Zürich – Nach Ansicht von Julius-Bär-Präsident Romeo Lacher könnte es bei der Credit Suisse zu einer zweiten grossen Welle von Abflüssen kommen. Nach dem schnellen Abzug von hauptsächlich liquiden Kundeneinlagen könnte es nun um längerfristige Anlagen gehen.
«Den viel grösseren und viel wichtigeren Teil des Geschäftsvolumens mit Individualkunden machen Wertschriften-Portefeuilles und Kredite aus. Hier stellt sich jetzt die Frage, ob dieser Löwenanteil auch noch in Bewegung gerät», sagte Lacher in einem Interview mit dem Finanzportal «Finews».
In den vergangenen Monaten habe Julius Bär «gewisse Zuflüsse gesehen». Aber diese seien nicht nur aus einer Richtung gekommen, und sie seien auch nicht überproportional gewesen, sagte Lacher auf die Frage, inwiefern der Vermögensverwalter von bei der Credit Suisse abgeflossenen Kundengeldern profitiert habe.
Kantonalbanken am Zug
Und wichtig sei eine differenzierte Betrachtung, sagte er weiter. «Bei der Credit Suisse sind in den letzten Wochen in erster Linie Kontoeinlagen abgeflossen. Diese liquiden Einlagen sind sehr mobil und auch nur teilweise von Konkursentscheiden geschützt.»
In der Schweiz würden in einer solchen Situation vorab Banken mit Staatsgarantien als Profiteure in Betracht kommen, so Lacher. Bei dem wichtigeren Teil des Geschäftsvolumens mit Individualkunden habe man bisher sehr wenig Bewegung gesehen. Denn: «Eine derartige Entwicklung dauert länger: Berater überlegen sich, die Bank Richtung Konkurrenz zu verlassen. Sobald sie für den Schritt bereit sind, werden sie versuchen, ihre Klientel mitzunehmen.»
Das brauche dann einen weiteren Entscheidungsprozess auf Kundenseite, und ein Institutswechsel sei in der Umsetzung auch langwieriger geworden. «Das komplette Onboarding sehr vermögender Kundinnen und Kunden am neuen Ort kann gut und gern Monate dauern.»
Daher sei eine zweite Welle von Abflüssen möglich. «Sie würde jetzt erst beginnen», sagte Lacher.
«Nicht alle Banken in einen Topf»
Derweil stört sich der Bär-Präsident an Verallgemeinerungen in der ganzen Diskussion über die anstehende Übernahme der CS durch die UBS und die umstrittene Grösse des kombinierten Bankenriesen. «Aktuell wird immer von ‹den Banken› gesprochen. Gemeint ist aber: die eine Grossbank.»
Denn Grösse sei nicht per se gut oder schlecht. Die Grösse von Julius Bär etwa sei mit einem anderen Risikoprofil verbunden als die Grösse der UBS. «Wir haben ein einfaches Business-Modell, wir machen nur Wealth Management – wir haben kein Investmentbanking, kein Asset Management, kein Retail- oder Kommerzgeschäft.»
Auch in der politischen Diskussion sollten nicht alle Banken in einen Topf geworfen werden. «Das stört mich persönlich», sagte Lacher.
Schweiz muss sich auch gegenüber Ausland erklären
In diese Diskussion bringe man sich primär über die Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken ein, die von Bär-CEO Philipp Rickenbacher präsidiert wird, und über die Schweizerische Bankiervereinigung. Lachers Forderung: «Wir sind sehr dafür, dass zuerst eine saubere Auslegeordnung gemacht wird, was bei der Credit Suisse passiert ist, und wie man zur letztlich angewendeten Rettungsform gelangt ist.» Erst dann sollte über weitere Schritte gesprochen werden.
Er würde sich von der Regierung wünschen, dass sie proaktiv die Beweggründe für das Vorgehen und die entsprechenden Konsequenzen erklärt – und zwar nicht nur daheim in der Schweiz, sondern eben auch gegenüber dem Ausland, sagte Lacher. Er bezog sich dabei etwa auch auf die Abschreibung der AT1-Bonds der CS und dass die Massnahmen bei der Rettung der Bank mittels Notrecht durchgesetzt wurden.
Lacher war lange Zeit bei der Credit Suisse tätig (1990-2017). Vor seiner Zeit als Präsident von Julius Bär war er danach noch einige Jahre Präsident des Schweizer Börsenbetreibers SIX. (awp/mc/ps)