Jan Ehrhardt: «Firmen mit guter IT-Infrastruktur haben sich besser entwickelt»
Dr. Jan Ehrhardt hat die Pandemie sehr aktiv antizipiert. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des unabhängigen Vermögensverwalters DJE Kapital erklärt im Interview, welche Vorkehrungen er getroffen und welche Lehren er aus der bisherigen Pandemie gezogen hat.
Von Markus Baumgartner
Herr Ehrhardt, in welchen Märkten, Regionen und Branchen sehen Sie derzeit besondere Chancen für Aktien?
Ehrhardt: Das Thema Umweltschutz ist durch Corona zuletzt in den Hintergrund getreten, aber das wird wiederkommen. Zum Beispiel Windkraftunternehmen und Zulieferer der Elektromobilität sind langfristig weiter aussichtsreich. Investitionen in den Umweltschutz werden meiner Ansicht nach in den kommenden Jahren noch verstärkt getätigt werden. Daher sehe ich Chancen bei Unternehmen, die etwa im Bereich Cleantech tätig sind. Zudem gehe ich davon aus, dass der Staat künftig wieder verstärkt in Infrastruktur und den Bausektor investieren wird. Davon profitieren natürlich Firmen, die hier unterwegs sind. Auch der Pharmasektor, einer der Hauptverlierer der Krise, könnte im zweiten Halbjahr 2021 und im kommenden Jahr wieder aufholen. Dann halte ich Finanzdienstleister für vielversprechend, die gegenüber Banken Marktanteile gewinnen. Nicht zuletzt auch Versicherungen, die langfristig von den leicht höheren Zinsen profitieren. Man darf auch nicht vergessen, dass besonders Rückversicherer ab 2022 wieder weniger Schadensfälle wegen ausgefallen Veranstaltungen verzeichnen werden.
Und wie sieht es bei Anleihen aus?
Ehrhardt: Bei Anleihen haben wir bereits einen Teil des Zinsanstieges gesehen. Hier muss man einfach weiter auf der Lauer liegen und auf Chancen warten. Aber die Zinsseite sieht schon besser aus als noch vor sechs Monaten.
Gibt es etwas, das Sie in oder aus der Krise gelernt haben?
Ehrhardt: Ja, das sind vor allem zwei Dinge. Zum einen ist mir klar geworden, wie extrem wichtig es ist, IT-mässig gut aufgestellt zu sein. Die Krise wird ja oft als Brandbeschleuniger für die technische Entwicklung bezeichnet. Und in der Tat haben sich meist die Firmen besser entwickelt, die bereits vor dem Ausbruch der Pandemie IT-technisch gut dastanden. Dies gilt nicht nur für E-Commerce-Unternehmen, die dadurch profitiert haben, dass die Geschäfte geschlossen waren. Auch Restaurants mit hohem Lieferanteil oder Finanzdienstleister, die online gut mit ihren Kunden kommunizieren, hatten es leichter. Unsere Online-Vermögensverwaltung Solidvest etwa ist 2020 extrem stark gewachsen. Aber auch für die Abläufe in einer Firma selbst ist es wichtig, eine stabile IT-Struktur zu haben, die reibungslos funktioniert.
Wie waren Ihre Erfahrungen?
Ehrhardt: Gut. Wir hatten im Vorfeld oft geprobt, ob wir gut arbeiten können, wenn aus Gründen wie z.B. einem Gebäudebrand niemand ins Büro gehen kann. In der Coronakrise hat es uns dann von Anfang an sehr geholfen, dass wir schon dezentral aufgestellt waren. Im Research zum Beispiel arbeiten wir mit einer Datenbank, auf die wir zugreifen können, egal, wo wir gerade sind. Dieses System hatten wir schon vor der Pandemie entwickelt, da ich ja viel unterwegs bin und die Möglichkeit haben wollte, zum Beispiel auch in Asien auf alle Daten zuzugreifen. Das kam und kommt uns im Lockdown sehr zugute.
«Ich glaube, dass es gerade bei grossen und schwierigen Projekten besser ist, wenn dezentrale Entscheidungen getroffen werden können.»
Welche Schlüsse haben Sie sonst noch aus der Krise gezogen?
Ehrhardt: Es ist weniger eine Lehre als ein Appell für weniger Bürokratie. Ich glaube, dass es gerade bei grossen und schwierigen Projekten besser ist, wenn dezentrale Entscheidungen getroffen werden können. Damit meine ich nicht nur die Impfstoffbeschaffung. Auch im Schulwesen sollte es mehr Möglichkeiten geben, selbstständig und damit schneller zu entscheiden. Ausserdem brauchen wir in den Schulen mehr Anreize für Weiterentwicklungen im IT-Bereich. Ich hoffe auch, dass es nach den Bundestagswahlen vielleicht weniger bürokratische Hürden für innovative Firmen geben wird. Das gilt auch für Universitäten und im gesamten Medizinwesen. Das wäre für eine eventuelle nächste Krise sicherlich gut.
Irgendwann wird Pandemie hoffentlich eingedämmt sein, dass ein Leben und Arbeiten wie vor der Coronakrise wieder möglich ist. Was werden Sie beibehalten?
Ehrhardt: Wir werden auf jeden Fall unsere internen Video-Meetings über Teams beibehalten. Vor der Coronakrise haben wir uns für das wöchentliche Research-Meeting oder die monatliche Strategiesitzung immer in einem grossen Besprechungszimmer getroffen. Es war aber gar nicht so leicht, Termine zu finden, an denen alle Vorstände und die betreffenden Mitarbeiter in der Firma waren. Jetzt finden die Meetings virtuell statt, auch die Kollegen aus unserem Frankfurter Büro sind mit dabei. Ich hätte es nicht gedacht, aber das funktioniert bei uns besser. Das liegt nicht zuletzt daran, dass man der Person, die gerade spricht, konzentriert zuhört. Es gibt einfach weniger Ablenkungen, als wenn 15 Leute zusammen in einem Raum sitzen.
«Wir werden auf jeden Fall unsere internen Video-Meetings über Teams beibehalten.»
Was werden Sie nach der Krise denn wieder genauso machen wie vor dem Ausbruch der Pandemie?
Ehrhardt: Ich möchte wieder reisen. Das habe ich immer sehr gern gemacht und es fehlt mir sehr. Ich werde bewusster reisen als vor der Krise. Tages-Trips nach London etwa wird es künftig schon allein aus Gründen der Nachhaltigkeit grundsätzlich nicht mehr geben. Aber ich möchte weiterhin Unternehmen besuchen. Mein Eindruck ist, dass man sich auf persönliche Gespräche vor Ort doch gründlicher vorbereitet und die Inhalte auch besser in Erinnerung behält. Ich weiss beispielsweise noch genau, wie ich vor ein paar Jahren mit dem Finanzvorstand von Apple im Headquarter in Cuppertino sass und was wir damals besprochen haben. Das letzte Teams-Meeting mit dem ihm vor ein paar Monaten ist mir weniger im Gedächtnis geblieben. Auch die Teilnahme an einer Konferenz funktioniert virtuell nicht so gut. Und in Asien muss man ab und zu einfach vor Ort sein, um alle Entwicklungen auch richtig mitzubekommen.
Der von Ihnen verwaltete Fonds DJE Zins & Dividende ist in der Kategorie Mischfonds Global ausgewogen ausgezeichnet worden. Wie ist es Ihnen gelungen, den Fonds gerade im Corona-Jahr 2020 so erfolgreich zu machen, dass er diesen Preis erhalten hat?
Ehrhardt: Der Fonds hat sich 2020 mit einer Performance von rund sechs Prozent in der Tat gut entwickelt. Das gilt sowohl relativ gegenüber den Wettbewerbern gesehen als auch absolut betrachtet. Ein Grund dafür ist, dass wir gleich zu Beginn der Coronakrise die Aktienquote recht schnell von 50 Prozent auf rund 25 Prozent gesenkt haben. Das war die niedrigste Quote seit dem Jahr 2011. Als das Covid-19-Virus in China aufgetaucht ist, haben wir die Fälle mit der Vogelgrippe von 2003 und mit SARS2 verglichen. Dafür haben wir die Kurven übereinandergelegt und gesehen, dass das neue Virus ungefähr zehn Mal so ansteckend ist. Dann traten die ersten Fälle in Italien auf und uns war klar, dass dieses Coronavirus um die Welt gehen würde. Daher sind wir im Fonds sofort vorsichtig geworden.
Als die Märkte in den darauffolgenden Wochen bis zu 30 Prozent abgestürzt sind und die Notenbanken schnell reagierten, haben wir die niedrigen Kurse für Zukäufe genutzt, sodass wir von der Erholung profitieren konnten. Das ist ein Grund dafür, dass der DJE Zins & Dividende sich 2020 erfolgreich geschlagen hat.
Sie sehen also noch andere Gründe?
Ehrhardt: Ein Fondspreis ist meist nicht nur das Ergebnis eines Jahres. Ich vergleiche es einmal mit einem persönlichen Beispiel aus meiner Schulzeit: Zu Beginn der zwölften Klasse habe ich meinen Schuldirektor gefragt, was er mir denn raten würde, damit ich ein Einser-Abitur schaffen kann. Er sagte, man müsse nicht immer herausragend, aber konstant gut sein. Ich denke, so ist es auch bei Fonds. Und stetig gut sein – das funktioniert nur, wenn das ganze Team eng und richtig gut zusammenarbeitet. Also hat der Fonds die gute Entwicklung und den Preis auch ganz stark dem tollen Job zu verdanken, den unser Team über die vergangenen Jahre hinweg gemacht hat.
Der Corona-Crash ist jetzt etwas mehr als zwölf Monate her. Welcher Ihrer Fonds war von dem Einbruch am stärksten betroffen und wie haben Sie es geschafft, die Verluste mehr als wettzumachen?
Ehrhardt: Am schwierigsten war das Jahr 2020 für den globalen Aktienfonds DJE Dividende & Substanz. Er lag zum Teil mit 20 Prozent im Minus. Gegenüber dem Vergleichsindex MSCI All Country World (-30 Prozent) war das immer noch gut. Aber es war 2020 nicht so leicht, mit Dividendenwerten die Verluste wieder aufzuholen. Am Schluss hat das ganz gut geklappt, der Fonds lag schliesslich mit rund sechs Prozent im Plus, was für einen Dividendenfonds herausragend war. Das ist aber nur gelungen, indem wir neben Dividendentiteln auch grosse Substanzwerte aus dem Technologiesektor ins Portfolio aufgenommen haben. Allein mit Dividendenwerten wäre es meiner Meinung nach kaum möglich gewesen, die Verluste mehr als wettzumachen.