IWF-Direktorin Christine Lagarde. (Foto: OIMF Staff Photograph / Stephen Jaffe)
Washington – Die Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen der Ukraine-Krise und der niedrigen Inflation in der Eurozone sorgt für Diskussionen zwischen Finanzministern und Notenbankchefs aus aller Welt. Mit ihrem Treffen bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank suchen die 188 Mitgliedsländer von diesem Freitag an gemeinsam nach Lösungen gegen die aktuellen Konjunktur-Bedrohungen. Dazu zählen ebenfalls die Turbulenzen an den Finanzmärkten aufstrebender Länder während der letzten Monate.
Auch im Kreise der wichtigsten Industrie- und Schwellenstaaten G20 sollen am Rande des Treffens Absprachen für einen gemeinsamen Kurs getroffen werden. Zudem sprachen am Donnerstagabend die Vertreter der führenden Industrieländer (G7) über die Ukraine-Krise. Russland war jüngst aus der Gruppe ausgeschlossen worden, die bis dahin als G8 firmierte. Neben Massnahmen zur Stabilsiierung der Ukraine könnten nach einem Bericht des «Wall Street Journals» auch weitere Sanktionen gegen Moskau erörtert werden.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wollte am Rande des IWF-Treffens sowohl seinen russischen Amtskollegen als auch den ukrainischen Finanzminister zu bilateralen Gesprächen treffen.
Schäden für die Weltwirtschaft befürchtet
Die beiden internationalen Kreditgeber befürchten Schäden für die Weltwirtschaft, sollten die Spannungen zwischen Kiew und Moskau nicht beigelegt werden. Der für Europa zuständige Weltbank-Chefökonom Hans Timmer warnte dabei vor Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Diese hätten «schlimme Folgen für den Handel», sagte er dem ZDF. Schon jetzt schwäche sich in Russland das Wachstum ab: «Der Finanzmarkt dort ist in Aufruhr, die Investitionen gehen zurück. Kurzfristig kann das die Wirtschaftslage der Nachbarn beeinflussen.»
Laut IWF-Chefin Christine Lagarde entscheidet der Exekutivrat Ende April oder Anfang Mai über das Hilfspaket an die Ukraine. Der angepeilte Kredit liegt zwischen 14 und 18 Milliarden Dollar (10 bis 13 Mrd Euro). Weltbankchef Jim Yong Kim bekräftigte, seine Organisation wolle rund 3,5 Milliarden Dollar bereitstellen. Dem TV-Sender Euronews sagte Lagarde, dass von der Krise betroffene Länder ihre Energiepolitik überdenken sollten. Kremlchef Wladimir Putin hatte am Donnerstag vor Problemen beim Gastransit durch die Ukraine gewarnt, weil das Land wachsende Schulden bei Russland habe.
EZB zu raschen Gegenmassnahmen aufgerufen
In der Diskussion über den schwachen Preisauftrieb in der Eurozone, der laut IWF die wirtschaftliche Erholung gefährdet, rief Lagarde die Europäische Zentralbank (EZB) erneut zu raschen Gegenmassnahmen auf. Dabei gelte: «Je schneller, desto besser». Man sei «ermutigt» von jüngsten Aussagen des EZB-Rates, notfalls auch unkonventionelle Mittel einzusetzen. Der IWF befürchtet, dass der Währungsraum sogar in eine Phase mit auf breiter Front fallenden Preise abgleiten könnte. Derartige Deflationsrisiken sieht die Zentralbank nicht.
Sorgen bereiten dem IWF auch weiterhin die drohenden Kapitalprobleme in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Sie müssten sich davor wappnen, dass Investoren ihr Geld abzögen. Ein wesentlicher Grund sei die allmähliche Straffung der Geldpolitik der US-Zentralbank. Laut EZB-Vizepräsident Vitor Constancio ist die Schwächephase in Ländern wie Brasilien, Russland, Indien und China derzeit das grösste Risiko für die Eurozone, deren Erholung weitgehend exportgetrieben sei.
Zur Sprache kommt auch die von der USA blockierte Stimmrechtsreform und Kapitalaufstockung des IWF, die 2010 beschlossen worden war. Ursprünglich sollte die Neuverteilung der Macht mit mehr Einfluss von Schwellenländern wie China und Indien bereits im Herbst 2012 abgeschlossen sein. Dies scheiterte an den USA, die grösster IWF-Anteilseigner sind. Bisher hat der US-Kongress nicht zugestimmt. (awp/mc/ps)