IHAG-Quartalsbericht: Ein geldpolitisch heisser Sommer…
Zürich – Die wichtigsten Volkswirtschaften befinden sich auf dem Wachstumspfad und die Industrieumfragen, gemessen an den Einkaufsmanagerindices (PMI), deuten weltweit auf einen robusten Aufschwung hin. Allerdings erfüllten in den USA nicht alle harten Konjunkturdaten die Erwartungen. Das Bruttoinlandprodukt legte nur 1.4% p.a. zu, während die Wachstumsdynamik in der Eurozone so stark ist wie seit Jahren nicht mehr. 1.9% p.a. expandierte das BIP. Die Schweiz ist mit 0.3% p.a. gemächlicher unterwegs, der starke Franken bremst nach wie vor.
Die anhaltende Konjunkturerholung sorgt in mehreren Nationen für Vollbeschäftigung. In den USA sank die Arbeitslosenrate auf 4.3%; so tief war sie letztmals 2001. In Deutschland fiel sie auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Neunzigerjahre. Dennoch steigen die Löhne und die Teuerung nicht so, wie sie es den Erfahrungen nach sollten. Eine globale Wachstumsbeschleunigung und eine niedrige Inflation sind ideale Bedingungen für Aktien, die – begleitet von einer rekordtiefen Volatilität – neue Höchststände erreichten.
Zu den besten Sektoren zählten zyklische Güter und Dienstleistungen (+10%), Technologie, Gesundheit, Versicherungen und Bau (jeweils +6%). Unterstützend wirkte die Wahl des europafreundlichen Emanuel Macron. Politische Wirren um Donald Trump versetzten den Aktien nur kurzzeitig einen Dämpfer. Regional hatten Schwellenländer die Nase vorn (MSCI Emerging Markets +5.5%), gefolgt von der Schweiz (SMI +2.9%, SPI +5.1%) und den USA (S&P 500 +2.6%, NASDAQ +3.9%). Die europäischen Aktienmärkte gaben ihre Gewinne seit Mitte Mai wieder preis, vor allem während der letzten Handelstage im Juni, und schlossen kaum verändert. Im Gegensatz zum Fed, das die Leitzinsen im Juni um weitere 0.25% anhob und eine Verkürzung der Zentralbankbilanz ankündigte, sorgten in der letzten Juniwoche die EZB und die BoE für Aufregung, weil ihre Präsidenten an der Konferenz in Sintra die geldpolitische Wende thematisierten.
In seiner Rede versprühte Mario Draghi dann mehr konjunkturelle Zuversicht denn je: Die Inflationsraten seien zwar noch nicht ganz dort, wo die EZB sie mittelfristig haben möchte, die letzten dafür verantwortlichen Sondereffekte seien aber vorübergehend. Der EUR legte anschliessend 2 Cents zu und erstarkte damit gegenüber dem USD während dem zweiten Quartal massiv von 1.07 auf 1.14. Der Wechselkurs EUR/CHF erholte sich von 1.07 auf 1.09. Der seit März wieder beobachtete Renditerückgangan den Anleihenmärkten nahm nach Draghis Rede ein jähes Ende: Die Renditen 10-jähriger Bunds verdoppelten sich schlagartig von 0.24% auf 0.47%, jene der Eidgenossen erhöhten sich von –0.18% auf –0.05%, und jene der US-Treasuries stiegen ebenfalls 16 Basispunkte auf 2.3%.
Wir gehen weiterhin von einer synchronen Erholung der Weltwirtschaft aus, und die Eurozone geniesst zyklischen Rückenwind. Die Stimmung bei Unternehmen – nicht zuletzt wegen der guten Gewinnaussichten – und bei Konsumenten bleibt gut. An den Börsen wird der Bullenmarkt nicht bloss von ein paar wenigen schwergewichtigen Aktien getragen: Zykliker könnten zu einer neuen Aufwärtsbewegung ansetzen. Mögliche Profiteure sind Öl- und Rohstoff-, aber auch Bankaktien. Die Bewertung der Aktienmärkte liegt über dem Durchschnitt, aber vermutlich stirbt diese Hausse nicht daran. Angesichts dieser Ausgangslage erwarten wir keine grosse Korrektur oder gar eine Trendwende. Wahrscheinlicher scheint eine Konsolidierung mit anschliessender Avance. Etwas Potenzial für mehr Inflation bis zum Jahresende haben unseres Erachtens die USA, sofern die Arbeitslosenrate weiter sinkt.
Zudem gehen wir von einem steigenden Ölpreis aus. Der Verbrauch ist höher als die Produktion und die Öllager bauen sich ab, wenn auch nur langsam. Nach unseren Berechnungen kann die EZB im August unter den selbstauferlegten Regeln nicht weiter deutsche Bunds kaufen. Die Tapering-Diskussionen der Marktteilnehmer werden voraussichtlich nicht mehr verstummen, was in der Eurozone und in deren Schlepptau auch in der Schweiz zu höheren Renditen führen dürfte. Wir gehen von einem weiter erstarkenden EUR gegenüber dem USD und dem CHF aus. (IHAG/mc)