Bern – Das hiesige Bankensystem ist nach Ansicht der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in den letzten Jahren deutlich widerstandsfähiger geworden. «Wir sind überzeugt, dass unsere Banken heute deutlich krisenresistenter sind als vor zehn Jahren», sagte SNB-Präsident Thomas Jordan gemäss Redemanuskript an der Generalversammlung am Freitag in Bern. Zudem hätten sowohl die Leitungsorgane der Banken als auch die Aufsichtsbehörden heute ein besseres Verständnis für die Einschätzung von Risiken.
Die SNB unterscheidet jeweils zwischen den Grossbanken und den inlandorientierten Banken. Erstere hätten «bereits erhebliche Anstrengungen» unternommen und seien auf Kurs, die an sie gestellten Anforderungen fristgerecht zu erfüllen, so Jordan. Sie hätten ihre Kapitalausstattung und ihre Verlusttragfähigkeit kontinuierlich verbessert, zudem hätten sie wichtige organisatorische Massnahmen in Bezug auf Sanierung und Abwicklungsfähigkeit getroffen.
Es gebe aber auch noch Dinge zu tun. Zum einen müsse der Aufbau der Mittel zur Deckung von Verlusten im Abwicklungsfall abgeschlossen werden. Dies sollte bereits in naher Zukunft der Fall sein. Zum anderen müssten die beiden Grossbanken bis Ende 2019 den Nachweis erbringen, dass sie die für die Schweiz systemrelevanten Funktionen im Krisenfall fortführen können.
Letzteres heisst gemäss Jordan, dass die Schweizer Einheiten, welche die systemrelevanten Funktionen auf sich vereinigen, operativ und finanziell genügend unabhängig vom Rest der Bank sind. Ausserdem müssten auch die Pläne für eine Sanierung und Abwicklung der Gesamtbank, d.h. also auf globaler Stufe, noch finalisiert werden, meint er weiter.
Risikoappetit hat zugenommen
In Bezug auf die Inlandbanken sagte Jordan, dass diese zwar nicht im Zentrum der Finanzkrise gestanden hätten und von den neuen Regulierungen insgesamt wenig betroffen seien. «Ihre Liquiditäts- und Eigenkapitalpolster liegen mehrheitlich deutlich über den regulatorischen Mindestanforderungen», so Jordan. Der Risikoappetit habe aber in den letzten Jahren – nicht zuletzt aufgrund des Tiefzinsumfelds – wieder zugenommen, zudem bestünden Ungleichgewichte auf dem Hypothekar- und Immobilienmarkt. «Es ist deshalb wichtig, dass die inlandorientierten Banken sich der übernommenen Risiken bewusst sind und ihre gute Kapitalisierung auch in Zukunft beibehalten.»
Bei einer gemeinsamen Betrachtung der beiden Bankengruppen lässt sich laut Jordan festhalten, dass die Widerstandskraft des gesamten Bankensystems «markant zugenommen» hat. Die vollständige Umsetzung der beschlossenen Massnahmen werde die Stabilität zudem weiter verbessern. «Wir werden zwar auch in Zukunft systemrelevante Banken haben. Diese dürfen aber nicht mehr ‹too big to fail› sein, so dass Staat und Steuerzahler nicht befürchten müssen, in Geiselhaft genommen zu werden», so Jordan.
Die neue Bankenregulierung trage somit dazu bei, die Risiken zu reduzieren, berücksichtige aber gleichzeitig sowohl die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Schweizer Bankensektors als auch das Interesse an einem bedeutenden Finanzplatz. Nun gelte es, die Umsetzung der neuen Regulierung «konsequent abzuschliessen».
Selbstverständlich müssten die Behörden auch in Zukunft die Regulierung auf ihre Wirksamkeit überprüfen. Dabei müssten jeweils auch die Kosten der Regulierung für die Banken und die Wirtschaft betrachtet werden. «Das Ziel muss sein, die Kosten so tief wie möglich zu halten, ohne dabei die grundsätzlichen Elemente der Finanzstabilität zu verwässern», so der oberste Schweizer Banker.
Franken weiter hoch bewertet
Jordan ging in seiner Rede auch auf die gute Wirtschaftslage und den Franken ein. Die deutliche Überbewertung des Frankens habe sich abgebaut, so Jordan. Dennoch sei er «nach wie vor hoch bewertet». Die Situation sei zudem «nach wie vor fragil». Zwar hat der Devisenmarkt eher wenig auf die jüngsten Börsenturbulenzen reagiert. «Die Lage an den Finanzmärkten und damit die monetären Bedingungen für die Wirtschaft können sich aber rasch wieder verschärfen», befürchtet Jordan. Eine solche Verschärfung sei im gegenwärtigen Umfeld nicht erwünscht. (awp/mc/pg)