Zürich – Entgegen den meisten Prognosen – und unserer – erlebten wir an den Aktienmärkten einen fulminanten Jahresauftakt. Für wichtige Leit-Indizes wie Dow Jones, S&P 500 und DAX resultierte immerhin das beste erste Quartal seit 1998. Und der Nikkei verzeichnete letztmals 1988 eine höhere Rendite im ersten Quartal. In der Schweiz fiel die Rendite moderater aus.
Erstaunlich war der Umschwung in Europa, wo vor kurzem noch so was wie Weltuntergangsstimmung herrschte und nun alle Probleme wie weggeblasen zu sein schienen. Zu verdanken hatten wir diese seit Dezember andauernde Hausse vor allem «Super-Marios» (Draghi) Tiefzinspolitik und seinem Bankenrefinanzierungsprogramm («LTRO»). Einen wichtigen Beitrag zur Börsenrally, die erst Anfang März einen vorübergehenden Marschhalt einlegte, trugen auch Faktoren bei wie der wiedergewonnene Optimismus bezüglich der US-Konjunktur, die anhaltende Tiefzinspolitik des FED, der erfolgreiche griechische Schuldenschnitt, der beschlossene EU-Fiskalpakt und nicht zuletzt die geplante Ausweitung des Euro-Rettungsschirms.
Kein Gehör für negative Meldungen
In Anbetracht der vielen positiven Meldungen interessierte kaum noch, dass zahlreiche Länder Europas mit Bonitätsherabstufungen konfrontiert wurden. Niemand schenkte der beschlossenen vorläufigen Suspendierung der Bankenstresstests Beachtung, ebenso wenig wie die eher ernüchternden Unternehmenszahlen oder der massive Ölpreisanstieg (+14%) nachhaltig zu beunruhigen vermochten.
Von der abermaligen Eindämmung des Brandherdes Europa profitierten in erster Linie Aktien aus dem gebeutelten Finanzsektor sowie Automobilwerte und Zykliker. Titel aus der kapitalintensiven Telekom- und Versorgerbranche hingegen wurden gemieden.
Dünne Handelsvolumen
Auffällig – und zugleich eine Warnung an die Zukunft – waren die weiterhin dünnen Handelsvolumen und tiefen Volatilitäten (-70% seit letztem August!). Ein ähnliches Bild prägte auch das «Geschehen» am Devisenmarkt, an dem der USD nur geringfügig an Wert verlor (-1%) und der CHF gegenüber dem EUR in lähmender Lethargie verharrte. Einzig Gold bewegte sich seit Anfang Jahr (+7%), allerdings mit hoher Volatilität. Die langfristigen Zinsen in den USA (von 1.9% auf 2.2%) und der Schweiz (von 0.7% auf 0.9%) vermochten sich – dank leicht besserer Wirtschaftsdaten und im Falle der USA trotz «Operation Twist» – gegen Quartalsende hin marginal von ihren Tiefstständen zu lösen, während sie in Deutschland und Frankreich seitwärts tendierten. Immerhin reduzierten sich die Zinsaufschläge in den Risikoländern.
Gegenwärtig muss sich ein Investor vor einer Kaufentscheidung kritischen Fragen stellen. Dazu zählen:
- Wird Draghis «LTRO»-Programm ausreichen, um eine Kredit-Klemme in Europa zu verhindern?
- Genügen die eingeleiteten Austeritätsmassnahmen Spaniens und Italiens zur wirksamen Eindämmung der Eurokrise?
- Ist die Eskalation des Iran-Konflikts und somit ein weiterer Anstieg des Ölpreises unvermeidlich?
- Muss mit einem abrupten starken Anstieg der langfristigen Zinsen in den USA nach Ablauf von «Operation Twist» (Juni) gerechnet werden?
Zugleich stehen im April und Mai heikle Wahlen in Frankreich und Griechenland an, beides Länder, die dringenden Reformbedarf aufweisen. Wir anerkennen die Möglichkeit einer Fortsetzung der Aktienhausse, halten aber eine signifikante Korrektur für ebenso möglich. Angesichts der oben aufgeführten Unsicherheiten scheint uns eine Aktien-Untergewichtung die sinnvollere Taktik zu sein. Immerhin befinden wir uns nach wie vor im grössten Deleveraging-Prozess der Nachkriegszeit. Insbesondere für Europa bleiben wir skeptisch. Dessen Bankensektor geht an Krücken. Deshalb favorisieren wir hier Aktien, die dank nicht replizierbaren Businessmodellen das Potenzial besitzen, selbst in einem rezessiven Wirtschaftsumfeld positiv zu überraschen (SAP, Linde).
USA in komfortableren Situation
Die USA befinden sich in einer komfortableren Situation, was sich auch auf den USD positiv auswirken sollte. Dort könnte sich die Erholung dank Wahljahr und zufriedenstellender Makrodaten sogar beschleunigen, sofern der Ölpreis nicht explodiert (wovon wir derzeit nicht ausgehen). Notfalls wäre das FED in der Lage zu intervenieren. Bei langfristigen Staatsanleihen und Gold ist derzeit Vorsicht geboten. Erstere sind unter Berücksichtigung der Inflation auf einem weiterhin (zu) tiefen Niveau und Letzteres leidet unter nachfrageseitigen Problemen, insbesondere in Indien und der Türkei und des Ausbleibens von «QE III» in den USA. (IHAG Privatbank/mc/pg)