Tokio – Die japanische Zentralbank beendet ihre jahrelange Negativzinspolitik. Die Währungshüter entschieden am Dienstag nach zweitägiger Sitzung, den kurzfristigen Leitzins von minus 0,1 Prozent auf eine Spanne von null bis 0,1 Prozent anzuheben. Der Negativzins galt seit dem Jahr 2016 und sollte die Kreditvergabe der Banken, die chronisch niedrige Inflation und letztlich die Gesamtwirtschaft anschieben.
Mit der ersten Zinsanhebung seit 17 Jahren ist die Bank von Japan die letzte der grossen Zentralbanken der Welt, die sich von der Politik negativer Leitzinsen verabschiedet. Das Ziel, eine stabile Inflation von zwei Prozent zu erreichen, sei in Sicht, erklärten die Währungshüter um ihren Chef Kazuo Ueda. Die niedrigen und teils negativen Inflationsraten wurden lange als erhebliche Wachstumsbremse angesehen. Mittlerweile bewegt sich die Teuerung aber im Zielbereich der Zentralbank von zwei Prozent.
Die Ausrichtung der japanischen Notenbank stand im krassen Gegensatz zur Linie vieler anderer Zentralbanken, die in den vergangenen Jahren ihre Leitzinsen stark angehoben haben. Damit sollte die überwiegend sehr hohe Inflation bekämpft werden, die durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und Lieferkettenprobleme ausgelöst worden war. In Japan ist die Teuerung zwar ebenfalls gestiegen, allerdings bei weitem nicht so stark wie in den westlichen Industrieländern.
Neben ihrer Negativzinspolitik verabschiedete sich die Bank of Japan auch von anderen Kriseninstrumenten. So wurde die ebenfalls im Jahr 2016 eingeführte Zinskurvenkontrolle aufgegeben, mit der die Währungshüter tief in den Preisbildungsprozess an den Anleihemärkten eingegriffen haben. In Kombination mit sehr umfangreichen Wertpapierkäufen wurden dabei Zielzinssätze vorgegeben, womit die Zentralbank faktisch die Kontrolle über den Kapitalmarkt übernahm. Ziel war auch hierbei, die Marktzinsen zu drücken und damit Wirtschaft und Teuerung anzuschieben.
Künftig will die Bank of Japan auch nicht mehr bestimmte Fonds an den freien Märkten kaufen, insbesondere börsengehandelte Indexfonds (ETF) und Immobilienfonds. Diese Käufe wurden von Experten zum Teil sehr kritisch bewertet, weil die Währungshüter damit neben dem Anleihemarkt auch in die Preisbildung am Aktienmarkt eingegriffen haben. Vor solchen Schritten haben andere grosse Zentralbanken trotz der vielfachen Krisen in den vergangenen Jahren weitgehend abgesehen. Die Käufe von Unternehmensanleihen sollen bis in einem Jahr graduell auslaufen.
Staatsanleihen sollen weiter gekauft werden
Nach wie vor will die Notenbank jedoch Staatsanleihen kaufen, um damit das Zinsniveau am Kapitalmarkt zu beeinflussen. Zurzeit kauft die Zentralbank je Monat für etwa 6 Billionen Yen Staatspapiere (etwa 37 Mrd Euro). Dazu passt, dass die grundsätzliche Ausrichtung der Geldpolitik nach Worten der Währungshüter locker bleiben soll. Die Wirtschaft soll also geldpolitisch weiter unterstützt werden, obwohl sie sich nach Ansicht der Zentralbank tendenziell erholt. Auch gehen die Währungshüter von weiteren Lohnsteigerungen aus, die als mitentscheidend für nachhaltig höhere Inflationsraten gelten.
Mit der beschlossenen Kursänderung steigt die Bank of Japan nach Einschätzung von Ökonomen in die Normalisierung ihrer jahrzehntelang extrem lockeren Geldpolitik ein. Allerdings dürfte diese Normalisierung nur langsam vonstattengehen. «Sicherlich senden das Ende der Negativzinsen und der Zinskurvenkontrolle ein gewisses Signal aus», kommentierte Commerzbank-Fachmann Christoph Balz. «Aber die Massnahmen sind eher homöopathisch.» Es sei nicht zu erwarten, dass rasch weitere Zinsschritte folgten.
Mit ihrer neuen Linie positionieren sich die japanischen Währungshüter abermals konträr zu vielen anderen Notenbanken. Denn in vielen Ländern werden mittlerweile Zinssenkungen erwartet oder sind bereits durchgeführt worden, weil sich die Teuerung wieder nach unten bewegt. Japan ist allerdings auf eine stabile Inflation von zwei Prozent bedacht, die das Land lange Zeit nicht mehr erreicht hatte. Ausgangspunkt der Malaise war die schwere Immobilienkrise vor mehr als 30 Jahren, von der sich das Land viele Jahre nicht erholt hat.
Rasanten Kursverfall der Landeswährung
Die extrem lockere Geldpolitik der japanischen Zentralbank hat auch zu einem rasanten Kursverfall der Landeswährung Yen beigetragen. Für die grosse Exportwirtschaft des Landes bedeutete dies zwar einen gewissen Rückenwind, da japanische Güter im Ausland wechselkursbedingt günstiger werden. Die privaten Haushalte litten aber unter der Entwicklung, weil Importe immer teurer wurden. Nicht zuletzt Energie verteuerte sich für das rohstoffarme Land, sodass die Notenbank zunehmend unter Druck geriet, die Inflation einzudämmen.
Der Yen reagierte auf die Entscheidungen der Währungshüter mit Kursverlusten. Am japanischen Aktienmarkt stiegen dagegen die Kurse. Beides spricht dafür, dass auch an den Finanzmärkten von einem langsamen Normalisierungsprozess ausgegangen wird. (awp/mc/ps)