Maarten-Jan Bakkum, ING IM Senior Emerging Markets Aktien-Stratege.
Wann immer die Konjunktur in China ins Stocken gerät, sollten sich EM-Investoren an Ländern orientieren, die relativ unabhängig vom chinesischen Wirtschaftswachstum sind. Indien ist solch ein Land: Seine Ausfuhren an den Nachbarn im Norden machen nur ein Prozent der indischen Wirtschaftsleistung aus; damit sind die wirtschaftlichen Bindungen zu China recht locker.
Von Maarten-Jan Bakkum, ING IM Senior Emerging Markets Aktien-Stratege.
Das mangelnde Anlegerinteresse an Indien war in den vergangenen Jahren vor allem auf hausgemachte Probleme zurückzuführen. So hatten mehrere Korruptionsskandale das politische System in Delhi regelrecht gelähmt. Verschärft wurde die konjunkturelle Abschwächung durch den Mangel an entschlossenem Handeln. Die Sachanlageinvestitionen stagnieren, doch das Land braucht dringend eine leistungsfähigere Infrastruktur. Zugleich treibt die fiskalpolitische Expansion – vor allem durch Sozialtransfers in ländliche Gebiete – die Inflation in die Höhe. Doch der Hauptgrund für den deutlichen Anstieg der Inflationsrate ist die mangelnde Liberalisierung des Einzelhandelsmarktes, wodurch es zu einer „künstlichen“ Erhöhung der Kaufkraft in den ärmsten Bevölkerungsteilen kommt. Die nächsten Parlamentswahlen stehen erst 2014 an, insofern sind die Aussichten für Reformen in nächster Zeit eher trübe. Aber trotz dieser Probleme deutet einiges darauf hin, dass die Talsohle erreicht ist. Indien ist eine relativ geschlossene Volkswirtschaft. Das bedeutet, dass der Subkontinent weniger als andere Schwellenländer vom Verlauf der Weltwirtschaft abhängt. Indiens Wirtschaft kann weiterhin auf enorme strukturelle Triebkräfte zählen, wie den rapide wachsenden Arbeitsmarkt, eine vergleichsweise geringe Verschuldung von Unternehmen und Privathaushalten sowie den Trend hin zu einer allgemeinen wirtschaftlichen Liberalisierung. Bei einer BIP-Zuwachsrate von aktuell nur 5,5 Prozent halten wir eine positive Einschätzung der Wachstumsaussichten für gerechtfertigt.
Positive Indikatoren
Zwei der Frühindikatoren aus unserem Arsenal – zusammengestellt zur Beobachtung von Indiens Konjunkturdynamik – haben sich in den letzten paar Monaten positiver entwickelt. Der eine Indikator, der den Umschlag von Rohstoffen in Seehäfen misst, deutet darauf hin, dass das Wachstum der Sachlageinvestitionen nicht mehr rückläufig ist. Der andere Indikator, der die Konsumgüterproduktion abbildet, legt nahe, dass der Privatkonsum in den nächsten Monaten wieder zulegen wird. Daneben ist auch der Economic-Surprise-Index für Indien seit Juni gestiegen. Dieser Index nähert sich rasch dem Nullpunkt. Das bedeutet, dass die indischen Konjunkturdaten bereits in ein paar Wochen mit den ersten angenehmen Überraschungen aufwarten könnten. Zudem sprechen die bessere Finanzlage der Unternehmen und die Tatsache, dass der indische Aktienmarkt die Global Emerging Markets seit Mai übertroffen hat, für eine Erholung.
Fazit
Die Aktienmärkte der Schwellenländer schneiden momentan schlechter als die der entwickelten Märkte ab. In den vergangenen Wochen verschärfte sich diese Entwicklung sogar. Grund waren zum einen die enttäuschenden Konjunkturdaten aus China und zum anderen die Stärke der europäischen Märkte infolge dezidierterer Aktionen durch die EZB. Die fortgesetzten Abwärts-korrekturen der chinesischen Wachstumsaussichten sowie das wachsende Risiko im chinesischen Finanzsektor werden EM-Assets wohl weiterhin belasten. Das bedeutet allerdings nicht, dass die aufstrebenden Märkte keine attraktiven Chancen mehr bieten. Indien, das wenig sensibel auf die chinesische Wachstumsentwicklung reagiert, dürfte in den kommenden Monaten bessere Zahlen schreiben. Daher zählt der indische Aktienmarkt, der seit Mai besser als die Global Emerging Markets abschneidet, derzeit zu unseren Favoriten im EM-Universum. (ING IM /mc/hfu)
ING Investment Management (ING IM)
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