Pfäffikon – Der aktuelle Anlagekommentar der Arvest Funds AG setzt sich mit der Frage auseinander, ob ein höheres Wirtschaftswachstum auch tatsächlich, wie von vielen Anlegern angenommen, höhere Gewinne an der Börse erwarten lässt.
In den letzten Jahren konnte man immer deutlicher eine zweigeteilte Welt beobachten.
Es geht nicht um einen neuen Kalten Krieg, wo sich die Welt in plan- oder marktwirtschaftlich dominierte Regionen aufteilt. In der jüngeren Vergangenheit geht es nur noch um unterschiedliche Wachstumsraten: Zum einen haben wir die entwickelten Industrienationen, die wirtschaftlich betrachtet kaum mehr vom Fleck kommen und ein BIP-Wachstum von bereits 2% als grossen Leistungsausweis der Wirtschaft und Politik ausrufen. Auf der anderen Seite befinden sich die aufholenden Volkswirtschaften, für die Wachstumsraten von unter 5% bereits eine «ökonomische Katastrophe» darstellen.
Mehr Wachstum gleich mehr Gewinn?
Aufgrund der höheren Wachstumsraten haben sich die Investitionen von institutionellen und privaten Anlegern immer stärker hin zu den aufholenden Volkswirtschaften verschoben. Die Grundüberzeugung, die hinter dieser Anlageverschiebung steckt, ist auf den ersten Blick schnell nachvollziehbar. Intuitiv gehen die meisten Investoren davon aus, dass in Volkswirtschaften mit höherem Wirtschaftswachstum auch höhere Börsengewinne einhergehen müssen. Die gleichen Grundüberlegungen kennt man übrigens auch von Zwiegesprächen zwischen Value- und Growth-Investoren auf Einzeltitelebene. Welche Strategie bringt den grösseren Return? Die Investition in Unternehmen, die bereits seit Jahren gute Gewinne erwirtschaften und ansehnliche Dividenden ausschütten oder Unternehmen, die sich im Wachstum befinden, tendenziell keine relevanten Gewinne erwirtschaften und auch keine Dividenden ausschütten, diese aber für die Zukunft versprechen?
Was sagt die Wissenschaft?
Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die sich genau mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Eine aktuelle Untersuchung haben Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton von der London Business School vorgenommen, welche kürzlich im Global Investment Returns Yearbook 2010 der Credit Suisse publiziert wurde. Die Untersuchung basiert auf Daten von 83 Ländern über die letzten 110 Jahre. Die Autoren kommen bei ihrer Analyse zum (für einige Anleger sicherlich überraschenden) Ergebnis, dass die Investition in Wachstumsländer in der langfristigen Betrachtung nicht zu höheren Renditen führte. Mark Hulbert von MarketWatch bringt dieses intuitiv unerwartete Ergebnis mit einem rhetorischen Frage-Antwort-Spiel auf den Punkt:
Question: True or false? The stock market performs better when corporate earnings are growing more quickly. Answer: Believe it or not, the correct answer is false.
Doch damit nicht genug. Die erwähnte Studie kommt zudem zum Ergebnis, dass langfristig betrachtet sogar eine negative Korrelation zwischen inflationsbereinigtem Wirtschaftswachstum und Rendite besteht. Für kürzere Zeitperioden kann das Ergebnis dagegen anders ausfallen.
Value-Stil versus Wachstumsregionen?
Diese Ergebnisse bestätigen meine Überzeugungen zu diesem Thema. Doch wie passt dies mit der Tatsache zusammen, dass die hauseigenen Fonds „ARVEST Global Stars“ und „ARVEST Eurasia Stars“ stark in Asien, also in einer Region mit hohen Wachstumsraten investiert sind, obwohl das Arvest-Anlagekomitee bei Investitionen grossen Wert auf einen Qualitäts-Ansatz legt? Ganz einfach damit, dass auch in Wachstumsregionen im Rahmen einer aktiven Anlagestrategie die Möglichkeit besteht, gezielt in Value-Titel zu investieren. Hierfür ist ein Selektionsprozess erforderlich, auf deren Basis auf jene Unternehmen fokussiert werden kann, die nach strengen Qualitätskriterien als solide gelten und zudem nicht überbewertet sind. Die undifferenzierte Ausrichtung eines Portfolios auf alleine wirtschaftlich wachsende Regionen birgt folglich Risiken, die sich vor allem in schlechteren Börsenzeiten besonders deutlich zeigen. Grosse Vorsicht ist daher insbesondere im Umgang mit passiven Anlagestrategien wie ETF geboten, da mit solchen Instrumenten in der Regel undifferenziert in einen insgesamt womöglich bereits stark überbewerteten Markt investiert wird.
Fazit
Die Auseinandersetzung mit dem Thema dieses Anlagekommentars hat erneut verdeutlicht, dass Investoren in ihren Anlageentscheiden nicht nur rational vorgehen. Sie lassen sich auch von intuitiven Überlegungen verleiten, selbst wenn Analysen über längere Zeitperioden dem widersprechen. Diese Erkenntnisse über den vermeintlich rationalen Homo oeconomicus, die in der Verhaltensökonomik (Behavioral Finance) regelmässig wissenschaftlich bestätigt werden, müssen bei der Vermögensverwaltung in die eigenen Analysen mit einfliessen. (ar/com/ah)