Tokio – Die japanische Notenbank (BoJ) hält sich angesichts der schleppenden Wirtschaftsentwicklung die Option auf eine zusätzliche Ausweitung der Geldflut offen. Mit neuen Regeln haben sich die Währungshüter aber erst einmal mehr Spielraum für die weitere Ankurbelung der Wirtschaft verschafft. Zunächst werde an dem jährlichen Volumen der Wertpapierkäufe von 80 Billionen Yen (700 Milliarden Euro) und am Negativzins von minus 0,1 Prozent festgehalten, teilte die japanische Notenbank am Mittwoch in Tokio mit. Beide Stellschrauben könnten aber noch weiter gelockert werden.
Den Risiken der lockeren Geldpolitik wollen die Notenbanker künftig durch einen flexibleren Einsatz der Instrumente begegnen. So wollen sich die Währungshüter mehr Flexibilität bei ihrem Wertpapierkaufprogramm verschaffen, um die Renditen bei den Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten nicht noch weiter absacken zu lassen. Damit könnte die BoJ der immer kleiner werdenden Differenz zwischen den Zinsen für kurz- und langfristige Schuldscheinen entgegen wirken.
«Japanisches Roulette»
Der Fokus der Geldpolitik soll demnach verschoben werden. Während sich die Währungshüter bislang bei ihrem Wertpapierkaufprogramm auf eine bestimmte Geldmengenausweitung festgelegt hatten, wollen sie künftig eine bestimmte Gestaltung der sogenannten Zinsstrukturkurve anpeilen. Diese Kurve setzt die kurzfristigen zu den längerfristigen Zinsen ins Verhältnis. Ist der Unterschied zwischen den Zinsen gering, sprechen Ökonomen von einer flachen Zinsstrukturkurve.
Die Commerzbank bezeichnete die Schritte der BoJ als «japanisches Roulette». Dieses sei wie russisches Roulette, nur dass man nicht wisse, ob überhaupt abgedrückt wird, in welche Richtung gezielt wird und ob wirklich eine Kugel geladen sei. «Es kann was passieren, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr gering», hiess es in einer kurz nach der Notenbank-Entscheidung veröffentlichten Studie. Für die Commerzbank-Expertin Esther Reichelt sind die Entscheidungen eine Enttäuschung.
Weg für mehr ETF-Käufe offen
Seit Einführung der Negativzinsen ist die Differenz zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen in Japan gesunken. Die Geldmenge soll nun so lange ausgeweitet werden, bis die Inflation stabil über zwei Prozent liegt. Davon ist die Teuerungsrate mit zuletzt minus 0,4 Prozent allerdings noch weit entfernt. Die Wertpapierkäufe sollen dabei so gestaltet werden, dass die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen ungefähr auf dem derzeitigen Niveau bleibt.
Um dies zu erreichen, könnten die Notenbanker künftig verstärkt Wertpapiere mit kürzeren Laufzeiten kaufen. Den Spielraum dafür haben sie sich nun verschafft. Demnach wird die bisher angepeilte Restlaufzeit der angekauften Wertpapiere von sieben bis 12 Jahren fallen gelassen. Denkbar ist auch, dass die Notenbanker künftig stärker auf risikoreichere Wertpapiere wie Indexfonds auf Aktien (ETFs) setzen. Zumindest vorerst bleibe es aber bei ETF-Käufen im Volumen von 5,7 Billionen Yen, hiess es. Davon sollen im Volumen von 2,7 Billionen Yen solche ETFs gekauft werden, die dem Aktienindex Topix folgen.
BoJ kommt Banken entgegen
Mit der Fokussierung auf die Zinsstrukturkurve reagieren die Notenbanker auf Risiken der lockeren Geldpolitik. Notenbankchef Haruhiko Kuroda hatte bereits in der Vergangenheit eingeräumt, dass die niedrigen langfristigen Zinsen das Geschäftsmodell von Finanzinstituten belasten könnten. Banken verdienen zu einem erheblichen Teil Geld mit der sogenannten Fristentransformation.
Dabei vergeben sie beispielsweise langfristige Kredite und refinanzieren diese durch kurzfristige Schuldenaufnahme. Gibt es nur eine geringe Differenz zwischen den langfristigen und den kurzfristigen Zinsen, fallen die Margen entsprechend gering aus. Auch Versicherer sind von diesem Problem betroffen.
Aktien legen zu, Anleihen geben nach, Yen verliert leicht
An den Finanzmärkten waren die Reaktionen auf die Entscheidungen eindeutig. Die Aktienindizes Nikkei 225 und Topix zogen an, während die Kurse von Anleihen leicht zurückgingen. So stieg die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen erstmals seit März wieder auf null Prozent. Der Japanische Yen verlor etwas an Wert.
Die Probleme der japanischen Wirtschaft zeigten sich unterdessen einmal mehr anhand neuer Aussenhandelszahlen. Im August seien die Exporte um 9,6 Prozent gefallen, teilte das Finanzministerium in Tokio mit. Experten hatten dagegen nur mit einem Rückgang von 4,7 Prozent gerechnet. Vor allem der Verkauf von Autos und Stahlprodukten ins Ausland lief schlecht. Es war zudem der elfte Rückgang in Folge, aber zumindest hat sich das Tempo etwas verlangsamt. Im Juli waren die Exporte noch um 14 Prozent gefallen. (awp/mc/pg)