IS mit Finanzproblemen: Einnahmequellen der Terrororganisation versiegen
Zürich / München – Dem Islamischen Staat (IS) geht bald das Geld aus: Die drei Haupteinnahmequellen der Terrororganisation – Steuern, Öl und Raub – sind allesamt zurückgegangen. Dies zeigt eine gemeinsame Studie des Beratungsunternehmens EY und des International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR), die am Wochenende an der Münchner Sicherheitskonferenz Ministern und Sicherheitsberatern vorgestellt wird. Hauptgrund für die finanziellen Probleme ist der Rückgang territorialer Besitzungen. In der Folge sind die Einnahmen um mehr als die Hälfte eingebrochen, seit der IS sich 2014 als Kalifat ausgerufen hat: von ursprünglich bis zu 1,9 Milliarden US-Dollar auf höchstens noch 870 Millionen US-Dollar im Jahr 2016.
Insbesondere die zu Anfang wichtigste Geldquelle ist dramatisch zurückgegangen. Mit den Gebietseroberungen 2014 plünderten die IS-Kämpfer Städte und historische Stätten, beschlagnahmten Besitz und verlangten Geldstrafen von der Bevölkerung. Das brachte 500 Millionen bis eine Milliarde US-Dollar ein. Allerdings versiegt diese Quelle zusehends: 2015 konnte die Organisation auf diese Weise nur noch 200 bis 300 Millionen US-Dollar einnehmen, im vergangenen Jahr sanken die Einnahmen auf 110 bis 190 Millionen US-Dollar.
Die Rückeroberungen von Gebieten durch die internationale Allianz gegen den IS lassen auch die anderen «Geschäftsfelder» der Organisation einbrechen. Die Einnahmen aus Steuern und Abgaben, die 2015 noch mit 400 bis 800 Millionen US-Dollar auf dem Höhepunkt waren, betrugen 2016 nur 200 bis 400 Millionen US-Dollar. Und auch die Ausbeutung von Ölquellen und anderer natürlicher Ressourcen wird der Terrororganisation zunehmend erschwert. So gingen die Einnahmen von bis zu 450 Millionen US-Dollar im Jahr 2014 auf nur noch maximal 250 Millionen US-Dollar im vergangenen Jahr zurück.
«Wenn sich der Trend so fortsetzt, bricht das ‚Geschäftsmodell‘ des Islamischen Staates bald zusammen», erklärt Dr. Michael Faske, EY-Partner und Leiter des Fraud Investigation & Dispute Services bei EY Schweiz. «Der Terrororganisation ist es nach allen vorliegenden Daten nicht gelungen, ihre Einnahmequellen zu halten oder neue zu erschliessen. Die Gebietsverluste graben dem selbst ausgerufenen Kalifat das Wasser ab. Je kleiner der Islamische Staat wird, umso tiefer sinkt der Kontostand der Terroristen.»
Im Gegensatz zu den meisten terroristischen Organisationen verfügt der IS über eine Bevölkerung, von der er Steuern einnehmen kann, sowie über ein Gebiet, auf dem er natürliche Ressourcen ausbeuten, Eigentum beschlagnahmen und Geschäfte plündern kann. Das bedeutet, dass die Organisation weniger stark von ausländischen Spenden und organisierter Kriminalität abhängig ist und in geringerem Mass auf das internationale Bankensystem angewiesen ist: Damit fällt aber auch ein Angriffspunkt weg, auf den die Bemühungen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung traditionell gerichtet ist.
IS-Gebiet 2016 um knapp ein Viertel zurückgegangen
Nach den militärischen Erfolgen des IS im Jahr 2014 konnte die Organisation nach und nach wieder zurückgedrängt werden. So verkleinerte sich das Gebiet des selbstausgerufenen Kalifats 2015 um 14 Prozent und im Jahr 2016 um 23 Prozent. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Bevölkerungszahl unter dem Einfluss des IS zunächst um knapp 5 Prozent und schliesslich um gut 18 Prozent.
«Klassische Terrororganisationen sind in hohem Masse von Spenden oder verschiedenen Formen der Organisierten Kriminalität abhängig», erklärt Michael Faske. «Ihnen kann relativ einfach der Geldhahn zugedreht werden, da solche Geschäfte über das internationale Bankensystem abgewickelt werden müssen. Die Finanzkraft des IS dagegen ist in grossem Masse abhängig von seiner Gebietsgrösse und der Bevölkerungszahl. Deswegen beruht sein ‚Geschäftsmodell‘ auf ständiger Expansion, die nur militärisch und politisch gestoppt werden kann. Dass dies immer besser gelingt, zeigt die Ebbe auf dem Konto des Kalifats.»
Eine wichtige Massnahme sei unter anderem die Entscheidung der irakischen Regierung im August 2015 gewesen, Gehaltszahlungen an Regierungsangestellte in vom IS beherrschten Gebieten auszusetzen. Weitere wirtschaftliche Schläge gegen den IS seien der Beginn der Operation Tidal Wave II im Oktober 2015, die es ermöglichte, wichtige Erdölförderanlagen und -transportsysteme zu zerstören und die anhaltenden Bemühungen, den grenzüberschreitenden Schmuggel mit der Türkei und kurdisch kontrollierten Gebieten im Irak einzudämmen.
«Es gibt hinreichend Gründe davon auszugehen, dass die Einnahmen des IS weiter sinken werden», sagt Michael Faske abschliessend. «Denn auch Finanz- und Transaktionskontrollen wirken vermehrt. Dennoch heisst das nicht, dass die Organisation nicht mehr in der Lage wäre, terroristische Handlungen auszuführen. Ihre Anschläge lassen sich häufig mit relativ geringem Aufwand durchführen.» (EY/mc/ps)
Zur Studie:
Die Studie wurde von EY in Zusammenarbeit mit dem International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR) am King’s College in London erarbeitet. Die Einschätzung der Finanzlage basiert auf Dokumenten des IS, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, Aussagen vor Kongressen und Parlamenten, Regierungsberichten, journalistischen Nachforschungen, Think-Tank-Studien sowie Interviews mit Regierungsvertretern und Experten.
Hintergrund: Fraud Investigation & Dispute Services:
Der „Fraud Investigation & Dispute Services“ von EY ist führender Anbieter von Beratungsleistungen in der forensischen Wirtschaftsprüfung, der Compliance- und Integritätsberatung sowie der Krisen-Managementberatung. Mehr als 200 hochspezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland und mehr als 4.000 weltweit beraten sowohl Regierungen als auch den privaten Sektor.
Über die globale EY-Organisation
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