand eher verschlechtert, denn verbessert, die Zukunft mit Einwanderungsdruck und Stellenabbau bei Firmen (Automatisierung, Verlagerung von Produktion und Dienstleistungen in günstigere Regionen) nicht sehr rosig aussieht und angesichts der tiefen Zinsen auch die erwartete Altersrente kein Optimismus aufkommen lässt. Bei steigenden Gesundheitskosten und Überalterung droht Altersarmut. Populistische Politiker wissen dies mit Versprechen auf Änderung und Verbesserungen auszunutzen („make America great again“) und fördern Nationalismus (Le Pen in Frankreich).
Investoren neigen zu Einfachheit
Die Welt wird komplexer, aber gerade deshalb neigen die Investoren zu Einfachheit. Mit zunehmendem Gewicht von automatisierten Handelssystemen und internationaler Vernetzung der Börsen erhöhen sich die Schwankungen und verstärken sich Trends. Fundamental stagnieren die aggregierten Gewinne der Indices in Europa und im SMI schon seit Jahren. Zum Jahresbeginn schätzt der Konsens jeweils einen Anstieg der Gewinne von gegen 8%. Ernüchternd ist dann die Realität, welche nach 12 Monaten eine Stagnation aufzeigt. Die Aktienindices waren daher hauptsächlich wegen der Bewertungsexpansion gestiegen, was angesichts der tiefen Zinsen vertretbar ist. Nun wird es 2017 spannend, denn die Zinsen scheinen zumindest in den USA eine Trendwende eingeschlagen zu haben. Bei moderatem Zinsanstieg verbunden mit einem erwarteten konjunkturellen Aufschwung kann man ein Szenario ableiten, wonach die Aktienkurse parallel zu den Gewinnen klettern. Zusammen mit noch tiefen Zinskosten, Effizienzverbesserungen und teils sinkenden Steuerraten (USA) könnten 2017 die aggregierten Gewinne der meisten Aktienindices tatsächlich wieder steigen. Von Seiten der Unternehmen bleiben wir somit positiv. Diverse Risiken bleiben auf der Makroebene und in der Politik (Staatsverschuldung, faule Bankbilanzen in Europa, schwächelnder Zusammenhalt in der EU), neue könnten auftauchen (faule Kredite in China?) und dürften für Schwankungen sorgen. In Europa sind die Wahlen in Frankreich im Juni und in Deutschland im September zu beachten. Mit der Inauguration von Donald Trump am 20. Januar kommt ein erster psychologischer Termin. Ein Szenario ist, dass mit der Hoffnung auf Steuersenkungen in den USA, Repatriierung von Auslandsvermögen sowie Deregulierungen die Gewinnerwartungen für US-Firmen klettern und damit auch die US-Börsenindices von den aktuellen Rekordwerten weiter zulegen. Ab Mitte 2017 könnte aber etwas Ernüchterung eintreten, weil der Kongress wegen dem Anstieg der Staatsverschuldung nicht alle Initiativen von Präsident Trump durchwinkt.
Aus regionaler Sicht hat sich die Schere an den Aktienmärkten weiter geöffnet. Der EuroStoxx 50 notiert 25% unter dem Wert von 2007, der S&P500 44% darüber. Als Beispiel kann der Bankensektor herangezogen werden, wo die US-Topbanken klar mehr Gewinn als vor der Finanzkrise generieren, wogegen die europäischen und Schweizer Grossbanken sich nicht mehr erholen können. Die USA hat die Finanzkrise aber auch gemessen am BIP schon lange hinter sich gelassen. Die Notierung der US-Aktienindices auf Rekordständen (Dow Jones nahe bei der 20‘000er Marke) verwundert daher nicht. Bezüglich P/E-Bewertung (Quelle Bloomberg) 2016 notiert der Dow Jones bei 19x gegenüber Euro Stoxx50 von 21x, DAX 18x und SMI 30x. Letzterer wird durch die Banken belastet und kann sich mit P/E 2017 von 17.6x wieder mit dem Dow Jones 18.3x vergleichen. Euro Stoxx 50 mit 15.5x und DAX mit 14.2x sehen hier eigentlich interessanter aus, aber die flaue Konjunktur in Europa bremst.
Keine klaren Trends
Insgesamt sehen wir für 2017 keine klaren Trends bei den Aktienindices, sondern erwarten hohe Schwankungen in einem Seitwärtstrend. In einem Aktiendepot würden wir weiterhin auf eine ausgewogene Mischung mit robusten, stetig wachsenden Firmen setzen (Nestlé, Fresenius, Henkel), plus Versicherungen (Allianz, Swiss Re) plus gut aufgestellte Zykliker (Georg Fischer, HeidelbergCement, Illinos Tool Works) ergänzt durch führende Internetfirmen (Alphabet, Amazon). Beimischen sollte man Wachstumsfirmen mit gutem EPS-Momentum (Partners Group, Orpea) und ein oder zwei Turnarounder (Peugeot, Rohstoffaktie). Vorsichtig bleiben wir bei Banken in Europa und sehen das bisher langjährige Gewinnwachstum bei Pharmawerten (Roche, Novartis) gefährdet. Im Soge der Sektorrotation sind die Kurse einiger zyklischer Aktien (wie ABB) ihrem aktuellen Gewinnmomentum davon gezogen. Angesichts der mauen Wirtschaftsentwicklung ist damit bereits viel Hoffnung eingepreist. (IHAG/frp/mc/ps)