Christine Lagarde, französische Finanzministerin.
Neu Delhi – Das Tauziehen um den Chefsessel des Internationalen Währungsfonds (IWF) läuft auf Hochtouren. Frankreichs Kandidatin Christine Lagarde will im Falle ihrer Wahl zur IWF-Chefin die Reformen fortsetzen, um das Gewicht der Schwellenländer beim Internationalen Währungsfonds zu stärken. Sie startete am Montag (Ortszeit) in Brasilien ihre Bewerbungskampagne.
Aus Indien kamen kritische Töne. Premierminister Manmohan Singh stellte erneut den Anspruch Europas auf die Führung des Währungsfonds infrage. Nach deutsch-indischen Regierungskonsultationen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte Singh am Dienstag in Neu Delhi: «Für einen so renommierten Posten sollte die beste verfügbare Person ohne Ansehen seiner oder ihrer Nationalität ausgewählt werden.» Singh sagte, Merkel und er hätten aber bei den Konsultationen nicht über das Thema gesprochen. Merkel macht sich als Nachfolger des zurückgetreten Dominique Strauss-Kahn, der wegen versuchter Vergewaltigung in den USA angeklagt ist, für einen weiteren Europäer an der Spitze des IWF stark. Die Kanzlerin hatte die französische Finanzministerin Lagarde kürzlich als eine «ausgezeichnete und erfahrene Persönlichkeit» bezeichnet.
Lagarde: «Kandidatur ein offener und transparenter Prozess»
Derweil rührte die französische Kandidatin in Brasilien die Werbetrommel: Sie werde sich dafür einsetzen, die Prioritätensetzung beim IWF zu überdenken. «Der Fonds muss seine Rolle kontinuierlich überprüfen, um sich anzupassen, wenn Umstände sich ändern», sagte Lagarde nach einem Treffen mit Brasiliens Finanzminister Guido Mantega. Der hatte zuletzt klar gemacht, dass die Zeiten vorbei seien, in denen der IWF-Topjob automatisch einem Europäer zufalle. Lagarde, die in Brasilien auch Notenbankchef Alexandre Tombini traf, sagte mit Blick auf ihre Bewerbung: «Meine Kandidatur ist ein offener und transparenter Prozess. Die Wahl wird auf Verdienst beruhen. Die Tatsache, Europäerin und Französin zu sein, ist kein Vorteil, darf aber auch kein Nachteil sein.» Im Rahmen ihrer Bewerbungskampagne will Lagarde auch China, Indien und den Nahen Osten besuchen.
Mexikos Zentralbank-Chef sieht sich bestens gerüstet
Am Mittwoch wird Mexikos Zentralbank-Chef Agustín Carstens in Brasilien erwartet. Auch er bewirbt sich um die Nachfolge des zurückgetretenen Dominique Strauss-Kahn. In der Wochenzeitung «Die Zeit» (Mittwoch) kündigte Carstens für den Fall seiner Berufung einen harten Kurs gegenüber den europäischen Schuldenstaaten an. «Ich würde den IWF dahin bewegen wollen, diesen Ländern zu helfen, harte Entscheidungen selbst zu treffen», sagte er und fügte hinzu: «Meine Erfahrung ist, dass die das sonst nicht schaffen werden.» Mit Blick auf den Anspruch der Europäer auf den Top-Posten sagte Carstens: «Ich verstehe nicht, warum nur eine Europäer in der Lage sein sollte, Europa zu helfen.» Sich selbst hält er für bestens gerüstet: «Ich bin ein Ökonom, habe Erfahrung als Gouverneur einer Zentralbank, war Finanzminister, war Exekutivdirektor beim IWF. Ich kenne mich rundum mit Staatsbankrotten aus», sagte Carstens dem Blatt weiter.
«Es gibt derzeit keinen Kandidaten der Schwellenländer»
Brasiliens Finanzminister Mantega sperrte sich bei dem Treffen mit Lagarde nicht kategorisch gegen eine neuerliche europäische Lösung an der IWF-Spitze. Auf mittlere und längere Sicht sei bei der Besetzung des Postens aber ein Wechsel zwischen fortgeschrittenen Ländern und Schwellenländern wünschenswert. Zugleich räumte er ein, dass die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) keinen gemeinsamen Personalvorschlag haben. «Es gibt derzeit keinen Kandidaten der Schwellenländer.» (awp/mc/upd/ps)