IWF: Schuldenkrise bremst Wachstum
IWF-Chefin Christine Lagarde.
Brüssel – Die Schuldenkrise bringt das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone nach Einschätzung der EU-Kommission fast zum Stillstand. Die Brüsseler Behörde korrigiert ihre Prognose für das zweite Halbjahr 2011 deutlich nach unten. An einen Rückfall in die Rezession glaubt sie aber nicht. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, forderte von der europäischen Politik koordinierte Massnahmen im Kampf gegen die Schuldenkrise. Derweil rückt im Kampf gegen Schuldenmacherei die Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts näher. Notenbanken stellen in einer gemeinsamen Aktion weltweit Dollar-Kredite zur Verfügung, um einer Vertrauenskrise vorzubeugen.
EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn zeichnet ein düsteres Bild für die Euro-Zone. «Der Aufschwung kommt zum Jahresende zum Erliegen», sagte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn bei Vorlage der Konjunkturprognose für das zweite Halbjahr. Die Brüsseler Behörde senkte ihre Prognose für die zweite Jahreshälfte um insgesamt einen halben Prozentpunkt nach unten. Demnach wird die Wirtschaft im Euro-Raum im dritten Vierteljahr nur noch um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal zulegen, im vierten Quartal um 0,1 Prozent. Als Gründe nannte Rehn die schwindende Exportnachfrage und die Schuldenkrise.
Wachstum lässt nach
Die Schwäche ist auch auf das nachlassende Wachstum in Deutschland zurückzuführen. Auch die grösste Volkswirtschaft im Euro-Raum wird laut Prognose schwächeln und im vierten Quartal nur noch um 0,2 Prozent zulegen. Für Italien erwarten die Experten das Abrutschen in die Stagnation, für Spanien ein Mini-Wachstum von 0,1 und für Frankreich von 0,2 Prozent. Nach monatelangen Debatten einigten sich das Europaparlament und der Vorsitz des EU-Ministerrats auf einen Stabi-Pakt-Kompromiss. Es geht um ein Paket aus sechs Gesetzesvorschlägen («Sixpack»). Über Inhalte wurde zunächst nichts bekannt. Den Vorschlägen müssen sowohl der Ministerrat wie auch das Parlament noch formal zustimmen. Rehn sagte, er gehe davon aus, dass das Parlament am 28. September offiziell grünes Licht geben werde.
Einhaltung von Stabilitätskriterien gefordert
Mit dem Massnahmen-Paket soll die Einhaltung der Stabilitätskriterien – Obergrenzen für Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung – besser als bisher kontrolliert werden können. Umstritten war bis zuletzt, wie automatisch eine Bestrafung von Defizitsündern erfolgen soll. Vom morgigen Freitag an beraten die EU-Finanzminister im polnischen Breslau (Wroclaw) über die Euro-Rettung. Wegen des weltweiten Ausmasses der Krise wird auf Einladung der polnischen Ratspräsidentschaft auch US-Ressortchef Timothy Geithner an dem informellen Treffen teilnehmen.
IWF fordert schnelle und kühne Aktionen
IWF-Chefin Lagarde betonte: «Es gibt einen Weg aus der aktuellen Situation, wenn sich die Regierungen zu schnellen und kühnen Aktionen durchringen.» Ohne gemeinsame Entschlusskraft werde das Vertrauen, das die Welt so dringend brauche, nicht zurückkehren. Sie forderte «starken politischen Willen rund um die Welt, Führung statt gewagter Politik, Kooperation statt Wettbewerb, Aktion statt Reaktion.» Ausdrücklich lobte Lagarde die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, die sich am Mittwochabend klar für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone ausgesprochen hatten.
Herkulesaufgabe
Die «Task Force» der EU für das hochverschuldete Griechenland steht nach eigener Einschätzung vor sehr schwierigen Aufgaben. «Wir haben keine Wunderlösungen», sagte der Chef der «Task Force», Horst Reichenbach, in Athen. Seine 30-köpfige Expertengruppe werde die Griechen vor allem beraten, wie man die Steuerhinterziehung bekämpft, das Budget kürzt und den Staat transparenter macht. Auch Reformen für das defizitäre Gesundheitssystem des Landes müssten angeschoben werden. Im ARD-Morgenmagazin sprach Reichenbach von einer «Herkules-Aufgabe».
Märkte erholen sich weiter
Am deutschen Aktienmarkt ging die Erholung am Donnerstag weiter: Der Dax profitierte von den Hilfsmassnahmen der Notenbanken zur Krisenbewältigung. Mit plus 3,15 Prozent auf 5508,24 Punkten ging der Leitindex aus dem Handel und erholte sich damit von seinem am Montag erreichten 26-Monatstief wieder um rund zehn Prozent. (awp/mc/ps)