Japan: Designierter Notenbankchef sagt Deflation den Kampf an

Japan: Designierter Notenbankchef sagt Deflation den Kampf an
Japans Notenbankgouverneur Haruhiko Kuroda.

Haruhiko Kuroda, designierter Gouverneur der Bank of Japan.

Tokio / Frankfurt – Der designierte japanische Notenbankchef Haruhiko Kuroda will die Geldpolitik weiter lockern. Die Bank of Japan werde tun, was notwendig sei, um die seit 15 Jahren andauernde Deflation zu bekämpfen, versprach Kuroda am Montag vor dem Parlament in Tokio. Investoren blieben jedoch skeptisch, die Erwartungen an die neue Notenbankspitze sind enorm hoch.

Kuroda deutete an, dass die Notenbanker noch in diesem Jahr, also früher als geplant, mit unbegrenzten Anleihekäufen beginnen könnten. Der derzeitige Präsident der Asiatischen Entwicklungsbank sagte zudem, die Zentralbank habe bislang nicht genügend Wertpapiere angekauft und sollte in Erwägung ziehen, grössere Volumen an Anleihen mit längeren Laufzeiten vom Markt zu nehmen.

Skepsis an den Märkten überwiegt
Wie gross der Druck der Finanzmärkte ist, zeigte sich allerdings an den Reaktionen der Anleger. Obwohl Kuroda weitere expansive Massnahmen versprach, wurden die Äusserungen verhalten aufgenommen, da er auch die Grenzen der Geldpolitik betonte. So sprach er sich dagegen aus, dass die Zentralbank direkte Staatsfinanzierung betreibt.

Der japanische Yen legte im Kurs zu – anders als bei einer weiteren Öffnung der Geldschleusen typisch und von Japans Regierung gewünscht. An der Börse in Tokio bröckelten die Kurse. Einigen Investoren würden die angekündigten Massnahmen wohl nicht weit genug gehen, hiess es aus dem Handel.

Hohe Erwartungen an Kuroda
Japan, das seit zwei Jahrzehnten unter sinkenden Preisen und lahmem Wachstum leidet, steht vor einer geldpolitischen Offensive mit ungewissem Ausgang. Die neue politische Führung unter Premier Shinzo Abe hat den Druck auf die Notenbank deutlich erhöht. Der bisherige Notenbankchef Masaaki Shirakawa wird aus Protest vorzeitig zurücktreten. Nun sind alle Augen auf das Konzept der neuen Mannschaft um Kuroda gerichtet.

Um das Deflationsgespenst endlich zu vertreiben, soll die Geldmenge über massive Anleihekäufe weiter erhöht werden. Kuroda geht davon aus, die Inflation innerhalb von zwei Jahren auf den Zielwert von zwei Prozent heben zu können. «Er muss schon extrem aggressiv in seinem neuen Job starten, um den Markt nicht massiv zu enttäuschen», warnt Commerzbank-Chefanalyst Ulrich Leuchtmann. Solch eine Enttäuschung dürfe er aber keinesfalls riskieren.

Wehe, wenn der Yen aufwertet
Sollte der Devisenmarkt an der Entschlossenheit der japanischen Zentralbank zweifeln, könnte es mit dem Abwärtstrend, den der Yen in den letzten Monaten verzeichnet, schnell wieder zu Ende sein. «Nichts braucht Japans Realwirtschaft aber weniger als einen starken Yen», erklärt Experte Leuchtmann. Eine feste Währung macht die japanischen Exporte im Ausland unattraktiver, umgekehrt werden die Preise durch günstige Importe weiter gedämpft – die Rechnung wird in der Handelsbilanz ausgewiesen und könnte teuer bezahlt werden.

Denn Japan hat mit Abstand den grössten Schuldenberg aller Industrienationen weltweit. Dass Investoren dies in der Vergangenheit gelassen hingenommen haben, lag nicht zuletzt an den Überschüssen, die das Land im Aussenhandel erwirtschaftete. Der Status als Netto-Gläubiger gegenüber dem Ausland ist wichtig, damit japanische Staatsanleihen an den Märkten gefragt bleiben.

Schwache Währung allein wird nicht reichen
«Um Zweifel an Japans Fähigkeit, hinreichend Kapital anzuziehen, erst gar nicht aufkommen zu lassen, ist eine schnelle Verbesserung der Leistungsbilanz nötig», sagt Commerzbank-Stratege Leuchtmann. Und dazu bedürfe es halt – zumindest nach Ansicht der Regierung – eines schwachen Yen. Analysten von Goldman Sachs rechnen damit, dass Japan in dieser Woche das grösste Defizit in der Leistungsbilanz vorlegen wird, dass jemals in der 1985 gestarteten Statistik erschien.

Allein mit Währungsdumping über die Notenbank wird die drittgrösste Wirtschaftsmacht der Welt ihre Misere nicht beenden können. Ohne Strukturreformen dürfte Japan kaum auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückfinden, da sind sich die Ökonomen einig. Dennoch: Durch die extrem hohen Erwartungen, die Premier Abe geschürt hat, zählt zunächst nur, dass die neue Notenbankführung keinen Fehlstart hinlegt. Am 26. April werden Kuroda und sein Team ihre ersten Entscheidungen bekanntgeben. (awp/mc/upd/ps)

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