IWF-Chefin Christine Lagarde.
Paris – Die neue IWF-Chefin Christine Lagarde hat nach dem verheerenden Urteil der Ratingagentur Moody’s zu Portugal mehr Geduld angemahnt. «Portugal hat sich zu einem extrem mutigen Sparprogramm verpflichtet, das von der gesamten politischen Klasse unterstützt wird», erklärte die 55-Jährige in einem Interview des Fernsehsenders France 24.
«Sofern Portugal an seinen Verpflichtungen festhält, gibt es überhaupt keinen Zweifel daran, dass das Programm (…) zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und zu einer Konsolidierung der Situation führt.» Andere Länder, insbesondere Griechenland, sollten sich davon inspirieren lassen, sagte die ehemalige französische Finanz- und Wirtschaftsministerin. Die neue IWF-Chefin sagte weiter, sie habe zum Amtsantritt Gespräche mit ihrem wegen versuchter Vergewaltigung angeklagten Vorgänger und Landsmann Dominique Strauss-Kahn geführt. «Ich habe mit ihm telefoniert, wie es sich gehört», sagte Lagarde France 24. Es sei um aktuelle Projekte und einige Reformen gegangen, die Strauss-Kahn beim Internationalen Währungsfonds (IWF) angestossen habe. «Das war ein rein professioneller Kontakt.»
Schulden und Arbeitslosigkeit haben Vorrang
Die weltweiten Schuldenkrisen und die Arbeitslosigkeit sind für die neue IWF-Chefin Christine Lagarde Top-Themen. Beim Thema Schulden gehe es nicht allein um Griechenland und die Euro-Zone, sagte sie am Mittwoch bei ihrer Antritts-Pressekonferenz in der Zentrale des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. «Es handelt sich um ein sehr breites Thema, das dringend betrachtet werden muss», meinte die Französin mit Blick auf Länder wie die USA und Japan.
Erstmals eine Frau an IWF-Spitze
Mit der 55-jährigen Lagarde steht erstmals eine Frau an der Spitze des IWF. Sie löst Dominique Strauss-Kahn ab, der wegen Vergewaltigungsvorwürfen zurückgetreten war. Bereits an diesem Freitag werde die IWF-Spitze über die Bewilligung einer weiteren Tranche von Hilfsgeldern für Griechenland beraten, kündigte Lagarde an. Sie wollte sich jedoch nicht zu Einzelheiten äussern. Die Finanzminister der Euroländer hatten die Teilzahlung von 12 Milliarden Euro bereits am vergangenen Wochenende freigegeben. Sie riet Griechenland allerdings, sich an Irland und Portugal zu orientieren. Dort hätten die politischen Parteien ihren Streit überwunden und sich auf Reformpläne geeinigt.
Lagarde will Reformen weiterführen
Lagarde, die bisher das französische Wirtschaftsministerium leitete, machte klar, dass sie die internen IWF-Reformen ihres Vorgängers fortsetzen wolle. «Einiges, was Strauss-Kahn begonnen hat, sind exzellente Reformen», sagte die 55-Jährige in geschliffenem Englisch. Erst im März ist beim IWF eine Stimmrechtsreform in Kraft getreten, das Schwellen- und Entwicklungsländern mehr Einfluss gibt. «Wir müssen die Reformen zu Ende bringen, die wir begonnen haben.» Zwar sei die schwere Finanzkrise von 2008 überwunden, doch noch sei das Wachstum vor allen in den westlichen Industrieländern teilweise schwach und weltweit gesehen sehr unausgeglichen, sagte Lagarde weiter.
Kritik an Medien
Grundsätzlich meinte sie, der IWF dürfe sich keinesfalls ausschliesslich nur auf das Schuldenthema konzentrieren. «Arbeitslosigkeit ist ein kritisches Thema.» Es gehe hier auch um den Zusammenhalt von Gesellschaften. Allerdings vermied es Lagarde, auf Fragen nach dem Rechtsstreit um Strauss-Kahn Stellung zu nehmen. Sie liess sich lediglich vage über Unterschiede im amerikanischen und europäischen Rechtssystem aus. Allerdings übte sie deutliche Kritik an den Medien. Für Angeklagte und Beschuldigte müsse bis zu einem Gerichtsurteil die Unschuldsvermutung gelten. «Es wäre eine Ehre für die Medien, dies ebenfalls zu respektieren.» Ausdrücklich begrüsste sie es, dass sie sich nach den neuen IWF-Bedingungen wie alle IWF-Mitarbeiter an einem «Ethik-Training» beteiligen soll. (awp/mc/ss)