Julian Biegmann, General Manager Switzerland Revolut, im Interview

Julian Biegmann

Julian Biegmann, General Manager Switzerland Revolut. (Foto: zvg/mc)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Biegmann, ohne Werbung und Marketing und mit einem beschränkten Angebot hat Revolut in der Schweiz bereits über 900’000 Kundinnen und Kunden. Wie war das möglich?

Julian Biegmann: Wir sind seit 2017 über unsere UK-Einheit Revolut Ltd. in der Schweiz aktiv, durften bis dato hierzulande aber weder aktiv Kunden akquirieren noch Produkte vermarkten. Seit diesem Jahr haben wir mit der Revolut (Switzerland) AG eine offizielle Vertretung in der Schweiz, mit der jetzt beides möglich ist. Es ist schon beeindruckend, dass wir bislang ausschliesslich durch Mundpropaganda und Netzwerkeffekte über 900’000 Retail- und knapp 10’000 Firmenkunden gewinnen konnten.

Die Werbung scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein…

Nun, meiner Meinung nach fehlt es in der Schweiz immer noch an wirklich kundenorientierten Angeboten, die den Schweizer Kundinnen und Kunden wirklich transparente Produkte und Gebühren bieten. Wir sehen, dass viele Bankkunden immer noch unter hohen Kontoführungs- und Zahlungsgebühren leiden – und das oft, ohne wirklich einen entsprechenden Service zu erhalten.

Da ist es schön zu sehen, dass sich neben uns weitere Neobanken etabliert haben. Gleichzeitig stellen wir fest, dass erste integrierte Banken inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt haben und sukzessive beginnen, bestimmte Kontogebühren abzuschaffen. Wir sehen aber nach wie vor ein grosses Potenzial, die Schweizer Kundinnen und Kunden von den Vorteilen von Revolut zu überzeugen und den Finanzplatz Schweiz weiter zu innovieren. Wir sind sehr ehrgeizig und haben eine volle Produktpipeline.

«Meiner Meinung nach fehlt es in der Schweiz immer noch an wirklich kundenorientierten Angeboten, die den Schweizer Kundinnen und Kunden wirklich transparente Produkte und Gebühren bieten.»
Julian Biegmann, General Manager Switzerland Revolut

Sie haben es angesprochen – vor einem Jahr wurden die ersten Schritte unternommen, um in der Schweiz richtig Fuss zu fassen und Anfang 2024 hat Revolut von der Finma die Lizenz für eine lokale Vertretung erhalten. Welche Neuerungen bringt dieser Schritt konkret mit sich?

Diese Lizenz ermöglicht es uns, unsere europäische Bank, die ihren Sitz in Litauen hat und von der Bank of Lithuania (BOL) und der EZB reguliert wird, sowie unsere Handelseinheit in der Schweiz aktiv zu vertreten und deren Produkte unseren Schweizer Kunden anzubieten. So profitieren seit kurzem alle neuen Schweizer Kundinnen und Kunden von den Produkten unserer europäischen Bank und erhalten dank unseres Infrastrukturpartners Postfinance eine Schweizer IBAN-Nummer.

Zudem bieten wir eine breite Palette von Anlageprodukten an. So können Kundinnen und Kunden in über 4000 europäische und amerikanische Aktien sowie in 450 europäische ETFs investieren. Zudem bieten wir Fractional Shares an, bei denen Anleger Teile oder Bruchteile von Aktien kaufen oder verkaufen können. Das ist nicht bahnbrechend, rundet aber unser Angebot ebenso ab wie flexible Geldmarktfonds. In einem zweiten Schritt stellen wir das Angebot in den nächsten Wochen auch unseren bestehenden Kunden zur Verfügung.

Seit dem Markteintritt hat sich Revolut im Schweizer Markt vor allem im Bereich der Kartentransaktionen im Ausland etabliert. Wie hat sich das auf den Erfolg ausgewirkt?

Ich sehe die Schweiz ein bisschen als «Frankeninsel», umgeben vom Euro-Meer. Sobald man 100 Kilometer nach Norden oder Süden fährt, ist man sofort im anderen Währungsraum. Das Angebot liegt in unserer DNA und war eigentlich der Grund für die Gründung von Revolut. Unsere Gründer haben gesehen, dass Wechselkurse und internationaler Zahlungsverkehr für die Leute nicht attraktiv sind. Hier bieten wir den Kunden einen Mehrwert und auch eine grosse Kostenersparnis im Vergleich zu einer klassischen Bank.

Ausserdem handelt es sich um ein gutes Einstiegsprodukt, um die Vorteile von Revolut kennen zu lernen. Aber unser Ziel ist es jetzt, unseren Kunden ein vollwertiges Bankangebot zu bauen, so dass sie Revolut auch als ihr Hauptbankkonto oder ihre Hauptbankbeziehung haben wollen. Dazu gehört auch eine breitere Kundenbasis mit anderen Segmenten. Wir wollen für die Kunden nicht nur eine Rolle spielen, wenn sie im Sommer in den Urlaub fahren oder Freunden in der Eurozone Geld schicken, sondern wir wollen langfristig ihre Hausbank werden.

«Wir wollen für die Kunden nicht nur eine Rolle spielen, wenn sie im Sommer in den Urlaub fahren oder Freunden in der Eurozone Geld schicken, sondern wir wollen langfristig ihre Hausbank werden.»

Also auch QR-Rechnung oder E-Rechnung?

Es ist mein Ziel und meine Aufgabe, unser Produkt weiterzuentwickeln und an die Schweizer Verhältnisse anzupassen. Die QR-Rechnung wird demnächst umgesetzt. E-Bill schauen wir uns an, ebenso 3a-Vorsorgeprodukte.

Neben der QR-Rechnung sind Gemeinschaftskonten sowie ein grösseres Angebot an Schweizer Aktien und ETFs wichtige Themen für uns. Gegen Ende des ersten Quartals 2025 sollen die kostenlosen Auflademöglichkeiten für Kreditkarten kommen. Gerade für Kunden, die Revolut nur sporadisch nutzen, ist dies ein wichtiger Kanal.

Was ist mit Hypotheken?

Hypotheken haben in der Schweiz nicht oberste Priorität, könnten aber langfristig ein Thema werden. In anderen Märkten testen wir bereits erste Hypothekenangebote, zum Beispiel in Litauen, später auch in Frankreich oder Irland. Hypotheken sind aber komplexere Produkte und machen für uns nur Sinn, wenn wir wirklich mehr bieten können als der Wettbewerb. Dazu braucht es auch die entsprechenden Erfahrungen und Bewilligungen.

Warum ist die vergleichsweise kleine Schweiz ein wichtiger Markt für Revolut, das weltweit über 50 Millionen Kundinnen und Kunden hat?

Die Schweiz ist einer der wichtigsten Finanzmärkte der Welt und für Revolut ein strategischer Markt, in dem wir sehr präsent sein wollen. Wir sind hier Marktführer im Bereich Digital Banking und wollen diese Position weiter ausbauen.

Sie haben bereits andere Kundensegmente angesprochen. Gehören dazu auch ältere Kundinnen und Kunden?

Natürlich sehen wir bei unseren Neukunden, dass sie nach wie vor im jüngeren Segment angesiedelt sind. Aber in den ersten Jahren haben Menschen zwischen Mitte 30 und Mitte 50 einen sehr grossen Teil unserer Kunden ausgemacht. Sie haben die Vorteile gesehen und waren digital und finanziell affin genug, um Revolut auszuprobieren. Es gibt auch Teile der Bevölkerung, die etwas zurückhaltender sind. Hier versuchen wir nun, durch unsere Präsenz und unser erweitertes, auf die Schweiz zugeschnittenes Produktangebot das Vertrauen der breiten Bevölkerung zu gewinnen. Die Schweizer IBAN ist dabei ein ganz wichtiger Schritt.

«Wir rechnen mit rund 250’000 Neukunden pro Jahr, bei denen wir unsere Produkte auch aktiv bewerben können.»

Wie soll sich die Zahl der Privat- und Firmenkunden mit dem erweiterten Angebot entwickeln?

Wir haben uns keine konkreten Ziele gesetzt. Aber wir rechnen mit rund 250’000 Neukunden pro Jahr, bei denen wir unsere Produkte auch aktiv bewerben können. Das halte ich für ein realistisches Ziel.

Seit Anfang des Jahres bietet Revolut auch Datenroaming an. Ist das Angebot eine Art Weiterentwicklung der Revolut-Gründungsidee von Nikolay Storonsky, der sich auf Reisen über die hohen Transaktionsgebühren und Provisionen der Banken ärgerte?

Ja, und es ist eine naheliegende Ergänzung. Das gilt vor allem für Länder wie die USA, die Türkei oder auch die Arabischen Emirate. Mit Datenroaming für Europa ist man in den meisten Ländern ganz gut versorgt, aber sobald ich Europa verlasse, wird es richtig, richtig teuer.

Wie wird das Angebot angenommen?

Wir sind mit der Nutzung sehr zufrieden. In den ersten drei Monaten nach der Lancierung hatten wir in Europa über 200’000 Kundinnen und Kunden, die das Angebot ausprobiert und genutzt haben. In der Schweiz sind bisher rund 40’000 Datenpläne eingelöst worden. Für Schweizerinnen und Schweizer sind die Roamingkosten zum Teil sehr hoch, deshalb stösst das Angebot auf grosse Resonanz.

Sie konkurrenzieren also nicht nur die etablierten Banken, sondern auch die Telekomanbieter?

Nun, für uns stand bei der Einführung des Datenroamings nicht in erster Linie der Gedanke im Vordergrund, dass wir damit irgendwie noch Geld verdienen können. Wir schauen einfach, wie wir unseren Kunden den Zugang zu den besten Diensten ermöglichen können. Und da viele Kunden unsere Produkte auf Reisen nutzen, haben wir uns überlegt, welchen Mehrwert wir ihnen bieten können. Das ist bei der eSIM der Fall.

Gibt es weitere Ideen?

Wir prüfen ständig, wo es einen Mehrwert für unsere Kunden gibt und welche Angebote sinnvoll sind. Aber das werden wir zu gegebener Zeit kommunizieren.

Revolut (Switzerland) AG

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