IWF: USA rücken von Strauss-Kahn ab

IWF: USA rücken von Strauss-Kahn ab

US-Finanzminister Timothy Geithner.

Washington – Die USA als wichtigstes Geberland des Internationalen Währungsfonds sind vom verhafteten IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn abgerückt. US-Finanzminister Timothy Geithner forderte eine Übergangslösung für die IWF-Führung. Strauss-Kahn sei «offensichtlich nicht in der Lage», den IWF zu lenken, sagte Geithner in New York.

«Es ist wichtig, dass der Verwaltungsrat formell jemanden für eine Übergangszeit einsetzt, der als geschäftsführender Direktor agieren kann», zitierte das «Wall Street Journal» den Politiker.

John Lipsky führt Geschäfte
Geithner sagte zudem, er sei zuversichtlich, dass der IWF trotz der gegenwärtigen Herausforderung seine Rolle in der Finanzwelt spielen werde. «Da passiert gerade eine Menge in der Welt, und da möchte man, dass der Währungsfonds hilfreich ist», sagte Geithner. «Ich bin aber überzeugt, dass er dazu in der Lage sein wird.» Der IWF hatte zuvor Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky mit der Führung der Geschäfte beauftragt. Strauss-Kahn ist wegen sechs Straftaten angeklagt. Er soll am Samstag ein Zimmermädchen in einem New Yorker Hotel überfallen und bedrängt haben. Dafür drohen ihm 25 Jahre Haft. Derzeit sitzt er auf einer Gefängnisinsel in New York ein.

Nachfolgekarussell dreht sich
Unterdessen ist die Nachfolgedebatte in vollem Gang: Zu den Namen, die für den IWF-Chefposten genannt werden, gehören Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde und der britische Ex-Premier Gordon Brown. Als mögliche deutsche Kandidaten im Gespräch sind Thomas Mirow, der Chef der in London ansässigen Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, sowie der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Politiker der Koalitionsfraktionen Union und FDP sprachen sich ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen Europäer auf dem IWF-Chefsessel aus.

Mehr Einfluss für aufstrebende Volkswirtschaften
Bisher besetzen die Europäer den IWF-Chefposten mit Sitz in Washington. Im Gegenzug steht bislang stets ein Amerikaner an der Spitze der Weltbank. Inzwischen haben aber aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien und Brasilien mehr Einfluss beim IWF und wollen künftig auch Führungspositionen besetzen.

Kandidaten aus Schwellenländern berücksichtigen
Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega sprach sich dafür aus, dass Kandidaten aus Entwicklungs- und Schwellenländern diesmal durchaus in Betracht kommen müssten. Zu den kursierenden Namen aus aufstrebenden Schwellenländern gehören der türkische Ex-Minister Kemal Dervis, Südafrikas Ex-Finanzminister Trevor Manuel sowie der mexikanische Zentralbank-Governeur Agustín Carstens.

Wichtiger Helfer in der Krise
Der IWF ist in der weltweiten Finanzkrise zu einem der wichtigsten Krisenhelfer aufgestiegen. Gerade in der Bewältigung der Euro-Schuldenkrise spielt der IWF eine wichtige Rolle. Zusammen mit den Europäern schnürte der Währungsfonds Milliarden-Rettungspakete für die Schuldensünder Griechenland, Irland und Portugal.

Ökonomen stellen EU-Anspruch auf IWF-Chefposten infrage
Deutsche Ökonomen haben der Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) widersprochen, dass angesichts der Schuldenkrise auch künftig ein Europäer an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) stehen sollte. «Ein Europäer an der Spitze ist keinesfalls Voraussetzung dafür, dass der IWF die wichtige ihm zugedachte Rolle ausfüllt», sagte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner, an Mittwoch «Handelsblatt Online». Es sei vielmehr sogar hilfreich, einen «weniger der europäischen Politik verpflichteten Vertreter in den Verhandlungen zu haben». Dieser dürfte bei den Gesprächen mit den Schuldenstaaten den Eindruck der Unabhängigkeit leichter vermitteln, sagte Fichtner.

IWF als «externes Korrektiv»
Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater sagte: «Das Engagement des IWF ist relativ unabhängig von der Führung des IWF, es ist Teil der Aufgabe dieser Institution.» Der Währungsfonds spiele eine wichtige Rolle in der Schuldenkrise. Der IWF verfüge nicht nur über die nötige Infrastruktur und die Erfahrungen mit Problemlagen wie in Griechenland, sondern er stelle auch für die betroffenen Länder «ein externes Korrektiv dar». Nach Ansicht von Kater ist das hilfreich, um die notwendigen Reformen im politischen Prozess durchzusetzen.

Tradition bröckelt
Aus Fichtners Sicht verfängt auch die Argumentation nicht, dass die IWF-Spitze traditionell mit einem Europäer und im Gegenzug die Weltbank-Führung mit einem Amerikaner besetzt werde. «In den Schwellenländern würde dies zu Recht als Bruch mit der in den vergangenen Jahren signalisierten Bereitschaft zu einer steigenden Bedeutung anderer Regionen in internationalen Organisationen wahrgenommen», sagte der DIW-Ökonom. (awp/mc/upd/ss)

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