Mauricio Vargas, Union Investment: «Bitcoin verbraucht täglich so viel Strom wie ganz Dänemark»
Der rasante Höhenflug von Bitcoin und der anschliessende Absturz sorgen weltweit für Diskussionen bei Anlegern, Finanzinstituten, in der Wirtschaft und vielen Regierungen. Ob Kryptowährungen etwas für Zocker und Geldwäscher oder werden sie das gesamte Finanzwesen revolutionieren, erklärt Dr. Mauricio Vargas, Ökonom bei Union Investment sowie Experte für Kryptowährungen und Blockchain, im Interview.
Von Markus Baumgartner, b-public
Herr Vargas, erst die Bitcoin-Euphorie, dann der tiefe Fall. Jetzt noch Handelsverbote von mehreren Staaten oder zumindest restriktive Regulierungsversuche. War´s das mit Bitcoin und den Kryptowährungen?
Wenn man die Kursentwicklung anschaut, könnte man das fast meinen. Allerdings ist es so wie bei fast jeder neuen Technologie: Am Anfang entsteht ein riesiger Hype, dann korrigiert das Pendel und schlägt wieder zurück. Insofern ist alles, was wir zuletzt gesehen haben auch eine Normalisierung – und das ist gut so. Denn sicher waren viele Hoffnungen und Erwartungen an das Thema überzogen, die Preisanstiege etwa beim Bitcoin fern jeder realistischen Bewertung. Aber: Das Thema Blockchain und Kryptowährungen wird nicht wieder einfach so verschwinden. Denn die dahinterstehende Technologie bietet ein hohes Entwicklungspotenzial. Aktuell sind wir aber noch in einer Phase, wo sich erst vieles finden muss und Kinderkrankheiten überwunden werden müssen.
«Das Thema Blockchain und Kryptowährungen wird nicht wieder einfach so verschwinden. Denn die dahinterstehende Technologie bietet ein hohes Entwicklungspotenzial.» Mauricio Vargas, Ökonom bei Union Investment
Also vorerst abwarten?
Ja, bei bahnbrechenden, neuen Technologien empfiehlt es sich mit Augenmass zu agieren, Visibilität zu schaffen und zu verstehen, wo die Chancen und Risiken liegen. Kryptowährungen können in der Zukunft eine bedeutsame Rolle spielen, aber im Moment überwiegen einfach die Fragezeichen.
Aber viele Investoren haben ja durchaus zugegriffen. Welche Gruppen waren das und warum haben diese Investoren Kryptowährungen gekauft?
Prinzipiell ist das schwer das zu sagen, denn es liegt ja in der Natur der Kryptowährungen, dass wir aufgrund der Anonymität, die sie garantieren, einfach nicht wissen, wer hier investiert ist. Wir haben natürlich einige Indizien, so gibt es beispielsweise die Idealisten, die an das Prinzip der Kryptowährungen glauben und sich schon frühzeitig eingedeckt haben. Diese sind natürlich auch die grössten Profiteure der jüngsten Kursentwicklungen. Aber es gibt auch andere Akteure, beispielsweise haben sehr viele Chinesen, vorbei an staatlichen Kapitalverkehrskontrollen, ihre Gelder ins Ausland transferiert. Hinzu kommen auch kriminelle Motive, Stichworte „Steuervermeidung und Geldwäsche“. Und zu guter Letzt sind wohl auch Spekulanten aufgesprungen.
Waren oder sind Union Investment-Fonds in Kryptowährungen investiert?
Definitiv nicht, weder Privatkunden- noch institutionelle Fonds waren oder sind aktuell in Kryptowährungen investiert. Das hat unterschiedliche Gründe. Neben regulatorischen und technischen Punkten geht es dabei vor allem um die Frage, ob es sich heute schon um ein für unsere Kunden empfehlenswertes Investment handelt. Und da lautet unsere Antwort: nein. Bevor wir für unsere Kunden in entsprechende Anlagen investieren, müssen wir von deren Werthaltigkeit überzeugt sein. Beim Thema Kryptowährungen ist das bislang nicht der Fall, so dass wir unsere Anleger auch ein Stück weit schützen wollen und müssen.
Wie immer: Hohe Chancen, hohe Risiken?
Stimmt genau. Gerade die letzten Wochen haben gezeigt, wie schnell es auch wieder in die andere Richtung gehen kann.
Gibt es denn ausser den hohen Risiken noch andere Hürden für Investments in Kryptowährungen?
Ja, die gibt es in der Tat. Auch wenn wir nicht alle Hürden kennen – wie bei jeder Technologie. Aber schon heute ist klar, dass wir beispielsweise aufgrund regulatorischer Vorgaben gar nicht in Kryptowährungen investieren dürfen. Des Weiteren sind gerade viele Staaten dabei, Kryptowährungen zu verbieten oder gesetzlich stark zu regulieren. Und dann gibt es auch unter Nachhaltigkeitsaspekten noch Fragezeichen: Die Blockchain-Technology ist ein wahrer Stromfresser. Allein Bitcoin verbraucht bei den täglichen Transaktionen so viel Strom wie ganz Dänemark, in Island verbrauchen die Bitcoin-Server mehr Strom als der ganze Rest der Volkswirtschaft. Für uns heisst das zusammengefasst, wir beobachten und analysieren das Thema sehr genau, investieren aber nicht.
Ist es denkbar, dass Union Investment eines Tages in Kryptowährungen investieren wird?
Wir werden am Ball bleiben und die Rahmenparameter ständig im Auge behalten. Schon jetzt für uns interessant und investierbar sind in diesem Zusammenhang aber andere Marktchancen, nämlich Aktien etablierter Unternehmen, welche die zugrunde liegende Technologie, die Blockchain, nutzen. Denken Sie beispielsweise an Logistikkonzerne, die genau und automatisiert nachvollziehen können, wo genau ihre Produkte hin geliefert werden. Sie können die Dokumentation ihrer Warenströme verschlanken und damit Abstimmungsaufwand und Kosten reduzieren. Dort schlummern riesige Potenziale. Genau solche Unternehmen schauen wir uns an und investieren quasi über Bande dann auch. Eine Investition in Kryptowährungen selbst steht meines Erachtens jedoch nicht bevor, da neben den genannten regulatorischen Hürden auch ethische Fragen offen sind.
Sie spielen auf kriminelle Elemente an, die momentan Kryptowährungen intensiv nutzen?
Ganz genau. Aktuell speist dich die Attraktivität von BitCoin und anderen Kryptowährungen massgeblich aus der garantierten Anonymität der Transaktionen sowie der Möglichkeit, den staatlichen Ordnungsrahmen zu umgehen. Plump gesprochen stellen Kryptowährungen somit eine moderne Form des anonymen Schweizer Nummernkontos dar. Bevor ein Investment für uns in Frage käme, müsste also sichergestellt sein, dass sich Kryptowährungen dem staatlichen Ordnungsrahmen nicht entziehen und man sich somit als Investor nicht zum ungewollten Komplizen krimineller Machenschaften macht. Wenn dies geschieht, sehen wir für Investitionen in Kryptowährungen grosse Potenziale.
Also hat das Thema in Zukunft einen besonderen Stellenwert?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben dieses Thema frühzeitig aufgegriffen und die Weichen gestellt. So haben wir bereits Ende letzten Jahres eine Arbeitsgruppe zu Kryptowährungen und Blockchain eingerichtet. Hier sind Kollegen aus unterschiedlichsten Abteilungen involviert, aus den Bereichen Renten, Währungen, Aktien, Multi Asset, Rohstoffe und Volkswirtschaft, ebenso Pressestelle, UIT, Digitalisierungsteam. Unser Ziel ist es, dieses neue Phänomen eng zu begleiten und unseren Kollegen, aber auch den Volksbanken Raiffeisenbanken eine Orientierungshilfe zu geben.