IWF-Direktorin Christine Lagarde.
Berlin – IWF-Chefin Christine Lagarde hat eine deutliche Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gefordert. «Wir brauchen eine grössere Brandmauer», sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Montag in Berlin. Lagarde plädierte vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik dafür, die Mittel des im Sommer auslaufenden Hilfsfonds EFSF dem Nachfolge-Rettungsschirm ESM zur Verfügung zu stellen. Das bisher geplante ESM-Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro sollte aufgestockt werden. Hilfreich wäre auch ein klarer und glaubwürdiger Zeitplan.
Eine Woche vor dem EU-Sondergipfel wächst damit der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Euro-Hilfen nochmals auszuweiten. Unter anderem der italienische Regierungschef Mario Monti verlangt, das Hilfsvolumen des ESM auf bis zu eine Billion Euro zu verdoppeln. Ähnliche Forderungen kommen aus anderen Ländern. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hatte vorgeschlagen, die unverbrauchten EFSF-Mittel von etwa 250 Milliarden Euro dem ESM bereitzustellen. Merkel lehnt bisher eine Ausweitung über 500 Milliarden Euro hinaus strikt ab. Im März wollen die EU-Chefs aber prüfen, ob diese Obergrenze reicht.
IWF benötigt mehr Geld
Lagarde sprach sich ferner für eine stärkere, grenzüberschreitende Risikoverteilung im europäischen Bankensystem aus. Sie schlug für die Euro-Zone kurzfristig eine Art Fonds vor, der sich auch direkt an Banken beteiligen kann. Für eine stärkere Integration in der Währungsunion seien zudem eine einheitliche Aufsicht und ein Einlagensicherungsfonds nötig. Zur Ergänzung der Risikoteilung seien Eurobonds oder ein gemeinsamer Schuldtilgungsfonds möglich. Lagarde bekräftigte, der IWF benötige mehr Geld. «Wir müssen die Darlehenskapazität erhöhen.» Es müssten nicht nur Ressourcen für Europa ergänzt werden, sondern auch «Unbeteiligte» vor Ansteckung geschützt werden. Die Kredithilfen des IWF müssten um bis zu 500 Milliarden Dollar aufgestockt werden. «Im Moment loten wir Möglichkeiten aus und beraten uns mit den IWF-Mitgliedern», sagte die frühere französische Finanzministerin. In den nächsten Jahren werde der mögliche Finanzbedarf auf eine Billion Dollar geschätzt.
Globales Finanzsystem bleibt fragil
Mit Blick auf die nächste Konjunkturprognose des IWF sagte Lagarde, für die meisten Regionen werde der Fonds seine Vorhersagen senken. Selbst diese niedrigeren Wachstumsprognosen unterstellten aber, dass die Politik konstruktive Lösungen finde. Dies sei aber keinesfalls gesichert. Das globale Finanzsystem bleibe fragil. Die bisherigen Massnahmen in der Euro-Zone zur Lösung der Schuldenkrise seien wichtig, aber sie seien nur Stückwerk und Teile einer umfassenden Lösung. Europa sei das «Epizentrum der aktuellen Krise». Die IWF-Chefin forderte die Staaten zur Zusammenarbeit auf und warnte erneut vor einem Abgleiten in eine Weltwirtschaftskrise wie 1930. Im vergangenen Jahr habe der gemeinsame Wille gefehlt. «Wir sahen viele Fehlstarts und Halbheiten in Europa, aber auch in den USA.» Die Politik habe alte Wunden nicht heilen können. Dies habe die Sache verschlimmert: «2012 muss ein Jahr der Heilung werden.»
Europa: Kreditklemmen vermeiden
In der Euro-Zone ist nach Ansicht Lagardes neben einem grösseren Schutzwall auch mehr Wirtschaftswachstum erforderlich. Ein Rückzug der Banken und eine Einschränkung der Kreditvergabe müsse verhindert werden. Die EZB müsse die notwendige Liquidität bereitstellen und sowohl Banken als auch den Markt für Staatsanleihen stabilisieren. Zwar hätten mehrere Länder keine andere Wahl, als ihre Haushalte scharf und schnell zu sanieren. Auch müssten einige Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. «Aber dies ist nicht überall so.» Länder mit finanzpolitischem Spielraum sollten dies stützen.
Zu langsame wirtschaftliche Erholung in USA
Zu den USA bemerkte die IWF-Chefin, die wirtschaftliche Erholung komme zu langsam voran. Die Arbeitslosigkeit sei nach wie vor «unakzeptabel hoch». Die private und öffentliche Verschuldung müssten reduziert werden. Die gegenwärtige Strategie funktioniere nicht und sei nicht zufriedenstellend: «Wir brauchen ein Umdenken.» Ohne Deutschland zu nennen, forderte Lagarde Länder mit Leitungsbilanzüberschüssen auf, mehr für die Binnennachfrage zu tun und so das globale Wachstum zu stützen. «Die globalen Defizite werden nur schrumpfen, wenn Überschüsse schrumpfen.» Hier könne China helfen, indem es beim Wachstum weiter stärker auf Konsum setze. (awp/mc/ps)